Villnöß – Energie aus der Gemeinschaft
Ein Bericht von Lucia de Paulis
Mit genossenschaftlichem Gemeinsinn gelang es einer kleinen Gemeinde in den Dolomiten, die benötigte Energie selbst zu erzeugen – eine Erfolgsgeschichte.
Bei Klausen im Eisacktal zwängt sich die Straße durch eine enge Schlucht, begrenzt von moosbedeckten Felswänden. Eben auf der Brennerautobahn waren wir noch an Weinbergen und Kastanienwäldern vorbeigefahren und sahen bereits erste Knospen an den Zweigen. Doch als sich weiter oben die Felsschlucht zum Villnößtal und zur dahinter aufragenden Bergkette der Geislergruppe hin weitet, ist der Winter zurück. Schneehaufen säumen die Straße. Auf den kahlen Wiesen lagern alle paar Kilometer haushohe, akkurat geschichtete Holzstapel. Die Dörfer der Gemeinde Villnöß, durch die wir kommen, sind nach Heiligen benannt und an den Geschäften finden sich immer wieder die gleichen Nachnamen. Es scheint, als sei man durch die Felsschlucht nicht nur in den Winter, sondern auch in eine andere Zeit gefahren: keine aneinandergereihten Skiverleih- und Souvenirläden, kaum Hotels, dafür jahrhundertealte Häuser mit verwitterten Holzfassaden und urige Bauernhöfe. Man merkt: In Villnöß ist man einen anderen Weg gegangen als in den angrenzenden Dolomitentälern.
Unsere Energie aus unserer Heimat.
Die Straße windet sich weiter in die Höhe. Nach wie vor nur Wiesen und Wälder, keine Gondeln, keine Sessellifte. Im Weiler St. Magdalena, auf knapp 1.300 Metern Höhe, befindet sich der einzige Schlepplift im ganzen Tal. Direkt gegenüber steht ein unscheinbares, flaches Gebäude. Es könnte eine Scheune sein, wäre da nicht der weiße Dampf, der aus dem Schornstein aufsteigt. Dahinter erheben sich imposant die Dolomitengipfel der Geislergruppe. Auf der Holzfassade des Flachbaus steht: «Unsere Energie aus unserer Heimat – EnergieVillnöß».
Der unauffällige Bau ist eines der beiden hochmodernen Fernheizwerke in Villnöß. «Unsere Energie» – das mag im ersten Moment wie eine leere Werbefloskel klingen. Doch nur, bis man mit den Villnössern spricht: Von denen werden wir erfahren, dass hier von etwa 2.500 Einwohnern fast ein Drittel Mitglied bei der ortsansässigen Energiegenossenschaft ist – und dass diese immer mehr war als eine reine Zweckgemeinschaft: Sie stärkte lokale Kreisläufe, war identitätsstiftend und prägte die Entwicklung des Tals und seiner Bewohner. Wenn die Villnösser über Energie sprechen, verwenden sie oft wie von selbst ein gemeinschaftsbildendes «Wir».
Zusammenhalt – auch in schwierigen Zeiten
Die «Energiegenossenschaft Villnöß» ist eine der ältesten in Südtirol. Drei Bauern und ein Handwerker gründeten 1921 mit einem Kirchendarlehen von 15.000 italienischen Lire die «Elektrizitätsgesellschaft St. Magdalena». Das Gründungsstatut hält die Absicht fest, «für ihre Mitglieder elektrische Energie für Beleuchtung und Kraftbetrieb zu erzeugen und zu verwerten, um damit die Volkswirtschaft zu heben». Auch die Förderung von Handwerk und Industrie ist in dieser Satzung verankert.
Im Schuldschein des Darlehens hat man eine Verzinsung von 4,5 Prozent festgeschrieben; die Schuldner hafteten mit ihrem gesamten Privatbesitz. Dann wurde angepackt: Schon nach knapp einjähriger Bauzeit ging 1922 das erste der mittlerweile drei genossenschaftseigenen Wasserkraftwerke in St. Magdalena in Betrieb. Prompt wuchs sowohl die Unterstützung im Dorf als auch die Zahl der Mitglieder – und die Verbundenheit mit der gemeinsamen Idee: Als 1929 mit der Weltwirtschaftskrise die Genossenschaft kurz vor dem Konkurs stand, bürgten die Bauern erneut mit ihren Höfen.
