Solarkraft für Communitys
Ein Bericht von Lukas Hermsmeier
Im ländlichen Pennsylvania treibt eine Genossenschaft den Ausbau von Solarenergie gemeinschaftlich voran – trotz mancher politischer Differenzen.
Der kleine Ort Honesdale im nordöstlichen Pennsylvania ist keiner, an dem man unbedingt progressive oder gar visionäre Initiativen vermuten würde. Gerade mal 4.500 Menschen leben hier, umgeben von bewaldeten Hügeln und zahlreichen Seen. Der Lackawaxen River schlängelt sich durch das Städtchen, entlang der Hauptstraße reihen sich kleine Läden mit bunten Fassaden aneinander. Nur selten trifft man auf Passanten. Es herrscht gemütliche Ruhe, die nur im Sommer hier und da von Touristen unterbrochen wird. Sie besuchen die Region, um zu wandern oder an Yoga-Retreats teilzunehmen. Viele Schulen halten im Umland ihre Sommercamps ab. Eine pittoresk anmutende Gegend, die – wie große Teile der ländlichen USA – konservativ geprägt ist. Bei der Präsidentschaftswahl 2020 lag Donald Trump in Honesdale, dem Verwaltungssitz von Wayne County, mit deutlichem Abstand vorne.
Es sind gerade diese Umstände – geografisch wie politisch –, die die Arbeit der «Clean Energy Co-op» so besonders machen. Die 2014 in Honesdale gegründete Genossenschaft bringt nicht nur den Ausbau von Solarenergie voran – was im Kohle- und Gas-Bundesstaat Pennsylvania immer noch die Ausnahme ist. Treiber dieser Transformation sind zudem die Bürgerinnen und Bürger selbst: vereint durch ein gemeinsames Ziel, trotz politischer Differenzen.
Gemeinschaftsdenken vor Profit
Das Konzept der Initiative ist simpel: Die rund 170 Mitglieder bringen sich mit Summen im einstelligen Tausenderbereich ein, um Photovoltaikanlagen auf Dächern öffentlicher Gebäude zu ermöglichen. Entweder betreibt die Initiative die Anlagen als deren Eigentümer selbst oder sie vergibt Kredite, die von den Gebäudebesitzern später sukzessive zurückgezahlt werden. Als Standorte kommen nur Unternehmen und Institutionen infrage, die «communityorientiert» arbeiten, wie es in der Satzung der Genossenschaft festgehalten ist. In den vergangenen Jahren wurden unter anderem ein Kulturhaus, ein Theater, ein Co-Working-Space und eine Kirche mit Solaranlagen ausgestattet.
In Europa sind entsprechende Energie-Initiativen nichts Ungewöhnliches mehr. In den USA müssen Unternehmungen wie die Clean Energy Co-op dagegen immer noch Pionierarbeit leisten. Es gibt dort zwar zahlreiche Genossenschaften, in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen: im Lebensmittelhandel, bei Banken, in der Medienbranche. Und seit die Biden-Regierung mit dem «Inflation Reduction Act» (IRA) von 2022 enorme Anreize dafür geschaffen hat, blühen auch die Investitionen in grüne Technologien. Doch das, was die Clean Energy Co-op macht, ist in der Kombination eben äußerst selten: eine Genossenschaft, die jenseits von Profitdenken die so überfällige Energiewende anschiebt. Entfaltet sich also ausgerechnet im ländlichen Pennsylvania eine wegweisende Perspektive auf Klimaschutz und mehr Demokratie?
Eine ehemalige Fassmacherei unter Sonnenstrom
Wir treffen Jack Barnett, einen der Gründer der Clean Energy Co-op, vor einem großen roten Backsteingebäude an der Hauptstraße von Honesdale. Der 62-Jährige, mit weißem Vollbart und im Holzfällerhemd, spricht leise, beginnt viele Sätze mit einem vorsichtigen «well»: nun ja. Kein Selbstdarsteller, das merkt man sofort. Vielmehr jemand, den die Verantwortung für seine Umgebung antreibt. Und der entsprechend handelt.
