Reis essen Klima auf
Ein Bericht von Rebecca Hahn
Reis ernährt fast die Hälfte der Menschheit – doch Treibhausgase aus Reisfeldern tragen zur Klimakrise bei. Der Anbau muss daher nachhaltiger werden.
Wer es ernst meint mit dem Klimaschutz, kommt am Thema Ernährung nicht vorbei. Zehn bis zwölf Prozent der weltweit durch den Menschen freigesetzten Treibhausgase stammen aus der Landwirtschaft. Ein Teil der Emissionen ließe sich ganz einfach vermeiden – zum Beispiel durch weniger Fleisch auf unserem Speiseplan. Bei Reis jedoch stellt bloßer Verzicht keine Lösung dar. Auf der einen Seite gilt dessen Anbau als eine der Hauptursachen für die steigenden Methankonzentrationen in der Atmosphäre – in Reisfeldern entstehen laut Weltklimarat rund zehn Prozent der menschengemachten Methanemissionen. Doch andererseits wäre die Weltbevölkerung ohne Reis nicht zu ernähren: Dreieinhalb Milliarden Menschen sind auf dieses Grundnahrungsmittel angewiesen. Knapp ein Fünftel der Energie, die wir weltweit über Nahrung zu uns nehmen, stammt aus dem Getreide.
Eine internationale Initiative für nachhaltigeren Reisanbau
«Reis wurde in der Debatte um eine nachhaltige Lebensmittelproduktion lange vernachlässigt», sagt Wyn Ellis. Der Brite berät seit 34 Jahren Landwirtschafts- und Fischereiprojekte in Asien und Afrika und leitet seit Oktober 2019 die «Sustainable Rice Platform» (SRP), eine Initiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen und des «International Rice Research Institute» (IRRI). Ziel dieser Plattform ist es, weltweit den ressourcenschonenden Reisanbau zu fördern. 110 Organisationen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen beteiligen sich an dem Projekt, darunter auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.
Alle reden über Palmöl, Soja und Tee – dabei hat Reis einen viel größeren Einfluss auf die Umwelt.
Methan (CH4)
Obwohl der Fokus oft auf den CO2-Emissionen liegt, treiben auch Methan und Distickstoffmonoxid (N2O), auch als «Lachgas» bekannt, den Klimawandel voran. Methan wirkt über hundert Jahre betrachtet sogar 28-mal stärker auf das Klima als Kohlenstoffdioxid, über zwanzig Jahre gar 86-mal so stark. Im Juli 2020 berichteten US-amerikanische Forscher, dass die weltweiten Methanemissionen einen neuen Höchststand erreicht hätten. 2017 gelangten demnach knapp 600 Millionen Tonnen des Klimagases in die Atmosphäre – rund 50 Millionen mehr als bei den durchschnittlichen Jahresemissionen von 2000 bis 2006. Acht Prozent der menschengemachten Methanemissionen stammen aus Reisfeldern.
Jeder vierte Landwirt weltweit ist Reisbauer. Rund 160 Millionen Hektar Fläche werden global genutzt, um Reis anzubauen. Das entspricht mehr als viereinhalb Mal der Größe Deutschlands. Dabei liegt ein Großteil der Reisfelder in den Flussdeltas Südostasiens, wo überwiegend sogenannter Nassreis angebaut wird, der in überfluteten Feldern wächst.
Traditioneller Reisanbau als Ursache des Methanproblems
Die Reissaat wird entweder direkt auf das Feld ausgebracht oder im Saatbett vorgezogen und anschließend per Hand oder Maschine eingepflanzt. Schon einen Monat vorher bereiten die Bauern den Boden vor, indem sie das Feld für einige Wochen fluten. Der aufgeweichte Boden wird in dieser Phase mehrmals mit einem Handpflug bearbeitet, um größere Klumpen aufzubrechen. Der dabei entstehende Matsch senkt sich ab und bildet nach dem Trocknen eine härtere Schicht, durch die das Wasser später kaum noch versickern kann. In der ersten Zeit nach dem Pflanzen wird das Feld nur feucht gehalten. Sind die Reispflänzchen schließlich hoch genug, fluten die Bauern die von einem kleinen Erdwall umgebenen Felder. Durch den Wall bleibt das Wasser auf den Feldern stehen – und wird häufig erst dann wieder abgelassen, wenn die Ernte kurz bevorsteht.