Identitätsstiftende Energie
Die Loyalität der Villnösser zu ihrer Stromgenossenschaft erklärt sich auch aus dem historisch-politischen Kontext. Südtirol wurde nach dem Ersten Weltkrieg von Italien annektiert. Ab 1922 folgten die Jahre der faschistischen «Italianisierung» der Sprachminderheiten. Öffentlich durfte Deutsch weder gesprochen noch unterrichtet werden, deutsche Vereine und deren Traditionspflege wurden verboten, deutschsprachige Zeitungen zensiert, Orts- und Rufnamen zwangsübersetzt. Angesichts der Historie mag auch der Slogan «Unsere Energie aus unserer Heimat» in einem anderen Licht erscheinen.
Prosperierende Wirtschaft dank Wasserkraft
«Wir in Villnöß haben die Dinge immer schon gern selbst angepackt», sagt Hannes Messner und lächelt, als sei es eine Selbstverständlichkeit, dass die Villnösser vor einem Jahrhundert das gesamte Tal in Eigenregie und aus privaten Mitteln elektrifiziert haben. Messner, 42 Jahre alt, freundliches, jungenhaftes Gesicht, ist auf einem der Höfe in Villnöß aufgewachsen. 2010 kam er zur Energiegenossenschaft Villnöß; seit drei Jahren ist er dort Geschäftsführer. Er holt weit aus, um uns die Geschichte der Genossenschaft näherzubringen. In den 1930er-Jahren, so erzählt er, elektrifizierte Italien vorrangig die Industriegebiete. Bergtäler wie das ihre galten damals als wirtschaftlich unwichtig und sollten – wie auch andere peripher gelegene Regionen Italiens – noch lange auf Strom warten. Nicht so Villnöß: «Dank der Genossenschaft hatten wir hier in den 1940er-Jahren bereits ausreichend Strom für Mühlen, Sägewerke, Handwerker und Einwohner, als man woanders noch bei Kerzenschein zusammensaß», fährt Messner fort. «Davor gab es in Villnöß noch keine ausgebaute Straße und die Mühlen im Tal wurden vom Bach betrieben.»
Strom hatte man nun zwar genug – die Wärmeversorgung jedoch war immer noch Sache jedes Einzelnen. 2007 und 2008 wurden dann in Villnöß zwei Fernheizwerke gebaut, um mit Wärme aus Holz ein Wärmenetz zu betreiben. Als damals per Bürgerumfrage zur Entscheidung stand, wer die Kraftwerke verwalten soll – die Genossenschaft oder die Gemeinde –, waren sich die Villnösser einig: Auch die Fernwärme soll in die Hand ihrer Energiegenossenschaft.
Heute ist Villnöß ein positives Beispiel für eine gelungene dezentrale und bürgernahe Energieerzeugung.
Der Bau der Heizkraftwerke stellte die Wärmeversorgung des Tals auf neue Füße. Heute sind in den beiden Dörfern St. Magdalena und St. Peter 97 Prozent der Gebäude an das Wärmenetz angeschlossen. Das lohnt sich für die Bewohner auch finanziell: Seit über zehn Jahren blieben die Strom- und Heizkosten stabil. Denn der Brennstoff für die Heizkraftwerke wird im Tal erzeugt – und für den Strom sorgt die Wasserkraft. «Selbst als 2022 überall die Preise explodierten, sind unsere Preise 70 Prozent niedriger geblieben, obwohl wir 2022 wegen Trockenheit und Schneearmut im Vorjahr rund ein Drittel weniger Strom aus Wasserkraft gewinnen konnten», erklärt Hannes Messner.
Die Genossenschaft kann solch konstante Strompreise anbieten, weil Villnöß im Schnitt rund 15 Millionen Kilowattstunden im Jahr produziert – und nur 6 Millionen davon selbst verbraucht. Im Sommer wird die Überproduktion an Strom verkauft, nur im Winter kaufte man bei Bedarf Strom zu. «Heute sind wir eine Energieoase und quasi autark. Wir sind mit Erfolg dezentral, klimafreundlich und bürgereigen. Sogar alle Almhütten bis auf 2.300 Höhenmeter sind mittlerweile mit Strom und Glasfaser versorgt. Das haben wir alles mit eigenem Geld gestemmt, ohne öffentliche Förderungen», merkt Messner stolz an.
