Die Klimaschuld der Milliardäre
Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber im Gespräch mit Christopher Schrader
Die Welt hat nicht mehr viel Zeit, ihr Klima zu bewahren. Die Schlagzeilen aus Washington müssen aber niemandem den Mut nehmen.
Donald Trump ist der Mann, der der Großmacht USA ihre globale Bedeutung nimmt, den amerikanischen Traum zerstört und die Wirtschaft seines Landes nachhaltig beschädigt. Der amerikanische Präsident kommt nicht gut weg, wenn Hans Joachim Schellnhuber über die Zukunft spricht. Doch im Gegensatz zu den atemlosen Berichten über die aktuellen Dekrete aus dem Weißen Haus blickt der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung im Interview über die Amtszeit Trumps hinweg. Für gefährlich hält Schellnhuber vor allem die Feindseligkeit, die der Wissenschaft in den USA nun entgegenschlägt. Dagegen ist er nicht besonders besorgt, dass die neue Regierung den globalen Anstrengungen im Klimaschutz schaden könnte. Ein Teil der US-Bundesstaaten und andere Nationen werden den möglichen Rückzug Amerikas kompensieren können, teils um die eigene Umwelt zu sanieren, teils um ihre Chancen in einer radikal veränderten Weltwirtschaft zu wahren. Dafür brauchen aber auch die reichen Industriestaaten tiefe Investitionstöpfe – Schellnhuber will dafür unter anderem die Klimaschuld privater Milliardenvermögen mit einer reformierten Nachlasssteuer abschöpfen.
Das Interview mit Hans Joachim Schellnhuber führte der Journalist Christopher Schrader am 24. Januar 2017 in dessen Büro am Postdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Auf dem Titelbild des Sondergutachtens des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderung (WBGU) von 2014 zerrt eine Reihe von Menschen den Eiffelturm als Nadel eines Thermometers von der Zwei-Grad-Marke weg. Klimaschutz als Weltbürgerbewegung, steht darüber. Nun ist ein entschiedener Nichtweltbürger ins Weiße Haus eingezogen. Welchen Schaden kann Donald Trump anrichten?
Schellnhuber: Er wird vor allem seinem eigenen Land schaden. Er könnte sogar als der Mann in die Geschichte eingehen, der den amerikanischen Traum beerdigt hat.
Wie das?
Wenn komplexe Gesellschaften in Krisen geraten, dann gibt es in der Regel keinen einvernehmlichen Wechsel zur neuen Betriebsweise, die aus der Krise herausführt. Es gibt stattdessen den Reflex, noch mehr von dem zu machen, was einen in die Krise gebracht hat. Die Vertreter des Ancien Régime reden sich ein, dass nicht das Grundparadigma falsch ist, sondern sie es nicht entschieden genug durchgesetzt haben. Dieser Reflex führt in der Regel zum beschleunigten Kollaps des Systems.
Zunächst einmal scheint es aber – jedenfalls wirtschaftlich – bergauf zu gehen. Der Dow Jones zumindest hat die 20.000-Punkte-Grenze durchbrochen.
Die Zukunft der Wirtschaft hat doch eine andere Basis als Kohle, Stahl und Autos: Sie ist erneuerbar, ressourcenschonend, zyklisch. Das wird auch in den USA schnell genug eingesehen werden. Nehmen wir doch nur mal den fossil-nuklearen Komplex, den Trump fördern will: Kohleabbau in West Virginia, Pipelines für Öl aus kanadischen Teersanden und die vollkommen unwirtschaftliche Atomkraft. Wenn der Präsident auf diese Karte setzt, schrumpfen die USA zu einer Regionalmacht und verlieren den Modernisierungswettbewerb gegen Asien. Interessant ist jedoch, wo sich Europa positioniert. Trump wird zur Kulmination des Krisenphänomens, um das alte System möglichst schnell zu beenden.
