Schwamm drunter
Ein Bericht von Andrea Reidl
Kommunen haben immer häufiger mit Extremwetterereignissen zu kämpfen. Maßnahmen wie Entsiegelung und Begrünung der Stadtzentren würden helfen.
Am 20. Juli 2022 hat Hamburg seinen bisherigen Hitzerekord geknackt. 40,1 Grad Celsius zeigte das Thermometer im Süden der Stadt an, so viel wie nie zuvor in der Hafenstadt. 2022 war auch das Jahr mit dem sonnenreichsten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Tagelang lagen die Menschen bei Temperaturen weit über 30 Grad an den Nord- und Ostseestränden. Weiter südlich am Rhein sank währenddessen der Wasserspiegel. Die Lastkähne konnten nur noch mit halber Ladung fahren. Das war schlecht fürs Geschäft – aber besser als im Jahrhundertsommer 2003, als die Schifffahrt am Rhein wegen des niedrigen Wasserstands komplett eingestellt werden musste, wie auch 2015 und 2018.
Es wird heißer in Deutschland. Die warme Luft führt zu längeren Trockenperioden, doch ebenso zu Starkregen. Im Juni 2011 zog ein Tiefdruckgebiet über Deutschland und überschwemmte mit sintflutartigen Regengüssen zahlreiche Innenstädte. In Hamburg und Berlin stand den Menschen das Wasser in den Straßen teils bis ans Knie. Autos blieben in den Fluten stecken, U-Bahnen fielen aus und Gullydeckel schwammen davon. Zehn Jahre später zerstörte ein Jahrhunderthochwasser weite Teile des Ahrtals in Rheinland-Pfalz und flutete Stadtteile Kölns, Düsseldorfs und Wuppertals. Über 180 Menschen kamen ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Die Versicherungen verzeichneten 91.000 beschädigte Wohngebäude und mussten insgesamt für Schäden in Milliardenhöhe aufkommen.
Immer mehr Wetterextreme
Extreme Wetterereignisse gab es schon immer. Doch seit der Jahrtausendwende werden die Abstände zwischen ihnen immer kürzer – und sie treffen Städte und Regionen auf der ganzen Welt. Sowohl Dürre wie auch wolkenbruchartige Regenfälle sind Folgen der Erderwärmung, das ist wissenschaftlicher Konsens. Und sie sind Vorboten. Sie zeigen, wie sich das Klima verändern wird. Bereits heute liegt die mittlere Temperatur weltweit um etwa 1,1 Grad Celsius höher als zur vorindustriellen Zeit – die Hauptursache für die Wetterextreme. Denn wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen und als Starkregen wieder abgeben. Zudem heizt sich bei extremen Temperaturen der Asphalt überproportional stark auf und gibt die Wärme bis spät in die Nacht ab. Beides betrifft vor allem die Innenstädte mit ihren vielen versiegelten Flächen: Einerseits ist die Kanalisation für große Wassermassen nicht ausgelegt und läuft über, andererseits können die Temperaturunterschiede je nach Stadt bis zu zehn Grad gegenüber dem Umland betragen.
Grünflächen bremsen die Starkwasserfluten
Um ihre Innenstädte an die Auswirkungen des extremen Wetters anzupassen, suchen Kommunen, Städteplaner und Landschaftsarchitekten inzwischen weltweit nach Lösungen. Einen vielversprechenden Ansatz bietet die sogenannte Schwammstadt. Der Paradigmenwechsel bei diesem Konzept liegt in einem völlig anderen Umgang mit dem Regenwasser: Über Jahrzehnte wurde es als Abwasser direkt in die Kanalisation geleitet. In der Schwammstadt dagegen lässt man es vor Ort in Grünflächen versickern. Der Untergrund saugt sich voll wie ein Schwamm, speichert das Wasser und stellt es dann den Bäumen und Sträuchern bei Trockenheit wieder zur Verfügung.
In der Schwammstadt ist Wasser eine wertvolle Ressource.