«Früher, im 19. Jahrhundert, wurden hier Holzfässer hergestellt», holt Barnett aus, während wir auf den Eingang zusteuern. So erkläre sich der jetzige Name des Gebäudes: «The Cooperage» – die Fassmacherei. Im Erdgeschoss finden heute Konzerte, Theateraufführungen und andere Kulturveranstaltungen statt. In der ersten Etage produziert der lokale Sender «Radio Catskill» sein Programm. Der Vorplatz wird für Märkte und Sommerpartys genutzt. «The Cooperage» ist so etwas wie das Herz von Honesdale. Auch aus diesem Grund suchten sich Barnett und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter das Gebäude 2015 als erstes Projekt für die Genossenschaft aus.
Barnett führt aufs Dach, dreht sich einmal um die eigene Achse und lächelt. Hier oben fühlt er sich offenbar wohl. «Das Dach ist schräg», sagt er, «deshalb war es gar nicht so einfach, den richtigen Winkel für die Panels zu finden, um möglichst viel Sonnenlicht einzufangen.» 90 Solarmodule wurden insgesamt installiert. Sie bedecken fast die gesamte Dachfläche. Die Anlagenleistung liegt bei 27 Kilowattpeak – mehr, als das Gebäude im Jahr verbraucht. Dieser Überschuss gehe jedoch nicht verloren, wie Barnett erklärt. Das liege an einem System, das sich «net metering» nennt: Der überschüssige Strom, den die Solaranlage im Sommer produziert, wird in das öffentliche Netz eingespeist, sodass «die Stromzähler quasi rückwärtslaufen und wir eine Vergütung vom Netzbetreiber erhalten», erklärt Barnett. Auf das so erwirtschaftete Guthaben kann die Genossenschaft dann im Winter, wenn die Solaranlage weniger Strom produziert, zurückgreifen. Auch in Deutschland soll bald die vergütete Netzeinspeisung für kleine Erzeuger möglich sein – so hatte es Wirtschaftsminister Robert Habeck jedenfalls Anfang 2023 angekündigt.
Im Schatten von Kohleabbau und Fracking
Barnett zeigt auf ein Gebäude, das nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt steht. Es ist das Krankenhaus von Honesdale – mit rund 110 Betten eines der größten in der ganzen Region. «Irgendwann wollen wir auch das mit Solarzellen ausstatten», sagt er. Als Non-Profit-Krankenhaus, «das sich um die Gesundheit der Community kümmert», passe es perfekt zu den Werten der Genossenschaft. Ein Vorteil sei zudem, dass das Krankenhaus Eigentümer des Gebäudes sei; anders als bei den meisten Non-Profit-Organisationen in der Region, die ihre Miete an einen Immobilienkonzern bezahlen. Wenn Barnett über solche Pläne spricht, dann spürt man, dass ihm nicht nur die Energiewende am Herzen liegt, sondern dass er ganz grundsätzlich dazu beitragen möchte, eine lokale Teilhabe zu fördern.
Wer hier das Geschäft der Fossilfirmen infrage stellt, macht sich wenig Freunde.
Bevor wir wieder vom Dach klettern, erklärt Barnett die historische Bedeutung von Honesdale. Im 19. Jahrhundert war es noch ein wichtiger Logistikstandort für den Nordosten der USA. Kohle aus dem benachbarten Fördergebiet wurde hier von Grubenbahnen auf Schleppschiffe umgeladen, die dann auf eigens angelegten Kanälen Richtung New York weiterfuhren. Ab etwa 1900 hat man die Kanäle nicht mehr gebraucht, weil Züge den Transport auf ganzer Strecke übernahmen. «Damit verlor Honesdale als zuvor wichtiger Umschlagplatz schlagartig an Bedeutung», so Barnett.
