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Auf dem Weg zur Sonnenseite

Ein Bericht von Adrian Meyer

Solarenergie spielte in Kroatien bisher kaum eine Rolle – trotz gewaltiger Potenziale. Die grüne Energiegenossenschaft «ZEZ» will das nun ändern.

Ungewöhnlich ist ein solarbetriebenes Freiluftkino sowieso, aber hier fällt es noch mehr auf: Mitten auf einer Wiese in Dubrava, einem Stadtbezirk im Osten von Zagreb, bespielt in einer klaren Septembernacht ein Projektor die Leinwand – dort, wo sonst die Kinder Fußball spielen. Ringsherum überragen Plattenbauten aus der Zeit des Sozialismus mit ihren bis zu 15 Stockwerken lange Straßen mit gepflegten Reihenhäusern. Hier und da sind Betonwände mit Graffitis der «Bad Blue Boys» verschmiert, den Fußball-Ultras von Dinamo Zagreb. Das Stadion des Vereins steht unweit des Wohnviertels, in das sich kaum je ein Tourist verirrt.

Es ist kühl an diesem Abend, zu kühl eigentlich für ein Open-Air-Kino mit Picknick. Dennoch haben sich etwa zwei Dutzend Menschen auf dem Boden niedergelassen, in der Hand Bier oder Snacks, die Schultern in wärmende Decken gehüllt. Sie sind gekommen, um den kroatisch-deutschen Dokumentarfilm «Love around the World» zu sehen, der die Liebe in verschiedenen Kulturen, Regionen und Religionen zu ergründen versucht. Der Film aus dem Jahr 2021 ist auf dem Balkan sehr beliebt. Bevor er beginnt, fallen die Blicke des Kinopublikums auch auf einen blauen Pkw-Anhänger mit der Aufschrift «Dobra Energija», auf Deutsch «gute Energie».

Auf der Wiese vor einem Wohnhochhaus ist ein Freiluftkino aufgebaut, neben der Leinwand stehen Photovoltaik-Module.
Das Solar-Open-Air-Kino der Energiegenossenschaft «ZEZ» macht Station im Zagreber Stadtteil Dubrava. Foto: Toby Binder

Der Hänger bildet das Herzstück des Kinos: ein Mini-Solarkraftwerk, das den Projektor und die Tonanlage mit Energie versorgt. Drei Photovoltaikmodule sind darauf installiert, die Sonnenenergie speichert eine Batterie im Inneren. Der Film über die Liebe fungiert an diesem Abend als Lockvogel. «Wir möchten auf einfache Art zeigen, dass Sonnenenergie funktioniert», sagt Zoran Kordić von der kroatischen Energiegenossenschaft «Zelena Energetska Zadruga» (ZEZ). Mit dem Kinoanhänger tourt die ZEZ durch die Viertel Zagrebs, um die Vorteile der Solarenergie vor Augen zu führen. «Mit diesem Film über die Liebe wollen wir auch die Liebe zur Sonnenenergie entfachen», fügt seine Kollegin Melani Furlan hinzu. Der 36-jährige Kordić ist Mitbegründer der grünen Energiegenossenschaft; gemeinsam mit der 31-jährigen Furlan gehört er dort zu den treibenden Kräften.

Informieren und zum Mitmachen anregen

Vielleicht, sagt er, möchten die Kinobesucher ja mehr über Solaranlagen erfahren. In dem Fall werden sie zu einem der Infoabende eingeladen, die die ZEZ fast wöchentlich im ganzen Land organisiert, um die Menschen über die Vorzüge von Solaranlagen aufzuklären. «Vielleicht haben sie dank unserer Unterstützung bald eine Anlage auf ihrem eigenen Dach und inspirieren damit ihre Nachbarinnen und Nachbarn.» Und eventuell, so hoffen Furlan und Kordić, schließen sich sogar Nachbarschaften zusammen, um gemeinsam Solarpanels zu kaufen. «Womöglich bilden sich daraus lokale, von Bürgerinnen und Bürgern getragene Energiegemeinschaften.» Ein dezentrales, bezahlbares, erneuerbares Energiesystem in Bürgerhand – das ist das Ziel der Genossenschaftsmitglieder. Seit Jahren arbeiten sie darauf hin. Jahre, die auch voller Rückschläge waren: Fast wäre ihre Vision an der kroatischen Politik gescheitert, die weder die Solarenergie voranbrachte noch etwas an der Monopolstellung des staatlichen Energieversorgers «Hrvatska elektro­privreda» (HEP) zu ändern vermochte.