Wie der Umbau zur Schwammstadt aussehen kann, macht Berlin vor. Das Wohngebiet in der Rummelsburger Bucht im Bezirk Lichtenberg und das Wissenschaftsquartier Adlershof in Treptow-Köpenick wurden bereits Mitte der 1990er-Jahre als Schwammstädte angelegt. Carlo W. Becker, Landschaftsarchitekt und Gründer des Planungsbüros «bgmr Landschaftsarchitekten» in Berlin, hat mit seinem Team die Grünflächen in Adlershof mit umgesetzt. «In der Schwammstadt ist Wasser eine wertvolle Ressource», sagt Becker. Statt direkt in die Gullys fließt es in leicht tiefer gelegte, großzügige Grünanlagen zwischen den Mehrfamilienhäusern oder in die Grünstreifen am Fahrbahnrand. Diese sind in Adlershof deutlich breiter und tiefer als herkömmliche Grünstreifen und erinnern mancherorts an alte Straßengräben. Über die leichte Neigung von Gehweg und Fahrbahn fließt das Wasser in die Grünflächen ab. Die Wiesen und Miniparks zwischen den Wohnhäusern wurden ebenfalls leicht abgesenkt geplant. Sie dienen nach Wolkenbrüchen als Versickerungsfläche – auch große Wassermengen können so keinen Schaden anrichten.
Wie viel Fläche einer Straße oder eines Platzes tatsächlich zur Grünfläche werden muss, um ausreichend Regenwasser versickern lassen zu können, hängt vom Untergrund ab. Der sandige Boden in den beiden Wohngebieten nimmt laut Becker mehr Wasser auf als beispielsweise Lehmboden. Als Faustregel für die Planung gilt: «Wenn der Raum zwischen zwei Häuserreihen verteilt wird, sollten zehn bis zwanzig Prozent der Fläche zur Grünfläche werden, die ausreichend Regenwasser aufnehmen kann», sagt Becker.
Ein ausgewachsener Baum kühlt die Luft in seiner Umgebung um etwa fünf Grad ab.
Ein weiterer positiver Effekt der Schwammstadt: Sie verbessert das Stadtklima. Bäume spielen dabei eine besondere Rolle, denn sie speichern Kohlendioxid und filtern Staub – eine ein Meter dicke Buche bis zu 1,3 Kilogramm Feinstaub im Jahr. Ihr Blätterdach hält zudem die Sonnenstrahlen ab und kühlt beim Verdunsten von Wasser die Umgebung. «Im Idealfall senkt ein ausgewachsener gesunder Baum die Lufttemperatur in seiner Umgebung um etwa fünf Grad ab», sagt Michael Richter, Geoökologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HafenCity Universität Hamburg. Und eben dieses Kühlen der Umgebung wird für die Stadtzentren immer wichtiger, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben: In den Innenstädten entstehen punktuelle Hitzeinseln, die den Menschen dort stark zusetzen.
Ausreichend Raum für Grün bereitstellen
Gesunde und gut entwickelte Stadtbäume spielen deshalb eine immer wichtigere Rolle. Ihre Funktion als natürliche Klimaanlage können sie allerdings nur ausüben, wenn ihre Wurzeln genug Wasser und Sauerstoff zur Verfügung haben. In der Schwammstadt bekommt das Wurzelwerk deshalb mehr Platz. Dort sind die Pflanzgruben für Bäume zwölf Kubikmeter groß statt wie zuvor zwei oder drei. Außerdem werden am Fuß der Grube sogenannte Rigolen angelegt, um das Regenwasser zu speichern. Sie sind vergleichbar mit dem Untersetzer eines Blumentopfs.
Richter rät zudem beim Neubau oder bei der Sanierung von Straßen, den Untergrund großzügig mit handtellergroßen Schottersteinen aufzufüllen. «Auf diese Weise wird der Boden für den Verkehr ausreichend verdichtet, aber die Wurzeln finden immer noch genügend Platz und wurzeln nicht in Versorgungsleitungen», erklärt er. Ein großer Fortschritt. Denn bei herkömmlich gebauten Straßen ist der Boden unter der Fahrbahn dafür zu stark verdichtet und unter den Gehwegen versperren Kabel und Rohre für Gas, Strom und Telekommunikation den Wurzeln den Weg.
Die Klimaanpassung muss bei jedem Bauvorhaben mitgedacht werden.
Hier zeigt sich ein zentrales Problem beim Umbau zur Schwammstadt: Der Platz in Städten ist knapp und die Flächen für neue Bäume oder zusätzliche Grünanlagen sind entsprechend rar. Deshalb benötigen unsere Städte eine Strategie für die Anpassung an den Klimawandel. Für Richter und Becker ist der Weg klar: Mit jedem Neubau und jeder Sanierung von Straßen und Plätzen sollte auch eine Grünfläche nach dem Schwammstadt-Prinzip entstehen. «Die Klimaanpassung muss bei jedem Bauvorhaben mitgedacht werden», sagt Richter. Außerdem sei es wichtig, Flächen strategisch zu entsiegeln. «Der schnellste und einfachste Weg dorthin ist es, Parkplätze in Grünflächen umzuwandeln», so Becker. Etwa die Parkstreifen entlang von Hauptstraßen oder große Parkplätze im Stadtzentrum. Viele seiner Kolleginnen und Kollegen sehen das genauso.