Der Nordosten Pennsylvanias ist allerdings bis heute für Kohleabbau und Gas-Fracking bekannt. Als einer der führenden Produzenten fossiler Energien exportiert Pennsylvania nicht nur in andere Bundesstaaten der USA, sondern auch ins Ausland. Zehntausende Arbeitsplätze hängen an dieser Industrie, die zwar nicht mehr wie früher boomt – und sich im Fall des Kohleabbaus sogar im Niedergang befindet –, aber unterm Strich immer noch Milliardenumsätze macht. Wer hier dieses Geschäft infrage stelle, mache sich deshalb wenig Freunde, wie Barnett erklärt. Es wirkt, als wisse er, wovon er spricht. Barnett kämpft seit über dreißig Jahren für einen Wandel hin zu einer fossilfreien Zukunft.
Jahrzehntelanger Kampf für die Erneuerbaren
Ein halbes Jahrhundert liegt es zurück, dass Barnett zum ersten Mal mit eigenen Augen ein Solarpanel sah. Anfang der 1970er-Jahre war das, Barnett stand kurz vor dem Übergang in die Oberschule, als die Universität in South Carolina, an der sein Vater Elektrotechnik unterrichtete, einen Tag der offenen Tür veranstaltete. PV-Module kamen in jener Zeit zwar schon zum Einsatz, unter anderem bei Satelliten im Weltall. Von einer Massenproduktion war man aber noch weit entfernt. Das Solarmodul, das dort auf dem Campus seines Vaters ausgestellt wurde, beeindruckte ihn – und zwar nachhaltig: Nach der Schule entschied sich Barnett, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und wie dieser Elektrotechnik zu studieren. Später arbeitete er in den renommierten «Bell Labs», wie die Forschungsabteilung der Telefongesellschaft AT&T hieß.
Das Thema Klimawandel begann Barnett Anfang der 1990er-Jahre zu beschäftigen. Der entscheidende Impuls kam dabei von seiner Frau Mary Anne Carletta, die zu dieser Zeit Umweltwissenschaften studierte. Während sie forschte, wurde Barnett zum politischen Vorkämpfer. Erst in Kentucky, als lokaler Chef der «Kentucky Solar Energy Society», wo er unermüdlich von einem Politikerbüro ins nächste marschierte, um für Investitionen in grüne Technologien zu werben. Als er und seine Frau 2014 nach Pennsylvania zogen, spürte Barnett, dass Lobbyarbeit allein nicht genügt und dass es neue Ansätze braucht, mehr Druck von unten. So entstand die Idee der Clean Energy Co-op.
Ein Unternehmen mit klaren Grundsätzen
Barnett ist bis heute das Gesicht der Genossenschaft. Mit Chris Weigand gibt es inzwischen aber eine neue Präsidentin, die das Tagesgeschäft leitet. Weigand ist 59 Jahre alt, eine drahtige Frau mit Kurzhaarschnitt, die früher Mathematiklehrerin war. Seit sie in Rente ist, widmet sie einen großen Teil ihrer Zeit der Genossenschaft. «Mein Vater war bei einem Energieunternehmen angestellt», erzählt Weigand beim Interview in einem Café. Die Beschäftigung mit dem Thema liege also in der Familie. «Nur woher die Energie kommt: Das beschäftigt mich ein wenig mehr», schiebt sie schmunzelnd hinterher.
Für uns ist es elementar, den Community-Charakter zu bewahren.
