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Ackern gegen die Klimakrise

Ein Bericht von Thomas Goebel

Der Klimawandel bedroht die Landwirtschaft auch in Südbaden. Es gilt, die Anbaumethoden nachhaltig anzupassen – wie auf dem Antonihof im Schwarzwald.

Ein heißer Tag im August 2020. Bedächtig schreitet Christoph Trütken den Mittelgang seines Kuhstalls entlang. Mit der Heugabel schiebt er große Futterhaufen vor die Mäuler der Tiere, die erwartungsvoll an ihren Plätzen stehen. Die Kühe beginnen sofort zu fressen, es scheint ihnen zu schmecken. Doch was ihnen gefällt, ist für Trütken ein Problem: Das Heu hat er erst vor wenigen Tagen geerntet, und eigentlich wollte er es einlagern, als Vorrat für den Winter. Dass er es jetzt schon verfüttert, hat mit dem Zustand seiner Weiden zu tun – und mit dem Klimawandel.

Ausgedörrte Weiden und Wiesen

Christoph Trütken und seine Frau Birgit Strohmeier bewirtschaften den Antonihof am Ortsrand von Bad Dürrheim im Schwarzwald-Baar-Kreis. Der Hof liegt auf etwa 700 Metern Höhe, weit reicht hier der Blick über die Weiden und Wälder der Baar-Hochebene. In Trütkens Stall ist es dämmrig; unter den hohen Tragbalken des Dachs weht warme Luft herein. Draußen hinter dem Stall knallt die Sonne auf eine ungeschützte Weidefläche – oder vielmehr auf das, was einmal eine Weide war: Mittlerweile bestimmt das Braun verwelkter Halme das Bild. «Es hat die letzten vier Wochen so gut wie gar nicht geregnet», sagt Trütken. In der Ferne am Waldrand erkennt man noch mehr Kühe, seine zweite Herde. «Da unten ist das Gras noch saftig», sagt er, «und die Tiere haben etwas Schatten.»

In einem lichten Kuhstall füttert ein junger Mann in sommerlicher Kleidung die Kühe.
Biolandwirt Christoph Trütken füttert seine Milchkühe mit Heu, das er gerade erst geerntet hat. Foto: Bernd Schumacher
In einem lichten freundlichen Kuhstall liegt entspannt eine Kuh auf dem Boden.
Der Stall spendet Schatten, draußen brennt die Sonne auf die Weide. Foto: Bernd Schumacher
Auf einem Hügel liegt ein moderner Bauernhof.
Der Antonihof ist ein Bioland-Betrieb, er liegt auf der Baar-Hochebene am Ortsrand von Bad Dürrheim. Foto: Bernd Schumacher
Aus der kleinen Holztür des Stalls schaut ein Schwein heraus.
Auf dem Antonihof leben auch zwei Hängebauchschweine. Ihre Aufgabe ist es, den Kindern Freude zu bereiten. Foto: Bernd Schumacher
Unter einem schattenspendenden Busch laufen Hühner auf einer großen Freifäche.
Eine große Hühnerschar sorgen dafür, dass es im Hofladen auch Eier zu kaufen gibt. Wird es den Hühnern zu heiß, suchen sie den Schatten von Bäumen oder Gebäuden. Foto: Bernd Schumacher
Ein kleiner grüner Trecker steht vor einer Holzscheune.
Kein Bauernhof ohne Traktor Foto: Bernd Schumacher

Sein Kuhstall ist ein sogenannter Laufstall, der Landwirt hat ihn selbst entworfen und 2013 einen Tierschutzpreis des Landes Baden-Württemberg dafür erhalten. Von Frühling bis Herbst kommen die Kühe meist nur zum Melken nach drinnen und trotten dann von selbst wieder auf die Weide. «Alles, was sie im Stall machen, kostet mich Arbeit», erklärt Trütken, «draußen suchen sie sich selbst ihr Futter und bringen auch noch den Dünger aus.» Ist der Sommer aber so heiß und trocken, dass das Gras nicht richtig wächst, funktioniert das nicht: Trütken muss zufüttern, damit die Tiere satt werden, gleichzeitig erntet er weniger Heu – und die Kühe geben weniger Milch.