Für die Umsetzung fehlen ihnen allerdings Standards – und zeitgemäße Regelwerke. Bevor sie Schwammstädte rechtssicher bauen können, müssten die Richtlinien zum Anlegen von Grünanlagen und Ableiten des Regenwassers aktualisiert werden. Das wird laut Becker noch einige Jahre dauern. «Alles, was wir aktuell an Grünflächen nach dem Schwammstadt-Prinzip bauen, befindet sich rechtlich in einer Grauzone», gibt er zu bedenken.
Hamburg und Berlin wagen erste eigene Schritte
Doch einige Städte wie Hamburg oder Berlin haben bereits reagiert und eigene Regeln für den Umgang mit Regenwasser festgelegt – oder sind zumindest dabei, sie zu entwickeln. In Berlin darf auf neu bebauten Grundstücken kein Regenwasser mehr in die Kanalisation abfließen. In Hamburg regelt ein spezieller Anpassungsplan, wie das Regenwasser vor Ort versickert werden soll.
Richter und Becker genügt das nicht. Sie wissen: Der Umbau einer Stadt ist ein Langzeitprojekt. «In einem Jahr werden gerade mal ein bis zwei Prozent des Stadtraums erneuert», sagt Becker. Demnach bräuchte man 50 bis 100 Jahre für den gesamten Prozess. Um das Pariser Klimaziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung zu erreichen, müsste der Umbau der Städte allerdings erheblich schneller vorankommen.
Vom Wolkenbruchplan zur Schwammstadt
Einige Städte im Ausland sind uns bei den Maßnahmen zur Klimaanpassung und beim urbanen Klimaschutz weit voraus. Die dänische Hauptstadt Kopenhagen gilt in Fachkreisen als Vorreiter für den Umbau zur Schwammstadt. Allerdings ist der Handlungsdruck dort auch besonders hoch. Fünf Mal wurde die Stadt zwischen 2010 und 2014 von Starkregen und Überflutungen getroffen. Der wirtschaftliche Schaden war immens. Allein der Wolkenbruch im Juli 2011 verursachte in der Innenstadt Schäden von fast einer Milliarde Euro. «Ereignisse wie diese sind Erweckungserlebnisse. Sie setzen die Politik enorm unter Druck und zwingen sie förmlich dazu, ihre Stadt umzubauen», sagt Gerhard Hauber. Der Landschaftsarchitekt weiß, wovon er spricht: Sein Arbeitgeber, das internationale Architekturbüro «Henning Larsen», hilft Städten und Gemeinden weltweit dabei, das Wasser vor Ort zu nutzen und Hochwasser abzuwenden. Auch in Kopenhagen.
Nach den Überflutungen hat Kopenhagens Stadtverwaltung mit dem Ver- und Entsorgungsbetrieb 2012 den «Skybrudsplan» (Wolkenbruchplan) beschlossen. Dieser legt fest, wie die Stadt zukünftig für Starkregenereignisse gerüstet sein soll. Haubers Büro hat den Plan mitentwickelt und teilweise auch schon umgesetzt. Bis 2025 soll die Stadt schrittweise zur Schwammstadt werden.
Grün gegen Wetterextreme – und fürs Stadtklima
Wie das aussehen kann, lässt sich am Sankt-Kjelds-Platz erahnen – und in der angrenzenden Straße Bryggervangen im Stadtteil Østerbro. Etwa 25 Prozent des Platzes und der Straße wurden entsiegelt und in ein sogenanntes Regenwasserschutzgebiet umgewandelt – mit abgesenkten Flächen und knapp 600 neu gepflanzten Bäumen. Durch die Baumpflanzungen, neues Buschwerk und hochwachsende Gräser sind viele grüne Ecken entstanden. Wenn es regnet, sammelt sich das Wasser nun in den Vertiefungen und versickert langsam. Und bei schönem Wetter sitzen die Anwohner und Passanten im Schatten oder auf einer der vielen Bänke in den Grünanlagen.