Fernwärme aus lokal erzeugter Biomasse
Vor der Heizzentrale von St. Peter kippt ein Radlader kubikmeterweise Hackschnitzel in den Brennstoffbunker des Fernheizwerks. Der Duft von Nadelholz verbreitet sich über den Platz, als stünde man in einem Wald. «Im Gegensatz zu anderen Heizwerken haben wir sehr kurze Transportwege. Wir versorgen nur wenige Haushalte und decken unseren Bedarf komplett mit lokalen Holzbeständen. So können wir den Villnösser Bauern langfristig einen festen Abnahmepreis für ihr Holz garantieren», fährt Messner fort, während er durch den Betrieb führt.
Zwischendurch schaut er immer wieder auf die Uhr, er steht unter Zeitdruck. Die Energiegenossenschaft Villnöß hat lediglich sieben Mitarbeiter: Messner selbst, eine Kollegin für die Verwaltung und fünf Techniker. Das kleine Team stemmt die gesamte Versorgung des Tals mit Strom und Wärme. Im Schichtdienst kümmert es sich um die Kundenbetreuung vor Ort und das Bereitschaftstelefon, 365 Tage im Jahr.
Die regulatorischen Vorgaben sind für uns praktisch nicht zu stemmen.
Zudem verlangt die italienische Regulierungsbehörde von Wärmekraftwerken seit ein paar Jahren regelmäßige Berichte zu aktuellen Messwerten und Produktionsdaten. «Diese Regelungen sind für die großen Fernheizwerke in Norditalien entstanden, gelten aber auch für kleine genossenschaftliche Fernheizwerke. Der damit verbundene Aufwand ist für uns praktisch nicht zu stemmen. Dafür bräuchten wir drei bis vier Leute mehr», sagt Hannes Messner.
«Unsere Messwerte sind sowieso meistens besser als vorgeschrieben und ganz sicher besser als die der großen Fernheizwerke. Nur kommen wir halt mit der Kommunikation nicht hinterher», fügt er hinzu, während er die Tür zum Kesselraum öffnet. Im Inneren ist es angenehm warm. Hinter dem dick verglasten Sichtfenster des deckenhohen Heizkessels flackert es gelblich: Hier verbrennen die Hackschnitzel bei 900 Grad Celsius und erhitzen das Wasser im Kesselturm.
Fernwärme: Komfort und verringerte Emissionen
Pumpen befördern das 90 Grad heiße Wasser anschließend durch unterirdisch verlegte Wärmeleitungen, welche die Heizenergie auf die angeschlossenen Gebäude im Umkreis verteilen. Dort wird das Heißwasser in den jeweiligen Heiz- und Wasserkreislauf eingespeist. Nach der Nutzung gelangt das abgekühlte Wasser zum Fernheizwerk zurück. Dort beginnt der Kreislauf von vorn.
Das Heizwerk bietet neben der Wärmeerzeugung auch einen großen ökologischen Vorteil: Die Abgase aus dem Schornstein des Fernheizwerks werden speziell gefiltert, die Emissionswerte sind dabei streng reguliert. Die zentrale Verbrennung ersetzt, was vorher Hunderte einzelne und oft veraltete Holz-, Gas- und Ölöfen leisten mussten. Die Auswirkung auf die Luftqualität ist enorm. Seit der Inbetriebnahme von Fernheizwerken in ganz Südtirol ist dort die Feinstaubbelastung um 90 Prozent zurückgegangen, schreibt die «Europäische Akademie Bozen» 2011 in einer Studie.
Wärmenetze: ein Modell für andere Regionen?
Fernwärme hat also viele Vorteile – aber ist sie auch massen- und zukunftstauglich? Anruf bei Thomas Egger, Energie- und Umwelttechniker, der 2021 den «Klima Club Südtirol» mitgegründet hat: «Lokal ist Fernwärme sicher sinnvoll, ganz besonders wenn man wie jetzt durch Sturmschlag und Borkenkäfer so viel Schadholz zur Verfügung hat.» Jedoch sei es eine gefährliche Entwicklung, wenn nun große Fernheizwerke, die zurzeit noch mit Gas laufen – wie etwa das in Meran –, auf Holz umrüsten wollen. «So viel lokales Holz gibt es auch in Südtirol nicht. Die Fernheizwerke müssen sich daher ebenfalls bestmöglich auf die Nutzung unterschiedlicher Energieträger einstellen», sagt Egger.