Die Klimapolitik der anderen
Besteht Hoffnung für uns in Europa?
Nicht viel, wenn wir es nicht einmal schaffen, den dysfunktionalen Emissionshandel mit einfachen Maßnahmen zu reformieren. Kohlendioxid auszustoßen ist in Europa einfach zu billig, deshalb laufen noch so viele Kohlekraftwerke. Die Reform hätte die automatische Folge aus dem Pariser Abkommen sein müssen, eine Woche später hatte ich bereits entsprechende Initiativen erwartet. Dass das nicht passierte, ist ein politischer Skandal.
Kann Trump mit seiner Verweigerungshaltung die Initiativen der Klimapolitik im Rest der Welt blockieren?
In der Tat könnte Trump sich aus dem Pariser Abkommen zurückziehen, aber juristisch wäre es noch leichter, die Klimarahmenkonvention selbst zu verlassen. Das könnte er innerhalb von sechs, sieben Monaten tun, und dann sind auch alle Nachfolgeverpflichtungen wie die von Paris perdu. Das Szenario wird sicherlich durchgespielt im Weißen Haus.
Fällt dann alles auseinander?
Beim Klimagipfel in Marrakesch vergangenen November, als Trump gerade gewählt war, haben wir mit angehaltenem Atem abgewartet, ob es einen Domino-Effekt gibt. Ob sich zum Beispiel Indien zurückzieht. Aber das ist nicht passiert. Indien erhöht sogar seine Ambitionen, was Solarenergie angeht, und zwar nicht wegen des Klimaschutzes, sondern weil das Land wie China ein massives Smogproblem hat. Die Regierung hat außerdem endlich verstanden, dass sie die Elektrifizierung des riesigen Subkontinents viel schneller mit dezentraler Technik hinbekommt, als wenn sie Kohlekraftwerke baut und versucht, den Strom über das Netz in den Raum zu drücken.
Auch China hat in Marrakesch gesagt, dass es nicht aus der Klimapolitik aussteigt. Aber kann China den Ausstieg der USA auffangen?
China sieht die jetzige Situation als historische Chance, Xi Jinping ist nicht umsonst nach Davos gefahren und hat den Retter der modernen Welt gegeben. Sein Land kann auf jeden Fall wirtschaftlich und strategisch die Rolle der USA übernehmen, von seinen Emissionen her sowieso, auch von den einzigartigen Investitionsmöglichkeiten. Der gerade angelaufene 13. Fünfjahresplan sieht vor, 340 Milliarden Euro in nichtfossile Energieformen zu investieren. 340 Milliarden!
Davon geht viel in neue Atomkraftwerke. Und China will erst 2030 anfangen, seine Emissionen wirklich zu senken.
Im Gegensatz zu manchen anderen Ländern übererfüllt China seine Versprechen in der Regel. Führende Kollegen aus Beijing haben mir kürzlich glaubhaft versichert, dass dies insbesondere beim Klimaschutz der Fall sein wird. Wenn Sie die Emissionen von China und Indien zusammenrechnen, dann haben Sie schon ein gutes Drittel der Welt. Und wenn dann der Ausstoß um jährlich drei bis vier Prozent sinkt, was ich für wahrscheinlich halte, dann wird der Beitrag der USA auf «nice to have» reduziert – dann geht es eben auch im Klimaschutz ohne sie.
Wenn Trump sich wirklich intensiv gegen den Klimaschutz wendet, dann kann er eine massive Gegenreaktion auslösen.
Ist das nicht arg optimistisch, was den Klimaschutz nach einem möglichen Aussteigen der USA angeht?
Nein, ich glaube, dass sich erstens andere Länder vermehrt in der Pflicht fühlen und dass zweitens Teile der USA sagen, jetzt erst recht: Kalifornien zum Beispiel oder die Neuengland-Staaten. Wenn Trump sich wirklich intensiv gegen den Klimaschutz wendet, dann kann er eine massive Gegenreaktion auslösen, die dem Kampf gegen den Klimawandel sogar noch dienlich ist. Wenn er die Frage nicht sowieso für viel zu läppisch hält. Das ist eigentlich meine Grundannahme.