Prognosen lassen weitere Temperaturanstiege befürchten

Mehr Hitze, weniger Niederschlag – so zeigt sich auch in Südbaden der Klimawandel auf vielen Weiden, Wiesen und Äckern. Die Zahlen des Deutschen Wetterdiensts zu den Temperaturen in Deutschland seit 1881 machen das deutlich: Neun der zehn wärmsten Jahre wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten gemessen; die Top Drei sind 2019, 2014 und, als Spitzenreiter, 2018. «Die Prognosen zeigen immer wärmere Temperaturen und eine Verschiebung von Niederschlagsmustern», bestätigt auch Claas Nendel. Der Professor forscht am «Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung»  (ZALF) im brandenburgischen Müncheberg zur Landwirtschaft im Klimawandel.

Die warme Luft zieht das Wasser aus Boden und Pflanzen.

Claas Nendel, Geoökologe am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung, Müncheberg
Ein Mann im Anzug steht an einem Vortragspult und spricht.
Claas Nendel forscht zu den Auswirkungen des Klimawandels. Foto: ZALF / Jörg Pilz

Die Hitze, sagt Nendel, sei auch für das fehlende Wasser verantwortlich. Eigentlich habe es in den vergangenen Jahren sogar etwas mehr Niederschlag gegeben – der aber fällt immer häufiger im Winter. Und im Sommer sorgen die steigenden Temperaturen dafür, dass der Regen oft gleich wieder verdunstet: «Die warme Luft zieht das Wasser aus dem Boden und den Pflanzen heraus.» Trotz etwas mehr Regen im Jahresschnitt bleibt am Ende deshalb weniger für die Pflanzen übrig. In den Sommermonaten drohen Dürren – umso mehr, wenn zwei sehr warme Jahre aufeinanderfolgen wie 2018 und 2019.

«In den letzten fünf Jahren war hier eigentlich kein Jahr normal», sagt Christoph Trütken in Bad Dürrheim. Er habe oft Futter für die Kühe zukaufen müssen. Insgesamt sei das Wetter wenig berechenbar gewesen, zudem regional extrem unterschiedlich. So habe er ausgerechnet in den heißen Jahren 2018 und 2019 Glück gehabt: «Da ist passiert, was sonst nie passiert – genau bei uns sind viele Gewitter runtergekommen.» Der Landwirt berichtet aber auch von seinem Versuch, im vorigen Jahr eine Weidemischung unter anderem mit Klee und Gräsern zu säen. Die Saat sei zwar aufgegangen. «Doch dann kam plötzlich die Hitze mit über 35 Grad, im Oberboden war keine Feuchtigkeit mehr, mir ist alles wieder verbrannt.»

Der Klimawandel wird zum Dauerthema auf dem Hof

Mit Umweltthemen beschäftigt sich Trütken schon seit über 30 Jahren, über sie kam er zur Landwirtschaft, erzählt er. Er ist studierter Agrarwissenschaftler, hat als Bio-Kontrolleur und Stallbauberater gearbeitet. Sein Antonihof ist ein Bioland-Betrieb mit eigenem Hofladen, die zugehörigen Flächen bestehen überwiegend aus Weiden, dazu kommen Heuwiesen, aber auch etwa 25 Hektar Ackerland, worauf vor allem Getreide wächst. Auf dem Antonihof leben zwei Hängebauchschweine, 340 Hühner und gut 100 Rinder: 30 Kühe werden gemolken, 15 weitere sind als sogenannte Ammenkühe für die Aufzucht zuständig, die übrigen Tiere sind Kälber, Färsen und ein paar Ochsen.

Wenn das jedes Jahr so kommt, wäre das für uns schon bedrohlich.