In genau dieser traditionellen Anbauweise liegt jedoch der Kern des Methanproblems: «Wenn permanent Wasser über dem Boden steht, findet kein Gasaustausch zwischen dem Boden und der Luft mehr statt», sagt Björn Ole Sander, der in einer Zweigstelle des International Rice Research Institute in Vietnam dazu forscht, wie sich Treibhausgasemissionen im Reisanbau verringern lassen.
Die Wasserbedeckung der Felder führt dazu, dass dem Boden über kurz oder lang der Sauerstoff ausgeht. Unter solchen anaeroben Bedingungen werden Bakteriengruppen aktiv, die Kohlenstoffverbindungen im Boden umwandeln und dabei Methan freisetzen. «Der Großteil des Treibhausgases wird über die Reispflanzen – von den Wurzeln über den Stängel bis zu den Blättern – transportiert und freigesetzt», sagt Sander. Ein kleinerer Teil steige auch durch methanhaltige Bläschen aus dem gefluteten Feld auf oder diffundiere über die Wasseroberfläche.
«Die Emissionen aus Reisfeldern sind sehr hoch», so Björn Ole Sander. «Global machen sie zwar nur 1,5 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus, aber das entspricht fast dem, was der gesamte Flugverkehr weltweit erzeugt.» Besonders für die Produzentenländer spiele der Reisanbau daher eine wichtige Rolle, wenn es darum gehe, Klimaemissionen zu verringern. «In Vietnam stammen beispielsweise 15 Prozent aller Treibhausgase aus dem Reisanbau», sagt Sander. «Das sind mehr Emissionen, als der gesamte vietnamesische Transportsektor verursacht.»
Eine simple Methode kann die Methanemissionen halbieren
Länder wie Vietnam und Thailand bemühen sich deshalb darum, den Reisanbau klimafreundlicher zu gestalten. Eine einfache Methode, so Björn Ole Sander, bestehe darin, regelmäßig das Wasser auf den Feldern abzulassen. Sobald die Wasserschicht verschwunden sei, gelange wieder Sauerstoff in den Boden, was die Methanproduktion stoppe. «Wird das Feld dann nach einigen Tagen wieder geflutet, dauert es eine Weile, bis sich wieder anaerobe Bedingungen im Boden eingestellt haben», sagt Sander. «Der Methanausstoß steigt deshalb nur langsam wieder an.» Alleine mit dieser Methode könne die Methanfreisetzung um rund 50 Prozent reduziert werden.
Damit die Bauern das Wasser dazu nicht extra abpumpen müssten, schlagen Sander und seine Kollegen vor, das Feld nach dem Fluten einfach nicht weiter zu bewässern. Durch Versickerung oder Verdunstung gehe sowieso immer ein wenig Wasser auf dem Feld verloren, erklärt der Forscher. Die Bauern müssten also nur abwarten, bis es trocken ist. «Irgendwann ist der Pegel dann so weit gesunken, dass die ersten zehn bis fünfzehn Zentimeter des Bodens wieder belüftet werden.» Dem Reis schadet dieses oberflächliche Trocknen nicht, da die Pflanzen bis in tiefere Bodenschichten wurzeln.
In zahlreichen Ländern wird das sogenannte «alternate wetting and drying», das abwechselnde Fluten und Trocknen des Felds, schon erfolgreich praktiziert. Das IRRI hat den Einsatz dieser Methode durch Forschungsprojekte unter anderem in Vietnam, in Bangladesch und auf den Philippinen vorangetrieben. Um den methanproduzierenden Bakterien im Boden möglichst wenig Futter zu liefern, könnten die Bauern auch darauf achten, möglichst einige Wochen vor dem Fluten Dünger wie Stroh und Gülle auszubringen, sagt Sander. Dann wäre die organische Masse bei der Flutung bereits weitestgehend von anderen Bakterien umgesetzt.