Läppisch? Bei den Leuten, die er gerade ernennt? Ausgewiesene Klimawandelleugner, die die Umweltbehörde, das Energie- und das Handelsministerium leiten?
Trump hat früher einmal einen Brief unterschrieben, zusammen mit anderen Unternehmern, in dem er sogar mehr Klimaschutz forderte. Die jetzige Oppositionshaltung ist dagegen nur eine Zutat in seinem ideologischen Brei. Es ist die krude Mischung, die Sie auch auf nationalpopulistischen Webseiten finden. Trump hängt sein Mäntelchen in den Wind – das kann er ziemlich gut.
Die Atmosphäre in der Klimaforschung vergiften die neue Regierung und deren Freunde in den sogenannten Thinktanks aber jetzt schon.
Das ist in der Tat tödlich gefährlich, die Infragestellung der wissenschaftlichen Methodik an sich, nicht nur in der Klimaforschung, sondern auch bei der Evolution, beim Impfen. Wenn das faktische Wissen als Grundlage von rationalen Entscheidungen diskreditiert wird, dann könnte das für unsere Zivilisation insgesamt eine fatale Entwicklung einleiten. Es herrscht deswegen schon helle Aufregung an der National Academy.
Schwappt das auch nach Deutschland?
Nicht in dem Ausmaß, aber hier gibt es ja jetzt die AfD, die solche Töne von sich gibt. Und wenn Sie unter Artikeln über Klimaforschung in die Kommentarspalte sehen, dann sind auch 80 Prozent der Einträge wissenschaftsfeindlich. Es geht von der Geringschätzung über die Verachtung bis zur Feindschaft.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Das hängt vor allem mit dem Kontrollverlust in der modernen Gesellschaft zusammen. Wir haben eine technisierte Welt, die von Physikern geschaffen wurde. Wir leben sehr gut von den Segnungen, die diese «Eierköpfe» hervorgebracht haben, aber kaum einer versteht sie. Das löst ein tiefes Gefühl der Unterlegenheit aus, und das ist einfach zu instrumentalisieren. Der Impuls ist dann, die Wissenschaftler wieder da hinzustellen, wo sie angeblich hingehören: nützliche Idioten, die uns etwas erfinden, was angenehm ist für unser Leben, denen wir aber nicht glauben, wenn sie eine unbequeme Botschaft bringen. Wenn jemand mit einer Maschinenstürmermentalität in dieses Dilemma hineinhaut, könnte das die moderne Zivilisation auseinanderreißen.
Wissenschaft und Emotion
Müssen Wissenschaftler anders kommunizieren, um die Konflikte zu entschärfen? Sollen Moral, Gefühle, Geschichten, Werte oder Glaube eine größere Rolle in der Debatte spielen statt immer nur Fakten?
Die Wissenschaft ist die Wissenschaft ist die Wissenschaft ist die Wissenschaft. Die Feldgleichungen der Einstein’schen Relativitätstheorie zum Beispiel, die Karl Schwarzschild in diesem Arbeitszimmer hier gelöst hat, kann man nicht einfacher machen. Dennoch bestimmen sie unsere Wirklichkeit: Jeder auf der Erde fällt nach unten aufgrund der Schwerkraft. Jeder hat in seinem Smartphone ein Navi, und GPS funktioniert nicht ohne relativistische Effekte. Wir müssen ehrlich sagen, dass man vielleicht zehn Jahre studieren muss, um die allgemeine Relativitätstheorie zu begreifen. Und die Wissenschaft wird eher komplizierter, weil wir Schicht auf Schicht legen, und ich muss alle unteren Schichten verstehen, um zur obersten durchzudringen.
Das ist vielleicht ein wenig arrogant.