Eine Frau mit schwarzen Haaren hält eine PowerPoint-Präsentation vor einigen Zuhörern, die sich Notizen machen.
Mit regelmäßigen Veranstaltungen will die kroatische Genossenschaft Bürgerinnen und Bürger über das Potenzial von Solarenergie informieren. Foto: Toby Binder

Kaum Solarenergie – trotz riesiger Potenziale

Tatsächlich zählt Kroatien beim Solarausbau zu den Schlusslichtern innerhalb der EU: Der Anteil der Solarenergie am Strommix betrug 2021 nur knapp ein Prozent. Zwar ist der Anteil Erneuerbarer Energien in Kroatien relativ hoch; etwa 70 Prozent des Stroms wird in Wasser- und Windkraftwerken sowie in Bioenergieanlagen erzeugt. Vor allem die Wasserkraft sorgte dabei lange für niedrige Strompreise: Aktuell kostet eine Kilowattstunde 1,06 kroatische Kuna, umgerechnet rund 14 Cent. Dennoch ist das Land abhängig von Energieimporten: von Öl, Kohle, Gas. Wenn die Wasserkraftwerke in trockenen Jahren zu wenig Energie liefern, füllt Fossilenergie aus dem Ausland die Lücke. Und regenarme Sommer werden wegen des Klimawandels immer häufiger.

Um die Erneuerbaren auszubauen, setzte die Politik bisher vor allem auf Windkraftanlagen, von denen in den vergangenen Jahren Hunderte im Land errichtet wurden – oft von internationalen Konzernen. Sonnenenergie aber wurde lange nicht gefördert, war daher schlicht nicht konkurrenzfähig. Und so hat Kroatien heute eine vergleichsweise mickrige installierte Photovoltaikleistung: Anfang des Jahres waren es gerade einmal 140 Megawatt – bei einem Potenzial von 6,8 Gigawatt. Ausgerechnet in einem Land mit mehr als 2.300 Sonnenstunden jährlich spielt die Solarenergie kaum eine Rolle – zumindest bisher: Denn nun erfährt Kroatien seinen ersten Solar-Hype überhaupt. Ausgelöst wurde er durch die Coronakrise, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine – und die steigenden Energiepreise.

So bedrückend die Ursachen sind, für die ZEZ biete sich derzeit «eine Chance, auf die wir sehr lange gewartet haben», sagt Zoran Kordić. Zusammen mit Melani Furlan führt er durch das loftartige ZEZ-Büro, um von ihren Plänen zu erzählen. Es liegt in der obersten Etage eines brutalistischen Nachkriegsbaus am Stadtrand von Zagreb. Im Gebäude stellte RIZ, die jugoslawische «Radioindustrie Zagreb», einst Radio- und TV-Geräte her. Jetzt liegt hier Parkett auf dem Boden, über das die Bürohündin Kimi gemächlich tippelt. Zwanzig Menschen arbeiten für die ZEZ, darunter acht Studentinnen und Studenten, das Team ist jung und vielfältig aufgestellt.

Mitarbeiter sitzen in einem Großraumbüro an ihren Schreibtischen, um sie herum stehen große Zimmerpflanzen.
«Energie aus Bürgerhand» – das ZEZ-Motto an der Wand im Großraumbüro. Foto: Toby Binder
Eine Frau mittleren Alters, in hellen Jeans und grünem Blazer, steht auf einem Flachdach und blickt in die Ferne.
Melani Furlan auf dem Dach des ZEZ-Büros am Stadtrand von Zagreb. Foto: Toby Binder

Wir sind mit dem ›Solarvirus‹ infiziert.