Doch hier ist Eile geboten: Denn der Klima- und Energieplan der Südtiroler Regierung hat das Ziel, Südtirol bis spätestens 2040 klimaneutral zu machen. Der «Klimaplan Südtirol 2040» sieht unter anderem vor, dass seit 2023 keine neuen fossilen Heizungen mehr installiert werden dürfen. «Das ist ein guter Anfang – aber 80.000 Heizanlagen laufen noch mit fossilen Energien. Diese Anlagen müssen innerhalb der nächsten 17 Jahre durch regenerative Heizanlagen ersetzt werden. Ein kleinerer Teil davon mit Fernwärme, der überwiegende Teil durch Wärmepumpen», erklärt Egger. Die Energie für diese Wärmepumpen müsse aus dem Ausbau der Photovoltaik kommen, weil das Potenzial der Wasserkraft in Südtirol beinahe ausgeschöpft sei. Die Photovoltaik sollte daher in Südtirol gezielt und massiv aufgestockt werden.
Ein Klimaplan, der Lücken aufweist
Dabei greift der «Klimaplan Südtirol 2040» bei seinen Maßnahmen sogar deutlich zu kurz. «Aktuell sind hier PV-Anlagen für 280 Megawatt installiert, wir brauchen aber laut unseren Berechnungen mindestens das Sechsfache, um bis 2040 klimaneutral zu werden», rechnet Thomas Egger vor. Dazu machte der Klima Club der Südtiroler Regierung bereits 2021 konkrete Vorschläge: Zusätzlich zu den PV-Panels auf Gebäuden und Freiflächen solle man auf den Ausbau der Agri-Photovoltaik setzen. Dabei könnten auf die Halterungen der Hagelschutznetze in einem kleinen Teil der Südtiroler Apfelplantagen kompakte PV-Module montiert werden.
Angesichts der Klimakrise können wir uns keine ästhetischen Bedenken mehr leisten.
«Nehmen wir an, dass bis 2045 effektiv 1.250 Megawatt PV auf Gebäuden installiert ist, dann bleiben etwa 550 Megawatt, die voraussichtlich über Agri-Photovoltaik realisiert werden müssen. Dafür wären rund 1.100 Hektar notwendig – das sind weniger als zehn Prozent der derzeit für den Apfelanbau genutzten Flächen», erklärt Egger. Dabei würde der Einsatz von Agri-Photovoltaik die bisherige landwirtschaftliche Nutzung kaum beeinträchtigen, ganz im Gegenteil: Die Doppelnutzung der Flächen sei durchaus lukrativ. «Die Module würden zwar unser Landschaftsbild verändern. Doch angesichts der Klimaziele können wir uns keine ästhetischen Bedenken mehr leisten.»
Forderung nach dezentraler Energieverwaltung
Rudi Rienzner ist Geschäftsführer des «Südtiroler Energieverbands» (SEV), der die politischen Interessen der Energiegenossenschaften vertritt und branchenspezifische Dienstleistungen wie den Stromankauf und -verkauf anbietet. Eben genau das, wofür den kleinen Genossenschaften, wie etwa der in Villnöß, die Kapazitäten fehlen. Rienzner, 65, grauer Vollbart, ist ein alter Hase im Energiegeschäft, hat bereits die Stadtwerke in Brixen und Verona geleitet. «Der SEV fordert schon seit Jahren, dass die Verwaltung der Energie auf Verbände, Gemeinden und Genossenschaften verteilt wird. Die erfolgreiche Förderung des Fernwärmeausbaus in den 1990er-Jahren hat gezeigt, dass Bürgernähe und Genossenschaften der richtige Weg sind. Darauf sollte sich die Energiepolitik auch heute wieder besinnen.»
Eine lokale Energieverwaltung stärkt die Wertschöpfungskette vor Ort.
Eine dezentralisierte Energieverwaltung könne die Strompreise für die Verbraucher um 10 bis 20 Prozent senken. «Und wenn es günstiger ist, machen vielleicht sogar diejenigen mit, die man mit Umweltargumenten nicht überzeugen kann. Eine lokale Energieverwaltung stärkt außerdem die Wertschöpfungskette vor Ort.» Das bestätigt auch eine weitere Studie der Europäischen Akademie Bozen: Von jedem Euro, den die Südtiroler Verbraucher für lokal produzierten Strom und Fernwärme zahlen, blieben 70 Cent vor Ort, so Rienzner.