Von Anfang an hätte sich die Clean Energy Co-op an den «sieben Grundsätzen einer Genossenschaft» orientiert, wie sie 1995 von der «International Cooperative Alliance» formuliert worden sind. Freiwillige und offene Mitgliedschaft. Demokratische Kontrolle. Ökonomische Partizipation. Autonomie und Unabhängigkeit. Ausbildung und Training. Kooperation mit anderen Genossenschaften. Vorsorge für die Gemeinschaft. Wer sich mit diesen Prinzipien identifiziere, könne für eine einmalige Aufnahmegebühr von 100 US-Dollar Mitglied werden. «Damit hat man dann ein grundsätzliches Mitbestimmungsrecht», sagt Weigand. Die Genossenschaft stehe laut Weigand vor der Herausforderung, zwei ihrer Ziele im Einklang zu halten. Einerseits wolle man wachsen. «Wir sind froh, dass wir im Südosten von Pennsylvania mittlerweile eine neue Ortsgruppe haben.» Dort, in der Nähe der Stadt Philadelphia, wird nun auch das bislang größte Projekt in Angriff genommen: Auf einem genossenschaftlich geführten Lebensmittelmarkt sind 300 Solarpanels geplant. Aber andererseits sei es bei allen Wachstumsbestrebungen elementar, «den Community-Charakter zu bewahren», so Weigand.
Einmal im Monat treffe sich ein Komitee, um sich zu laufenden und potenziellen Projekten zu beraten. Manchmal kommen die Projektvorschläge von den Mitgliedern selbst. Noch häufiger bewerben sich Unternehmen und Institutionen jedoch direkt, wie Weigand sagt. Geklärt werden müsse dann nicht nur, ob sich auf dem jeweiligen Dach überhaupt eine Solaranlage installieren lässt, sondern auch, ob das Projekt zur Philosophie der Genossenschaft passt. «Wir haben auch schon welche abgelehnt», sagt Barnett, «wenn der Betrieb aus unserer Sicht nicht die Community bereichern würde.» Findet ein Projektvorschlag dagegen die Zustimmung der Genossenschaft, können sich die Mitglieder mit mindestens 1.000 Dollar einbringen. Diese Investition wird dann im Laufe der Betriebsjahre zurückgezahlt. Als Dividende kommen zwei Prozent oben drauf. Bei der Materialbeschaffung und Ausführung der Arbeiten werden lokale Unternehmen bevorzugt, wie Barnett betont. Es sei allerdings deutlich geworden, dass die auf Freiwilligkeit und Ehrenamt basierende Struktur an ihre Grenzen kommt. «Wir wollen Leute einstellen, brauchen einen festen Anwalt für die rechtlichen Angelegenheiten», so Weigand.
Selbstversorgung und Autonomie sind auch für Konservative attraktiv.
Spricht man mit Barnett und Weigand über die Genossenschaft, die Situation in Pennsylvania und die Energiewende ganz generell, dann fällt immer wieder dieser eine Begriff: «Community». Auffällig ist das auch deshalb, weil längst nicht alle Mitglieder der Clean Energy Co-op zum progressiven Lager gehören. «Viele sind konservativ und wählen mit großer Wahrscheinlichkeit die Republikaner», erklärt Barnett. «Sie sind trotzdem von Solarenergie begeistert, weil sie darin eine Möglichkeit zur Selbstversorgung und Autonomie sehen.»
Barnett bezieht sich auf eine Grundannahme, die in den USA weitverbreitet ist: Je weniger Staat, desto größer die Freiheit. Während diese Art von Libertarismus politisch eher rechts verortet ist und oftmals mit Hyperindividualismus einhergeht, macht sich die Clean Energy Co-op die Skepsis gegenüber dem Staat zunutze. Ideologisch starr sei die Genossenschaft jedenfalls nicht, wie Barnett an einem Beispiel ausführt: So hätten manche der Mitglieder in der Vergangenheit ihr Land an Unternehmen für Erdgasbohrungen verpachtet und das dafür erhaltende Geld später in die Genossenschaft gesteckt. «Für mich persönlich wäre das ein Widerspruch», sagt Barnett trocken, «für andere ist es das nicht.» Durch die Offenheit der Genossenschaft entstehen jedenfalls auch Räume des politischen Dialogs. Demokraten und Republikaner an einem Tisch, um die regionale Energiezukunft zu diskutieren – das ist ja zumindest mal eine Chance.