Melani Furlan, Expertin für Gemeinschaftsenergie der «Zelena Energetska Zadruga» (ZEZ)

Während der eher ruhige Kordić als Stratege im Hintergrund agiert, kümmert sich die umtriebige Furlan als Community-Expertin um konkrete Projekte. Beide studierten in Zagreb Elektrotechnik, kennengelernt haben sie sich nach dem Studium, als sie am UNDP-Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen in Zagreb arbeiteten. Im Rahmen eines ihrer ersten Projekte versorgten sie kroatische Bauern­familien in abgelegenen Ortschaften mit Solar-Inselanlagen. Seit den Jugoslawienkriegen waren diese Familien vom Stromnetz abgeschnitten. Nun waren sie dank der Solarpanels in der Lage, ohne teure Dieselgeneratoren eigenen Strom zu erzeugen. Was sie an Diesel sparten, reichte aus, um Kühlschränke zu kaufen. So konnten sie – nachdem sie vorher nur für den Eigenbedarf produziert hatten – ihre Kuhmilch für den Weiterverkauf lagern. Furlan und Kordić lernten daraus, dass Solarenergie nicht nur Strom lieferte, sondern die Menschen ermächtigte, ein unabhängigeres, selbstbestimmtes Leben zu führen. «Seither sind wir mit dem ‹Solarvirus› infiziert», erklärt Furlan.

Erste Erfolge – und eine lange Durststrecke

Das UN-Programm gab den Anstoß für die Gründung der ZEZ-Genossenschaft im Jahr 2013. Überzeugt von der Idee gemeinschaftlicher Produktion von Sonnenenergie, verstand sich die ZEZ von Anfang an als Dachorganisation, die im ganzen Land grüne Energiegenossenschaften fördern wollte. Zunächst organisierte sie ein erfolgreiches Crowdfunding in der Stadt Kaštela an der dalmatischen Küste. Dort wurde mithilfe von Bürgerinnen und Bürgern Geld für eine Solaranlage auf einer öffentlichen Schule gesammelt. Für Kroatien war das zu jener Zeit ein Novum. «Das gab uns die Gewissheit, selbst etwas erfolgreich auf die Beine stellen zu können», erläutert Kordić. Im nächsten Schritt machte sich die ZEZ daran, im ganzen Land geeignete Gruppierungen zu finden, um lokale Energiegenossenschaften zu gründen und beratend wie planend zu begleiten – als eine Art großer Bruder. Ein erster Erfolg gelang auf der Insel Krk: Dort gründeten 300 Bürgerinnen und Bürger dank der ZEZ die erste lokale Energiegenossenschaft Kroatiens, um gemeinsam Solarkraftwerke zu bauen – mit dem Ziel, die Insel bis 2030 klimaneutral zu machen. «Nun wussten wir wirklich», sagt Kordić, «dass unsere Vision andere zum Mitmachen anstiften kann!»

Ein Mann mittleren Alters, mit kurzen dunklen Haaren, steht entspannt im Freien und blickt freundlich in die Kamera.
Der 36-jährige ZEZ-Mitbegründer Zoran Kordić leistete Überzeugungsarbeit, die viel Zeit und Kraft kostete. Foto: Toby Binder

Das Aus für die Einspeisevergütung hat uns jahrelang blockiert.

Zoran Kordić, Mitbegründer der Energiegenossenschaft «Zelena Energetska Zadruga» (ZEZ)

Doch gerade, als die ZEZ dachte, kurz vor dem Durchbruch zu stehen, kam ihr die Politik in die Quere: 2014 gab die kroatische Regierung das Ende der Einspeisevergütungen bekannt. «Das hat uns jahrelang blockiert», sagt Kordić. Niemand habe mehr in Solaranlagen investieren wollen. «Es machte finanziell einfach keinen Sinn mehr.»

Bis der ZEZ ein weiteres Solarenergie-Projekt gelingen sollte, vergingen vier mühsame Jahre: Auf Initiative der Genossenschaft finanzierte die Bürgerschaft der Kleinstadt Križevci nordöstlich von Zagreb eine Solaranlage auf dem Dach des dortigen Verwaltungsgebäudes. Innerhalb von zehn Tagen fanden sich 53 Geldgeber. Sie investierten umgerechnet jeweils 500 Euro in eine 30-Kilowatt-Anlage, die in Partnerschaft mit der Gemeinde betrieben wird. Aus der Initiative entwickelte sich zwei Jahre später – wieder mit Unterstützung der ZEZ – die lokale Bürgerenergiegenossenschaft «KLIK», um die Stadt durch Solarprojekte energieunabhängiger zu machen. Mittlerweile gilt Križevci als eine der führenden Städte Kroatiens auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Misstrauen gegenüber Genossenschaften