Moment. Wir müssen natürlich die Konsequenzen aus unseren Ergebnissen, die Verantwortung, die uns deswegen zuwächst, und vielleicht auch die Leidenschaft, mit der wir das betreiben, genauer erklären. Nicht nur so einfach und klar, dass andere es hoffentlich verstehen können. Dabei spielen aber auch Werte, Emotionen und vielleicht sogar Moralvorstellungen eine Rolle.
Vielen Wissenschaftlern sind Gefühle doch mindestens in der öffentlichen Debatte eher suspekt.
Dürfen wir Wissenschaftler unsere objektiven Ergebnisse ins Gewand der Emotion kleiden, dürfen wir sie gar moralisch aufladen? Ja! Da, denke ich, passiert zurzeit ein Paradigmenwechsel in dem Sinn, dass man Empathie für sein Forschungsobjekt hat. Der größte aller Wissenschaftler hat das geschafft. Albert Einstein konnte beides, er hat die Relativitätstheorie vorangetrieben und einen leidenschaftlichen Aufruf gegen das Wettrüsten unterschrieben, weil er in höchster Sorge um das Überleben der modernen Welt war. Ein solches Doppelleben müssen wir heutigen Wissenschaftler auch aushalten.
Nur Empathie für Ihr Forschungsobjekt? Bräuchten Sie nicht auch Empathie für die Menschen, die zum Beispiel in der Klimaforschung von den Resultaten betroffen sind?
Die Empathie mit den Betroffenen können Sie sowieso voraussetzen. Mein Forschungsgegenstand sind der Planet Erde und seine Bewohner. Als Klimafolgenforscher geht es mir um die Auswirkungen von Missernten auf den Nahen Osten, die Veränderung der Malaria in Zentralafrika, natürlich auch um die Betroffenen der deutschen Energiewende, wenn sie denn gelingt. Wenn wir wie bei diesem Symposium fordern «Transformation Now!», lasst uns viele Bereiche der modernen Gesellschaft umkrempeln, dann ist das der wissenschaftlich begründete Aufruf zu einer Revolution. Auch weil gute Wissenschaft auf einem toten Planeten wahrscheinlich ziemlich schwierig durchzuführen ist.
Hoffnung auf und Misstrauen gegen die Politik
Woran liegt es denn, dass so wenig passiert? Viele Menschen sagen, sie wünschten sich mehr Engagement, größeren Ehrgeiz und strengere Regeln vom Gesetzgeber.
Wissenschaftler am PIK haben eine Umfrage unter Experten gemacht, welche gesellschaftlichen Veränderungen einen grundsätzlichen Umschwung auslösen könnten. Und das Muster war recht typisch: Eigentlich hätten es die Regierungen in der Hand, wirksame Maßnahmen zu beschließen, gleichzeitig verspricht man sich aber von denen am allerwenigsten.
Dieses Gefühl teilen sicherlich viele Bürger mit Ihren Experten.
Es ist wohl das Problem in einer repräsentativen Demokratie. Man gibt die Verantwortung ab, aber wenn die Regierung die Verantwortung dann ausübt, dann wird sie ihr vielleicht schnell wieder entzogen. So entsteht eine gegenseitige Komplizenschaft zwischen der Regierung und dem Wahlvolk, man kann sich gegenseitig im Pingpong die Verantwortung zuschieben und dadurch auf die lange Bank befördern.
Wer muss das aufbrechen?
Eine politische Führung, die bereit ist, die eigene Nichtwiederwahl zu riskieren. So etwas gab es tatsächlich schon in der Geschichte, aber häufig passiert es natürlich nicht. Oder derart starke Bewegungen in der Zivilgesellschaft, dass eine Regierung nicht mehr anders kann, als mitzumachen. Wenn wir heute viel Glück hätten, würden wir politische Leadership bekommen, die mit einer zivilen Bewegung zusammentrifft. Dann erreichten wir vielleicht die Geschwindigkeit der Transformation, die notwendig wäre.