Im ländlichen Pennsylvania geht die Energiewende langsam voran, trotz mancher Widersprüche – oder eben gerade deshalb, weil diese Widersprüche ausgehalten werden. Doch wie steht es um die Vereinigten Staaten an sich?
Ein Klimapakt – und viele offene Fragen
Im Jahr 2022 kamen 21 Prozent des in den USA produzierten Stroms aus Erneuerbaren Energien: Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Erdwärme. Zum ersten Mal in der Geschichte lag grüne Energie im Strommix des Landes damit auf Platz zwei – knapp vor Kohle und Atomkraft. Erdgas ist mit 39 Prozent weiterhin deutlich die Nummer eins. Klimaaktivisten und -forscher fordern deshalb, dass sich die USA viel schneller als geplant von fossilen Energieträgern verabschiedet, um die Emissionsziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Bis 2050 soll die amerikanische Industrie laut Präsident Joe Biden bei null Emissionen ankommen, um die Erderhitzung zu begrenzen. Doch ist das überhaupt noch realistisch?
Barnett ist skeptisch. Entweder man investiere großflächig in Erneuerbare Energien, vor allem auch in neue Speichertechnologien – daran fehle es nämlich noch gewaltig. «Oder aber», sagt Barnett, «wir ändern unsere Einstellung und akzeptieren, dass wir nicht immer Strom bekommen, wenn wir es wollen.» Es gebe mehr und mehr Menschen, die «off the grid» leben, wie Barnett erklärt. Das heißt: durch Umstellung auf Erneuerbare und den Selbstanbau von Lebensmitteln unabhängig von größeren Versorgungsnetzen. Laut Schätzungen gibt es in den USA bis zu 250.000 Menschen, die so leben. «Die meisten Amerikaner sind aber anders», sagt er. «Sie legen den Schalter um und erwarten, dass Strom fließt.» Und der kommt eben immer noch zu großen Teilen aus fossiler Energie.
Wir werden die aggressivsten Maßnahmen aller Zeiten ergreifen, um die Klimakrise zu bewältigen.
Als Präsident Joe Biden im August 2022 den «Inflation Reduction Act» unterschrieb, schien der überfällige Wandel endlich eingeleitet. Vom «größten Klimapaket in der Geschichte der USA» war die Rede. Insgesamt 370 Milliarden US-Dollar verspricht die Regierung an Investitionsvolumen in den Klimaschutz. Gefördert wird primär die Produktion von Batterien und Elektroautos sowie der Ausbau Erneuerbarer Energien. Knapp elf Milliarden Dollar sind alleine für den Ausbau der Erneuerbaren in ländlichen Gebieten vorgesehen – ein großer Teil davon explizit für Genossenschaften. Rund 900.000 neue Jobs sollen im Rahmen des IRA insgesamt pro Jahr entstehen; dazu sind weitere Steuer- und Sozialreformen geplant. Ein neuer «New Deal» also?
Wenn es um große Transformationsprojekte in den USA geht, wird fast reflexartig der «New Deal» aus den 1930er-Jahren bemüht. Mit einer Serie von Arbeits- und Infrastrukturreformen hatte Präsident Franklin D. Roosevelt das Land damals aus der «Großen Depression» manövriert. Es war der Aufbruch in eine sozialdemokratischere Phase, auf die viele Progressive heute wehmütig zurückblicken. Der Vergleich zwischen New Deal und Inflation Reduction Act hinkt jedoch. Nicht nur waren die Reformen damals wesentlich umfassender, auch die Stoßrichtung war eine andere. Während im Rahmen des New Deal in erster Linie staatliche Infrastrukturen ausgebaut worden sind, funktioniert der Inflation Reduction Act hauptsächlich über Anreize für die Privatwirtschaft. Von links wird jedoch kritisiert, dass man sich beim Klimaschutz nicht auf einen grünen Kapitalismus verlassen dürfe. Auch aus diesem Grund ist das, was die Clean-Energy-Genossenschaft in Pennsylvania macht, so außergewöhnlich: Es ist eine private Initiative, die öffentlich denkt und handelt.