Dennoch: Für diesen Erfolg musste die ZEZ viel Überzeugungsarbeit leisten, sowohl bei der Politik wie auch bei den Bürgern und Bürgerinnen. Überzeugungsarbeit, die viel Zeit und Kraft kostete. Zu mühselig sei das gewesen, berichtet Melani Furlan. Das Interesse war gering, Kampagnen kamen nur schleppend voran. «Die Menschen und die Politik verstanden nicht, wie viel Genossenschaften bewegen können.» Nicht nur die hohen Investitionskosten schreckten ab: Ein gewisser Egoismus, der in Kroatien heutzutage vorherrsche, sorge dafür, dass Genossenschaften dort einen schweren Stand haben, erklärt sie. Nach dem gewaltsamen Zusammenbruch Jugoslawiens habe der Gemeinschaftssinn gelitten. Der Krieg habe nachhaltig für Misstrauen gesorgt, weshalb sich heute jeder selbst der Nächste sei. «Sich einzubringen für das Gemeinwohl wird weder politisch noch kulturell unterstützt.» Zudem wecke das kroatische Wort für Genossenschaft, «Zadruga», ungute Erinnerungen an die Zeit der sozialistischen Diktatur, als die Landwirtschaft zwangskollektiviert wurde und nach der Bodenreform von staatlich geführten Kooperativen bestimmt war.

Zeit für eine Raucherpause. Furlan und Kordić steigen auf das Dach des Büros, um ihre Zigaretten zu drehen. Von hier blickt man auf eine Bauruine, daneben steht ein modernes Bürogebäude, im Hintergrund sieht man die Baumwipfel des riesigen Maksimir-Parks, der grünen Lunge Zagrebs, und die Dächer der Vororte. Dicht an dicht reihen sich die Schrägdächer der Reihenhäuser aneinander – das immense Potenzial für Sonnenkollektoren ist sofort erkennbar. «Auf all diesen Dächern könnten Solarpanels liegen», sagt Kordić mit einer ausholenden Armbewegung. Es klingt wehmütig und gleichzeitig hoffnungsvoll.

 Blick über die Dächer Zagrebs: im Vordergrund stehen viele Altbauten, weiter hinten Wohn- und Bürohochhäuser.
In einem Land mit mehr als 2.300 Sonnenstunden pro Jahr bieten die Dächer von Zagreb ein immenses Potenzial für Sonnenkollektoren. Foto: Toby Binder

Wir nahmen alles, was wir kriegen konnten.

Zoran Kordić, Mitbegründer der «Zelena Energetska Zadruga» (ZEZ)

Man spürt, dass Kordić eigentlich schon viel weiter sein möchte mit der Vision der ZEZ, dass er die vergangenen Jahre womöglich als vergeudete Zeit empfindet. Wegen der Blockade im Solarbereich musste die ZEZ zunächst andere Wege suchen, um überhaupt als Organisation finanziell zu überleben. Das gelang durch Projekte des EU-Förderprogramms für Forschung und Innovation. An insgesamt acht davon konnte die Genossenschaft sich erfolgreich beteiligen. «Wir nahmen alles, was wir kriegen konnten», berichtet Kordić. Insgesamt zwanzig Städte nutzten die Dienste der ZEZ, um in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerbare voranzukommen. «Damit haben wir viel Vertrauen aufgebaut.» Vertrauen, das sich nun auszahlen könnte. Den Glauben an die Bürgerenergie hatten Furlan und Kordić jedoch nie verloren: Parallel zu den EU-Projekten erarbeiteten sie einen Plan, um ihre Vision doch noch umsetzen zu können.

Neue Fördermöglichkeiten – und ein neuer Ansatz

Dabei verfolgt die ZEZ einen pragmatischen Ansatz: «Wir kümmern uns zuerst um die solare Infrastruktur», erklärt Kordić, «und dann erst um die Gründung von Genossenschaften.» Hauptsache, es bewege sich nach all den Jahren des Stillstands im Solarbereich etwas. Am einfachsten gelinge dies heute bei privaten Solaranlagen auf den Dächern von Hausbesitzern. Diese können seit 2019 von staatlichen Förderungen profitieren. Dazu erließ die kroatische Regierung ein Gesetz, das Hauseigentümer motivieren soll, selbst Solarstrom zu erzeugen. «Da setzen wir nun mit unseren Kampagnen an.»