Eine weitere Strategie besteht darin, das Wasser gezielt durch die Stadt zu lenken. Kopenhagen hat dafür einen Plan erstellt. «Es wurde genau festgelegt, wie viele Hundert Liter Wasser pro Sekunde an welcher Stelle fließen dürfen», erläutert Hauber. Über Notwasserwege wird das Regenwasser zukünftig entweder in eine geeignete Nebenstraße, in einen tiefer gelegenen Park oder auf Sportplätze geleitet. Die Flächen sind so weit abgesenkt, dass das Wasser dort auf eine Höhe von zwanzig Zentimetern oder mehr ansteigen kann. «Ist der Regen vorbei, lässt man es zeitversetzt abfließen und die Straße oder der Platz erhalten ihre alte Funktion zurück», sagt Hauber.
China und seine Schwammstadt-Projekte
Neben dem Blick auf Kopenhagen lohnt sich auch der nach China, wo Städte mit einer ganz anderen Dynamik als in Europa entstehen und wachsen. Ein Beispiel dafür ist Peking. In den 1950er-Jahren lebten etwa 2,8 Millionen in der chinesischen Hauptstadt. Während der Olympiade 2008 waren es bereits knapp 12 Millionen, zehn Jahre später rund 20 Millionen. Doch viele der neuen Metropolen wachsen sogar noch schneller als Peking. Einige von ihnen liegen in niedrig gelegenen Küstengebieten oder in der Nähe großer Flüsse. Lange Zeit speicherten die Seen und Feuchtgebiete in Flussnähe während der Regenzeit Millionen Kubikmeter Wasser. Mit der Urbanisierung wurde ein Großteil dieser Flächen für den Bau neuer Straßen und Häuser zugeschüttet. Das macht sie anfällig für Überflutungen. 2013 hat die Volksrepublik deshalb ein ehrgeiziges Schwammstadt-Projekt gestartet: Zwischen 2015 und 2017 wurden 15 Städte gefördert, die entsprechende Standards entwickelten und großflächig umsetzten.
Hochwasserschutz und kühle Rückzugsorte
Zu den ausgewählten Städten gehört die Hafenstadt Xiamen – mit einem der größten Containerhäfen weltweit –, der Industriestandort Chongqing sowie der Wirtschaftsstandort Wuhan. Die Acht-Millionen-Stadt Wuhan liegt in einem besonders wasserreichen Gebiet, das vom drittgrößten Fluss der Welt – dem Jangtse – sowie vom Fluss Han und vielen weiteren kleinen Flüssen durchflossen wird. Früher nannte man Wuhan die «Stadt der 100 Seen». Doch in den vergangenen Jahrzehnten verschwanden fast zwei Drittel der Seen- und Grünflächen und wurden versiegelt. Nun, im Rahmen des Schwammstadt-Projekts, wurde ein Teil dieser Flächen wieder renaturiert.
Vorzeigeprojekt Wuhans beim Umbau zur Schwammstadt ist der sieben Kilometer lange «Yangtze River Beach Park». Die Dämme am Flussufer hat man durch grüne Hänge ersetzt, es wurden 45.000 Bäume gesetzt, Sträucher auf einer Fläche von 125 Quadratkilometern gepflanzt und auf 150 Quadratkilometern Gras ausgesät. Das Mehr an Grün sorgt für eine verbesserte Luftqualität: Allein der «Yangtze River Beach Park» bindet jedes Jahr 725 Tonnen Kohlendioxid. Hinzu kommt, dass in dem neu entstandenen Grüngürtel die Temperatur drei Grad niedriger ist als in den angrenzenden Quartieren. Für die Anwohnerinnen und Anwohner ist das ein deutlicher Mehrwert. Sie finden jetzt in den heißen Monaten einen kühleren Rückzugsort in Wohnnähe.
Philadelphia setzt auf Abwassermanagement
Extreme Hitze setzt auch den Menschen in den Städten der USA immer stärker zu. Allein im Sommer 2021 starben aufgrund einer Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius im Norden des Landes 45 Menschen. Nur wenige Wochen später stand in vielen dieser Städte nach einem Hurrikan das Wasser meterhoch in den Straßen – unter anderem in Philadelphia.
Die Metropole zwischen New York und Washington, D. C. gehört in Amerika aktuell zu den Wegbereitern beim Umsetzen von Schwammstadt-Projekten. Mit der US-amerikanischen Umweltbehörde als Partner hat die Stadtregierung 2011 das ehrgeizige Programm «Green City, Clean Waters» (GCCW) gestartet. Im Rahmen dessen werden im gesamten Stadtgebiet kleine und große Grünflächen nach dem Schwammstadt-Prinzip angelegt. Ziel ist es, innerhalb von 25 Jahren die Verschmutzung der städtischen Abwässer um mindestens 85 Prozent zu reduzieren. Wenn das gelingt, könnte das Programm zum Vorbild für viele weitere Städte des Landes werden – denn die dreckige Brühe aus Haus- und Straßenabwasser verschmutzt nach Wolkenbrüchen die Flüsse stärker als die aus Industrieanlagen.