Ein glückliches Tal
Wir besuchen Paul Profanter, ehemaliger Geschäftsführer der Energiegenossenschaft Villnöß, auf seinem «Ganoihof», unweit von St. Peter. Der Hof ist 1277 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, er liegt auf einer Anhöhe mit Rundumblick auf die schneebedeckten Berge und weitläufigen Wiesen. Anderswo stünde vor so einem Panorama wahrscheinlich der Infinitypool eines riesigen Wellnesshotels. Doch hier bleibt die Wiese den graufelligen Kühen vorbehalten, die neugierig herüberäugen. Profanter, 71, sportlich, wettergegerbte Haut, strahlt die Ruhe eines erfahrenen Bergführers aus. Das Villnößtal sieht er als gutes Beispiel dafür, wie eine lokale, bürgernahe Energieverwaltung die Bewohnerinnen und Bewohner geprägt und die lokalen Kreisläufe gestärkt hat. «Villnöß hatte immer schon gute Getreideböden – und die frühe Elektrifizierung durch die Genossenschaft half den Betrieben im Tal bereits vor langer Zeit auf die Sprünge. Das war unser Glück», berichtet Paul Profanter.
Auch den bewussten Verzicht auf den alpinen Skirummel im Villnößtal sieht er als Zeichen eines selbstbewussten Bürgersinns: «Wir setzen auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Landwirtschaft und naturnahem Tourismus. Als anderswo der Boom des Skitourismus losging, hatten wir durch die Genossenschaft bereits starke Betriebe und konnten es uns so erlauben, da nicht mitzumachen», sagt er. «Es ging uns bei der Energiegenossenschaft nie nur um den wirtschaftlichen Fortschritt, sondern auch darum, die Dinge gemeinsam so in die Hand zu nehmen, dass alle etwas davon haben.»
Wir haben zusammen wirklich viel erreicht.
Wenn man Profanter nach seinen über 40 Jahren als Geschäftsführer der Genossenschaft fragt, rühmt er sich nicht seiner Erfolge, sondern verfällt wie so viele hier ins kollektive «Wir». Dann richtet er sich in der holzgetäfelten Stube ein bisschen auf, als stärke die Gemeinschaft seinen Rücken: «Wir haben zusammen wirklich viel erreicht – drei Wasserkraftwerke und zwei Fernheizwerke gebaut, sogar die Almhütten mit Strom und Glasfaser versorgt. Villnöß ist heute ein Musterbeispiel für nachhaltige Energieversorgung.»
Eigene Wege gehen, gemeinsam vorankommen
Ein paar Wiesen weiter, im Restaurant «Pitzock» in St. Peter, stehen ein paar Villnösser zum Aperitif am Tresen, aus der Küche klappert und scheppert es geschäftig. In einer Vitrine liegen eine Auszeichnung des «Gault-Millau»-Restaurantführers und Rezensionen aus Feinschmeckermagazinen gleich neben urigen Wollmützen und Fotos von Schafswolljankern. Chefkoch und Besitzer ist Oskar Messner; natürlich ist auch er Genossenschaftsmitglied. 2011 hatte er die Idee, die ehemalige Dorfschenke in ein Slow-Food-Restaurant umzuwandeln und dabei so viele lokale Produzenten wie möglich zu beteiligen. Das stärkte wiederum lokale Kreisläufe und entwickelte sich zusehends zum Erfolgsmodell – und schließlich wurde Villnöß 2022 zur ersten anerkannten Slow-Travel-Region in ganz Trentino-Südtirol.
Wenn man ihn auf die Energiegenossenschaft anspricht, sagt Messner: «Wir Villnösser sind immer schon unseren eigenen Weg gegangen und alle etwas eigenwillige Pioniere. Das hat auf jeden Fall auch mit unserer Genossenschaftstradition zu tun.» Dann erzählt er schmunzelnd eine Anekdote: 2014 sei ein russischer Geschäftsmann aus dem Kaukasus nach Südtirol gekommen, um sich über die hiesige alpine Bewirtschaftung zu informieren. «Er kam auch nach Villnöß und wurde herumgeführt, ich war mit dabei. Als er sich nach unserem Gasverbrauch erkundigte, antwortete Paul Profanter: ‹Gas? Nein, brauchen wir hier nicht!›» Während er das erzählt, betont auch Oskar Messner stolz das «Wir». Und man merkt einmal mehr: Die Genossenschaft hat nicht nur Villnöß in eine autarke Energieinsel verwandelt und lokale Kreisläufe gestärkt, sondern auch den Gemeinsinn der Villnösser nachhaltig geprägt.
Dieser Text ist auch auf Englisch erschienen.
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