Engagierte Kulturarbeit – und fossilfreier Strom
Barnett und Weigand wollen zeigen, was diese Haltung in der Praxis bewirken kann. Deshalb haben sie am nächsten Morgen in das Örtchen Hawley geladen, 15 Kilometer südlich von Honesdale. Hier in einem Klinkerbau ist das «Ritz Playhouse» zu Hause, ein 1935 erbautes Theater im Art-Deco-Stil. Empfangen werden wir dort von Sandy Gabrielson, dem Schatzmeister der Ritz Company. «Wir feiern in diesem Jahr unseren 50. Geburtstag», sagt Gabrielson – blaues Sakko, weißes Hemd, Sonnenbrille – und erklärt mit hörbarem Stolz, dass die Familie seiner Frau das Theater 1973 übernommen und vor dem Abriss bewahrt habe. «Das Theater sollte damals einem Parkplatz weichen», so Gabrielson. «Blut, Schweiß und Tränen» seien geflossen, um das zu verhindern.
Er führt uns durch das Eingangsportal und knipst die Beleuchtung an. Hohe Decken, mintgrüne Wände. 325 Personen passen in den Saal, was vor allem deshalb bemerkenswert ist, weil in Hawley nur rund 1.200 Menschen leben. Die Vorführungen seien trotzdem fast alle sehr gut besucht, so Gabriels. Viele Theater gebe es in der Gegend nämlich nicht. Gezeigt werden vor allem Stücke für Kinder, mal Shakespeare, dann wieder Disney. «Uns geht es nicht darum, mit dem Theater das große Geld zu machen. Wir möchten etwas erhalten – und dabei Menschen bewegen.»
Solar als Lernprozess
Seit Frühling dieses Jahres wird das Theater durch Solarenergie betrieben. 82 Panels installierte die Energiegenossenschaft auf dem Dach, 40 Kilowatt stark. Auch hier sorgt das «net metering»-System dafür, dass sich der sommerliche Stromüberschuss im Winter auszahlt. Während wir das Gebäude durchstreifen, erzählt Gabrielson, dass sich das Theater bis dahin überhaupt nicht mit dem Thema Erneuerbare beschäftigt hatte. «Wir mussten uns selbst erst einmal dazu einarbeiten und bilden.» Wie funktioniert Photovoltaik überhaupt? Unter welchen Bedingungen rentiert sie sich? «Es war ein Lernprozess», erklärt er.
Ein ausschlaggebender Faktor für die Investition sei die langfristige Versorgungssicherheit gewesen. Die Hersteller der PV-Module garantieren eine Betriebsdauer von 25 bis 30 Jahren. Sind die Panels erst einmal installiert, kann man sich weitestgehend zurücklehnen. Auslöser für die Investitionsentscheidung war laut Gabrielson jedoch etwas anderes: «Den Ausschlag gab, dass die Genossenschaft Wert auf den Community-Gedanken legt – und wie wir auf Gemeinsinn und gegenseitige Bereicherung setzt.»
Aussagen wie diese unterstreichen, dass die Clean Energy Co-op einen Nerv getroffen hat: Der Wunsch nach politischer und ökonomischer Beteiligung ist groß. So unerlässlich Regierungsprogramme und gesetzliche Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Energiewende sind, so wichtig wird es in den kommenden Jahren werden, die Menschen einzubinden. Und das funktioniert eben oft am besten auf lokaler Ebene, wie die Genossenschaft in Pennsylvania demonstriert. So sieht es auch Präsidentin Weigand: «Wir wollen eine Graswurzelbewegung bleiben!»
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