Neue Treffpunkte in der Nachbarschaft
Das Besondere beim «Green City, Clean Waters»-Programm ist, dass die Stadtverwaltung den Umbau von Philadelphia als Gemeinschaftsprojekt angeht. Die Mitarbeiter entwickeln mit Anwohnern, Unternehmen und Schulen gezielt auf das Umfeld abgestimmte Projekte und setzen sie gemeinsam um. Mit der Schulbehörde, Eltern und Schülern renaturieren sie beispielsweise zugepflasterte Schulhöfe. Gemeinsam mit der Parkverwaltung wandeln die Anwohnerinnen und Anwohner herkömmliche Parks in Orte um, die Regenwasser aufnehmen und speichern können. Vermieter und Mieter legen Hochbeete bei Mehrfamilienhäusern an.
Einige der Beteiligten pflegen anschließend als Paten die Beete und reinigen die Grünflächen von Müll. Vom Umbau profitieren alle: Die Menschen finden vor ihrer Haustür oder auf dem Schulhof neue attraktive Treffpunkte, Städte können ihre Abwässer reinigen und verringern deren Menge. Bereits in den ersten zehn Jahren konnten im Rahmen des Projekts zwei Milliarden Liter Wasser versickern, deutlich mehr als vorgesehen.
Schwammstädte als Gemeinschaftsaufgabe
Die Beispiele aus Kopenhagen, Wuhan und Philadelphia zeigen, was nötig ist, damit Städte sich an die Folgen des Klimawandels anpassen. Mit dem Umbau ihrer Zentren zu Schwammstädten mildern sie die Auswirkungen der Wetterextreme und steigern zugleich die Lebensqualität derjenigen, die dort leben und arbeiten. Allerdings kämpfen selbst die Pioniere mit dem Faktor Zeit. Deshalb ist die Einbindung der Menschen vor Ort umso wichtiger: Wenn alle gemeinsam – Institutionen, Unternehmen und die Bevölkerung – den Wandel zur Schwammstadt unterstützen und mitgestalten, geht der Umbau deutlich schneller voran.
Wir müssen den öffentlichen Raum komplett neu denken.
Für uns heißt das: Lernen vom Ausland. Entscheidend sei, so Richter, dass das Umdenken deutschlandweit stattfindet. «Die punktuellen Maßnahmen einzelner Städte sind für mich nur Stückwerk.» Die Zeit sei reif für einen zentralen Klimaanpassungsplan, der bundesweit gültig ist und vorschreibt, dass bei jeder Baumaßnahme Grünflächen angelegt werden müssen, die ausreichend Regenwasser aufnehmen und den Stadtraum kühlen.
So ein Plan sollte laut Richter von der Bundesregierung kommen. Nur dann könne man den nötigen politischen Rückenwind erhalten, um den Umbau zu Schwammstädten wirksam voranzutreiben. Denn Deutschland habe kein Wissensproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.
Den Planerinnen und Planern fehlt sowohl der Rechtsrahmen als auch eine bundesweit geltende Strategie mit konkreten Zielen und einem straffen Zeitplan, der die Auswirkungen extremer Wetterereignisse unmittelbar vor Ort durch entsprechende Maßnahmen abmildert. «Eine personell gut ausgestattete Koordinierungsstelle in den einzelnen Kommunen kann den dafür notwendigen Prozess strukturieren und auch die Partizipation aller Akteure sicherstellen», sagt Becker. Entscheidend sei dabei, dass der Umbau zur Schwammstadt keine freiwillige Zusatzaufgabe einzelner Stadtverwaltungen bliebe.
An konstruktiven Ideen und erfolgreichen Beispielen mangelt es also nicht, wenn es darum geht, unsere Städte für die Folgen des Klimawandels effektiv zu rüsten. Es ist höchste Zeit, diese Beispiele auch aufzugreifen und das Konzept der Schwammstadt koordiniert umzusetzen – denn nur ein schneller und umfassender Umbau unserer Stadträume wird die Lebensqualität erhalten und verbessern können.
Foto oben: Sankt-Kjelds-Platz in Kopenhagen / Mikkel Eye
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