Zusätzlich untersuchen Forscher, wie viel Methan genau beim Anbau unterschiedlicher Reissorten frei wird. Bei manchen Sorten gelangt zum Beispiel mehr Sauerstoff in den Boden, sodass das Methan im Erdreich abgebaut werden kann. «Diese Untersuchungen stehen aber noch ganz am Anfang», berichtet Sander. Die Idee, die Reisfelder regelmäßig trockenfallen zu lassen, sei viel weiter. Das wechselnde Fluten und Trocknen des Felds bietet noch einen weiteren Vorteil: Die Landwirte sparen Wasser, wodurch sie besser für mögliche Dürren gewappnet sind.
Der Reisanbau ist gleichzeitig Verursacher und Opfer des Klimawandels.
Dürren, Überflutungen, Versalzung und Hitze machen den Reisbauern schon jetzt zu schaffen. Vor allem die großen Flussdeltas in Südostasien seien stark von den Folgen des Klimawandels betroffen, sagt Björn Ole Sander: «Sowohl die Zeiten, in denen dort Regen fällt, als auch die Niederschlagsmenge haben sich in den letzten Jahren stark geändert.» Bei Dürre führen die Flüsse weniger Wasser, sodass mehr salzhaltiges Wasser aus dem Meer in die Deltas vordringen kann. Das Flusswasser wird dadurch zu salzig, um es zur Bewässerung nutzen zu können. Bei Hochwasser wiederum versalzt das Meerwasser die Felder – ausgerechnet an den Küsten kommt es deshalb oft zu Dürreproblemen.
Zu viel Regen jedoch setzt den Reispflanzen ebenfalls zu. «Reis wächst zwar gerne in überfluteten Feldern», sagt Sander. «Aber steht das Wasser zu hoch, nehmen die Pflanzen Schaden.» Auch extreme Hitze tut dem Reis nicht gut: «Wenn es heißer als 34 Grad Celsius wird, krümmen sich die Blätter, damit weniger Wasser verdunstet. Dadurch wird die Photosynthese-Aktivität reduziert», erklärt Sander. «Außerdem schließen sich bei Hitze die Blüten, wodurch Probleme bei der Befruchtung auftreten.»
Reis spielt eine essenzielle Rolle für die Welternährung.
In der Vergangenheit konnte die weltweite Reisproduktion durch neue Entwicklungen immer wieder gesteigert werden. Doch nun scheint eine weitere Steigerung kaum noch möglich, was den Fachleuten Sorgen bereitet. Überwiegend ärmere Menschen seien auf Reis als Grundnahrungsmittel angewiesen. Laut Berechnungen des IRRI müsste die Reisproduktion in den nächsten 25 Jahren um ein Viertel steigen, damit die Nachfrage der wachsenden Weltbevölkerung gestillt werden könnte.
Können Neuzüchtungen die Probleme lösen?
Um den Widrigkeiten des Klimawandels etwas entgegenzusetzen, arbeiten Wissenschaftler deshalb daran, besonders resistente Sorten zu züchten. Während Überflutungen zum Beispiel versucht die Reispflanze normalerweise, ihre Blätter und den Stängel zu verlängern, um über den Wasserspiegel zu gelangen. Den meisten Reissorten gelingt dies nicht schnell genug, sodass sie bei längeren Überflutungsphasen eingehen. 2006 jedoch entdeckten Reiszüchter in einer indischen Sorte ein Gen, das bei Überflutungen aktiviert wird und die Pflanze für bis zu zwei Wochen in eine Art Dornröschenschlaf versetzt. Statt vergeblich zu versuchen, sich aus dem Wasser zu strecken, spart die Reispflanze einfach Energie, bis der Wasserspiegel wieder gesunken ist.
Andere Züchtungen zielen darauf ab, die Hitzeresistenz der Pflanze zu erhöhen. «Diese Sorten blühen schon morgens», sagt Sander. So könnten sich die Pflanzen selbst an heißen Tagen bestäuben, wenn sich die Blüten in der Mittagshitze wieder schließen. «Für die großen Reissorten sind immer wieder Updates nötig», so Sander. Sonst reduziere sich der Ertrag, wenn sich die Umgebung oder das Klima änderten oder sich Krankheiten und Schädlinge auf die Sorten eingestellt hätten.