Die Idee gemeinschaftlicher Energieproduktion ist damit vorerst in den Hintergrund getreten – die Gesetzgebung lässt der ZEZ kaum eine andere Wahl. Eigentlich würde die Genossenschaft gerne auch Menschen ohne Wohneigentum unterstützen, um sie an der Energiewende zu beteiligen. Dem Ideal der Bürgerenergie käme man am besten dort näher, wo sich Nachbarinnen und Nachbarn zusammentäten, um gemeinsam eine Solaranlage zu betreiben. Doch noch sind solche Anlagen auf den Dächern von Mietshäusern verboten.

Eine Online-Plattform zur Information und Vernetzung

Deshalb wandte sich die ZEZ gezielt an solche Hausbesitzer, für die eine Solaranlage bereits jetzt infrage kommt. Vor zwei Jahren startete die Genossenschaft die Online-Plattform «Na sunčanoj strani» («Auf der Sonnenseite»). Sie bietet einen kostenlosen Beratungsservice für Hauseigentümer, die eine Solaranlage installieren wollen. Die ZEZ prüft, ob sich diese an dem jeweiligen Standort überhaupt lohnt, wie hoch die Investitionskosten sind und wie viel sich an Stromkosten einsparen lässt – und informiert darüber, welche Genehmigungen notwendig sind oder wie man einen Installateur findet. Dazu arbeitet die Genossenschaft mit rund dreißig zertifizierten Solartechnik-Firmen zusammen, die man über ein Verzeichnis auf der Website kontaktieren kann.

Eine blonde Frau steht lächelnd und mit geneigtem Kopf an einem Infostand, hinter ihr wird die Leinwand aufgebaut.
«Auf der Sonnenseite – der einfachste Weg zum Solarkraftwerk»: Alice und das Team der ZEZ nutzen die Open-Air Kinovorführungen, um auf die Möglichkeiten der Solarenergie aufmerksam zu machen. Foto: Toby Binder

Daneben organisieren Furlan, Kordić und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter landesweit und beinahe im Wochentakt Infoveranstaltungen, um die Plattform vorzustellen und Fragen zu privaten Solaranlagen zu beantworten. Wenn Melani Furlan dabei von den Zuhörern wissen will, wann sie vorhätten, eine eigene Solaranlage zu installieren, antworten die meisten: «So schnell wie möglich!» Bloß wie sie das bewerkstelligen sollen, wissen viele nicht. Genau diese Informationslücke will die ZEZ füllen. Dank der «Sonnenseite»-Kampagne hat die Genossenschaft schon etwa 2.000 Menschen kostenlos beraten. «Für uns ist das ein riesiger Erfolg», sagt Melani Furlan. Dabei versucht das Team, den Kontakt mit den bereits Beratenen zu festigen, um eine stabile Solar-Community aufzubauen. Auf Facebook hat die ZEZ etwa den «Solar-Klub» mit mittlerweile 30.000 Mitgliedern aufgesetzt, die sich rege über Fragen zur Sonnenenergie austauschen – und sich gegenseitig motivieren, zu Solarstrom-Produzenten zu werden. Vielleicht, so die Hoffnung der Genossenschaft, hat die Community gar das Potenzial für eine landesweite Bürgerbewegung.

Ein Pionier im Reihenhausviertel

Einer der Menschen, die dank der ZEZ zu einer Solaranlage kamen, ist Tomislav Lokmer. Der 46-jährige IT-Ingenieur wohnt östlich von Zagreb in einem beschaulichen Reihenhausviertel. 200 Meter von seinem Elternhaus entfernt hat er vor zehn Jahren sein eigenes Heim gebaut. Es ist modern eingerichtet, viele der Möbel hat Lokmer in seiner Garage selbst gezimmert. Von außen fällt das Haus sofort auf: Auf dem Dach sind eine Solarthermieanlage und acht PV-Module installiert. In unmittelbarer Nachbarschaft gibt es zwei weitere Dächer mit Solaranlagen – es sind die einzigen im gesamten Viertel. «Wir sind Pioniere», meint Lokmer lachend. Drei von landesweit 3.000 Solaranlagen im Umkreis von wenigen Metern, «das ist schon verhältnismäßig viel!»

Die Begleitung durch die ‹ZEZ› war eine riesige Hilfe!