Jemand in Sicht für die Führungsstärke?
Ich glaube, dass Angela Merkel durchaus das Potenzial hat. Aber die Person, die derzeit die stärksten politischen Aussagen zur Nachhaltigkeit macht, ist Papst Franziskus. Das ist natürlich die Ironie der Geschichte, dass die konservativste Einrichtung der Welt die progressivste Politik anmahnt.
Der Papst wird nicht da sein, aber Angela Merkel lädt im Sommer zum G20-Gipfel in Hamburg. Und der WBGU hat dazu noch unter Ihrem Vorsitz ein Sondergutachten vorgelegt. Was soll, was kann Deutschland vorschlagen und durchsetzen?
Für disruptive Vorschläge, die mit der langsamen Weiterentwicklung des Status quo brechen, ist der WBGU ja bekannt. Es geht um Transformationsfonds, die gesellschaftliche Innovation induzieren. Wir haben die absurde Situation auf der Welt, dass unglaublich viel privates Kapital da ist, das keine vernünftige Rendite erzielt, und gleichzeitig zerfällt nicht nur die alte Infrastruktur, es wird vor allem die dringend nötige neue Infrastruktur nicht aufgebaut. Das ist wie ein Liebespaar, das nicht zusammenkommen darf.
Was sollen diese Fonds bewirken?
Sie würden große Investoren anziehen, die brauchen eine gewisse staatliche Beteiligung, um die Risiken zu begrenzen. Ein Faktor eins zu zehn genügt, ein Zehntel öffentliches Kapital würde eine viel größere Summe privates Kapital in Bewegung setzen. Und wir alle wissen doch, dass wir so schnell wie möglich auf erneuerbare Energien umsteigen müssen, dass der Dieselmotor keine Zukunft hat, dass niemand in 20 Jahren noch Kohlestrom produziert, dass das Zeitalter des Stahlbetons zu Ende geht. All das ist sonnenklar, aber niemand nimmt hierzulande das Geld in die Hand, das nötig ist. China hingegen macht genau das: Die 340 Milliarden sind praktisch ein staatlicher Transformationsfond.
Wir haben etwas vorgeschlagen, das uns Hohn und Spott eingetragen hat, und das ist oft das Zeichen, dass wir richtig liegen.
Woher soll das Geld kommen? Sie setzen für die Finanzierung in Ihrem Gutachten allein auf der öffentlichen Seite 40 Milliarden Euro pro Jahr an.
Wir haben etwas vorgeschlagen, das uns Hohn und Spott eingetragen hat, und das ist oft das Zeichen, dass wir richtig liegen. Wir wollen an die Erbschaftssteuer ran. Alle großen Vermögen sind nicht zuletzt durch vermiedene Externalitäten beim Einsatz fossiler Brennstoffe entstanden.
Entschuldigung, der Begriff Externalitäten?
Wer Kohle oder Öl verbrennt, entsorgt die Rückstände, nämlich das Kohlendioxid, bisher kostenfrei in der Atmosphäre. Er muss dafür nichts zahlen, aber der Allgemeinheit entstehen Kosten, die aus der Sicht des Unternehmers extern sind.
Die Klimaschuld der Milliardäre
Und was bedeutet das für die Akkumulation von Vermögen?
Hätte man das schon früher berücksichtigt und entsprechend in Rechnung gestellt, besäßen die Besitzer von Aldi oder die Familie Quandt vielleicht nur halb so viel Geld. Uns geht es um solche Milliardenvermögen. Davon sollte man im Erbfall eine Art Generationenkomponente abschöpfen, um die künftigen Generationen vor den Folgen des Ausstoßes zu schützen.
In vielen Politikfeldern reicht ein Stichwort, um die übliche Erregung auszulösen. In diesem Fall ist es «Omas kleines Häuschen».