Klimastabilere Reissorten, emissionsärmerer Anbau
Der Reisanbau müsse sich – wie die Landwirtschaft als Ganzes – gleich in zweierlei Hinsicht anpassen, sagt Beau Damen vom Regionalbüro für Asien und den Pazifik der Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Organization / FAO): «Er muss sich für die Folgen des Klimawandels rüsten und gleichzeitig seinen Beitrag zum Klimawandel verringern.» Noch habe der Reis nicht so sehr unter dem Klimawandel gelitten wie einige andere Feldfrüchte, sagt Damen. Die große Herausforderung sei es nun, die Landwirte dabei zu unterstützen, nachhaltige Anbaupraktiken einzuführen, um auch in Zukunft größere Schäden oder gar Ernteausfälle zu vermeiden.
Darauf zielt auch die Arbeit der 2011 gegründeten Sustainable Rice Platform ab. «Unser Fokus liegt auf den Kleinbauern», sagt Wyn Ellis. Für sie hat die SRP einen «Standard für nachhaltigen Reis» entwickelt, der den Reisbauern zeigen soll, wie sie ökologisch und ökonomisch tragfähig wirtschaften können. In den Fokus genommen werden dabei zum Beispiel der Wasserverbrauch und das Nährstoffmanagement, aber auch Arbeitsrechte und Gesundheitsvorsorge. Halten die Landwirte die Regeln ein, kann ihr Reis mit dem Standard zertifiziert werden.
Ermutigende erste Erfolge
«Einen Großteil der Anforderungen erfüllen die meisten Reisbauern bereits», berichtet Wyn Ellis. «Die größten Probleme treten beim Wassermanagement und dem Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln auf.» Das sei allerdings eine gute Nachricht, denn diese Bereiche hätten die Reisbauern selbst in der Hand. In Schulungen lernen sie deshalb, wie sie mit Wasser und Chemikalien noch besser haushalten können. «Im Schnitt reduzieren die Reisbauern, die dem SRP-Standard folgen, den Einsatz von Chemikalien auf ihren Feldern um fünfzehn Prozent», so Ellis.
Wir können nicht verlangen, dass die Landwirte die Kosten und Risiken nachhaltigerer Anbaupraktiken allein tragen.
Noch ermögliche die Umsetzung des Standards, von Einzelfällen abgesehen, zwar keine höheren Ernten. Dennoch bleibe am Ende mehr Geld für die Landwirte übrig – und gleichzeitig werde etwas für den Klimaschutz getan. Zumal neunzig Prozent der Reisbauern an oder unter der Armutsgrenze lebten. Klimafreundliche Methoden müssten sich für die Landwirte deshalb direkt lohnen und im Idealfall auch von den Konsumenten in wohlhabenderen Ländern mitfinanziert werden, so Beau Damen. Schließlich können sich den Klimaschutz am ehesten diejenigen leisten, für die nicht das eigene Überleben davon abhängt.
Auch Wyn Ellis hofft darauf, dass Verbraucher in Europa den nachhaltigen Reisanbau unterstützen werden: «Pro Kopf wird in Europa zwar nur wenig Reis konsumiert, aber das Kaufverhalten dort könnte einen entscheidenden Einfluss auf die Situation in den Anbauländern haben.» Die SRP sei deshalb im Gespräch mit zahlreichen Händlern in Europa, um nach dem SRP-Standard zertifizierten Reis auf den Markt zu bringen, so Ellis: «Wahrscheinlich wird schon Ende des Jahres nachhaltig produzierter Reis in den Supermarktregalen in Europa stehen.»
-
Das große Tauen
Der Permafrostboden fällt in vielen Regionen regelrecht zusammen. Dadurch könnte doppelt so viel Treibhausgas frei werden wie bisher prognostiziert.
-
Moore: die unterschätzte Klimachance
Moore sind wichtige Wasserfilter und Nährstoffspeicher – und revitalisierte Moore könnten sogar dabei helfen, den Klimawandel zu bremsen.