Tomislav Lokmer, IT-Ingenieur in Zagreb

Lokmer war vor einem Jahr per Internet auf die ZEZ aufmerksam geworden. Ursprünglich hatte er sich nur für ein Messgerät interessiert, das von der ZEZ vertrieben wurde. Dabei kam er mit einer Mitarbeiterin der Genossenschaft ins Gespräch, die ihm eine eigene Solaranlage nahelegte. Zu dieser Zeit konnte man sich gerade auf staatliche Subventionen für private Solaranlagen bewerben, die einmal jährlich ausgeschüttet werden, und Lokmer nutzte die Chance. Die ZEZ habe ihn während des ganzen Projekts begleitet, sagt er. «Das war eine riesige Hilfe!» Seit Juli 2022 produziert er seinen eigenen Strom. Die Augustsonne lieferte viel mehr Energie, als er selbst verbraucht.

Auf dem Dach eines Reihenhauses sind Photovoltaik-Module installiert, dazwischen ragt ein Mann aus einer Dachluke und schaut in die Kamera.
«Wir sind Pioniere», sagt der 46-jährige IT-Ingenieur und Solarstrom-Produzent Tomislav Lokmer. Foto: Toby Binder

Als Strom-«Prosumer» profitiert Lokmer dabei vom neuen Gesetz über Erneuerbare Energien: Für den überschüssigen Strom bezahlt der staatliche Versorger HEP 80 Prozent seines üblichen Tarifs. Die Gutschriften werden automatisch auf die Stromrechnung angerechnet.

Geld zu sparen sei der entscheidende Grund gewesen, wieso Lokmer sich letztlich für eine Solaranlage entschieden hat. Umgerechnet 6.000 Euro habe sie gekostet, knapp die Hälfte bekam er aus Fördermitteln. «In sechs Jahren hat sich die Anlage amortisiert», sagt er. «Mit den steigenden Stromkosten wohl noch schneller.» Von der Technologie, die ihm finanzielle Vorteile bringe, ist er überzeugt. «Dass sie auch die Umwelt schont und Kroatien insgesamt unabhängiger macht, ist umso besser.»

Die Solarenergie in Kroatien wird exponentiell wachsen.

Zoran Kordić, Mitbegründer der «Zelena Energetska Zadruga» (ZEZ)

So wie Lokmer sehen das immer mehr Kroatinnen und Kroaten. Es hat sich etwas verändert in den letzten Monaten, das spürt das Team bei der ZEZ. Bis Mitte 2022 haben sich die Anfragen an sie verdoppelt, zu den Infoveranstaltungen kommen dreimal mehr Menschen. Weil die steigenden Energiepreise die kroatischen Haushalte zunehmend belasten – mittlerweile zahlen sie bis zu 20 Prozent mehr für Strom –, ist ein eigenes Solarkraftwerk plötzlich lohnenswert.

Seit Anfang des Jahres hat sich die Anzahl privater Solaranlagen in Kroatien beinahe verdoppelt: von 1.500 im Februar auf knapp 3.000 im Sommer. Dass das noch immer verschwindend wenige Anlagen sind, weiß Zoran Kordić natürlich. «Aber das ist erst der Anfang», ist er überzeugt. «Die Solarenergie in Kroatien wird nun exponentiell wachsen.» Bis 2030 sollen 100.000 Haushalte ihren eigenen Solarstrom produzieren. Das wäre jeder fünfte Haushalt im Land. «Ein realistisches Ziel!»

Die lange Durststrecke und viele Hemmnisse liegen hinter Kordić und Furlan – ein guter Zeitpunkt für neue Pläne: Schon bald wollen sie eine neue Genossenschaft namens «Sunce» («Sonne») gründen, um sich noch stärker auf den Solarausbau zu fokussieren. Mit ihr soll eine gesellschaftliche Plattform entstehen, die Städte und Gemeinden mit Investoren und neuen Mitgliedern für Energiegenossenschaften zusammenbringt. So möchte man die ursprüngliche Idee der ZEZ wieder aufgreifen: dass Bürgerinnen und Bürger die Solarwende gemeinschaftlich selbst in die Hand nehmen, unabhängiger werden und finanziell davon profitieren. Der Weg hin zur Sonnenseite, da ist sich Kordić jedenfalls sicher, ist in Kroatien nun endlich frei.

 

Titelbild: Melanie Furlan (links) und Zoran Kordić (rechts) mit dem mobilen Solar-Modul / Foto: Toby Binder

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21. Februar 2023 | Energiewende-Magazin