Ach nein, um die geht es gar nicht. Wir haben mit dem obersten einen Prozent der Vermögen in Deutschland gerechnet. Für die könnte eine nominelle Klima-Erbschaftssteuer auf das ganze zu vererbende Vermögen von 20 Prozent erhoben werden. Das würde schon reichen.
Ist es eine gute Idee, eine historische Verantwortung zu betonen und sie mit diesem Instrument zum ersten Mal einzelnen Personen zuzuweisen?
Na ja, je größer das Vermögen, desto größer die Klimaschuld einer Familie, das ist einfach so. Und fragen Sie sich doch mal: Was ist der Akt des Vererbens? Ich möchte meine Nachkommen mit besseren Lebenschancen ausstatten. Durch die Akkumulation ihrer Vermögen haben die Reichen aber die Lebenschancen der Gesamtheit der kommenden Generationen geschmälert, allein schon wegen der Folgen des Klimawandels. Also was wäre logischer, als das teilweise zurückzuerstatten? Ich nenne es: «Paying back to the future». Und es ist letztlich auch physikalisch zwingend, denn wir wissen inzwischen, dass wir an ein Budget der Treibhausgas-Emissionen gebunden sind. Die kumulativen Emissionen bestimmen die Erwärmung, und frühere Generationen haben schon viel von dem Budget ausgeschöpft.
Die Idee ist in der Welt, der Geist ist aus der Flasche, und die Debatte wird geführt werden.
Ungleichheit schadet der Gesellschaft
Interessant, dass Sie ein politisches Ziel mit der Physik begründen. Sind Sie optimistisch, dass Sie es so durchsetzen können?
Das wird lange dauern. Es gibt auch Ökonomen, die fordern ganz unabhängig vom Klimawandel eine 100-prozentige Erbschaftssteuer. Ein klarer Reset: Wenn ein Mensch stirbt, fällt sein Vermögen an die Gemeinschaft zurück. So radikal würde ich nicht sein, das ist gar nicht notwendig. Den Nachlass zu besteuern, wäre aber ein Beitrag zum Ausgleich der immer größeren Ungleichheit in unserer Gesellschaft.
Wirklich freuen wird Ihre Bescheidenheit niemanden.
Die Erbschaftsdebatte ist unvermeidbar, insbesondere wenn die Gesellschaften immer weiter auseinanderdriften. Ungleichheit begrenzt in den westlichen Industrieländern die soziale Mobilität: Kinder können kaum noch über das Wohlstandsniveau ihrer Eltern aufsteigen, wenn sie dieses überhaupt erreichen. Gleichzeitig wird enorme wirtschaftliche Macht in den Händen weniger Familien gebündelt. An der Frage, warum das in dynastische Verhältnisse ausufert, wird die Gesellschaft nicht vorbeikommen.
Sind die Zukunftsfonds allein noch nicht genug Disruption?
Die Idee ist in der Welt, der Geist ist aus der Flasche, und die Debatte wird geführt werden. Wenn am Ende die Transformationsfonds auf andere Weise gefüllt werden, soll es mir auch recht sein. Aber ohne die Transformationsfonds werden die OECD-Staaten niemals die Neuerungen in Gang bringen, die für das Pariser Abkommen nötig sind. Und die sozialste und nachhaltigste Form der Finanzierung wäre eine Reform der Erbschaftssteuer.
Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber ist Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und war bis vor kurzem Kovorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderung (WBGU). Dieser Posten hat ihm den inoffiziellen Titel eingebracht, Klimaberater der Kanzlerin zu sein. Er ist außerdem Mitglied der «Earth League», ein Club hochrangiger internationaler Klimaforscher. Die Gruppe hat sich vor kurzem am PIK getroffen, um unter dem Titel «Transformation Now!» eine beschleunigte Umstellung von Wirtschaft und Gesellschaft auf Nachhaltigkeit zu diskutieren und anzustoßen.