Christoph Trütken, Biolandwirt, Bad Dürrheim

«Ich überlege mittlerweile, den Bestand an Kühen abzubauen, weil ich das Futter wahrscheinlich bald nicht mehr zusammenbringe», sagt Trütken beim Gang über die Weide hinterm Stall, die erste Risse im Boden und Kahlstellen zeigt. Eine Bewässerung der Wiesen sei viel zu aufwendig, ständig Heu zuzukaufen sei nicht sinnvoll. Und auf Kraftfutter verzichtet der Biohof bewusst. Trütken spricht mit ruhiger Stimme, berichtet sachlich über seine Arbeit. Trotzdem sagt er: «Wenn das jedes Jahr so kommt, wäre das für uns schon bedrohlich.» Der Umgang mit den Klimaveränderungen sei für ihn inzwischen ein Dauerthema: «Ich versuche, vieles zu durchdenken und Dinge umzustellen.» Er beschäftigt sich sehr mit der Auswahl von Sorten, mit Fruchtfolgen, Untersaaten und der Bodenqualität – Themen, die ihm als Biolandwirt ohnehin naheliegen. Er findet, der Klimawandel könne auch Ansporn sein, Dinge besser zu machen.

Eine sommerliche Kuhweise mit Fichtenwald im Hintergrund, vorne im Bild ein junger Mann
Christoph Trütken beobachtet, wo seine Tiere noch Futter finden. Foto: Bernd Schumacher
Ein trockener Boden mit Rissen und Löchern.
Der trockene Weideboden ist kahl und rissig. Den Mäusen gefällt das – dem Landwirt bereitet es Probleme. Foto: Bernd Schumacher
Auf einer vertrockneten Wiese rollt ein Mann Draht für einen Elektrozaun aus.
Eine begrenzte Fläche wird nur für kurze Zeit von vielen Kühen beweidet. Dann versetzt Christoph Trütken die Zäune. Foto: Bernd Schumacher
Ein Zaun trennt eine vertrocknete und eine saftig grüne Wiese.
Nicht alle Futterpflanzen reagieren gleich auf Hitze und Trockenheit. Foto: Bernd Schumacher
Eine sommerliche Kuhweide, im Hintergrund ein Wald
Am Waldrand ist das Gras noch saftiger. Foto: Bernd Schumacher

Steigende Ernterisiken durch Wärme und Wetterextreme

Ohne Veränderungen werde es nicht gehen, meint auch der Geoökologe Claas Nendel: «In Dürrephasen fangen die meisten unserer Ackerkulturen an zu welken oder beginnen mit einer sogenannten Notreife. Als Folge gehen die Erträge in die Knie.» Mit der Notreife versucht zum Beispiel Getreide, trotz Trockenheit seine Körner noch so gut es geht zu entwickeln – infolgedessen schrumpfen diese allerdings.

In einzelnen Fällen könne die Landwirtschaft zwar auch profitieren, sagt Nendel, etwa durch neue Rebsorten im Weinbau. Und die längere Vegetationsperiode, für die die steigenden Temperaturen sorgen, könnte eigentlich positiv für die Bauern sein.

Die Pflanze hat weniger Zeit, Energie in die Frucht zu pumpen.

Claas Nendel, Geoökologe am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung, Müncheberg

Doch das gilt nur, wenn ausreichend Wasser zur Verfügung steht – und selbst dann hat die zunehmende Wärme noch einen problematischen Effekt, erklärt der Geoökologe: Die Pflanzen entwickeln sich schneller. «Dadurch ist zum Beispiel beim Getreide die Kornfüllungsphase kürzer, die Pflanze hat weniger Zeit, Energie in die Frucht zu pumpen, die Körner bleiben kleiner.» Auch ohne Notreife.

Zusätzlich sorgen zunehmende Wetterextreme für Probleme: Hitzetage im Frühjahr können die Pollen zerstören, Stürme und Starkregen zu Verletzungen der Frucht führen, Pflanzen anfälliger für Schädlinge machen und außerdem wertvollen Humus abtragen – was weitere Ernterisiken mit sich bringt.

Grafik zeigt eine Deutschlandkarte mit vielen dunklen Bereichen, die Dürre in den Böden kennzeichnen.
Für August 2020 hat das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in vielen Teilen Deutschlands extreme bis außergewöhnliche Dürren im Gesamtboden ermittelt – auch in Südbaden. Der Oberboden reagiert schneller auf kurzfristigen Niederschlag. Quelle: UFZ-Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung

Südbaden sei von der Trockenheit bisher nicht ganz so stark betroffen wie etwa Brandenburg, bilanziert Nendel, doch die Tendenz zeigte sich auch hier deutlich. Bei der Temperatur dagegen sei der Südwesten oft ganz vorne mit dabei. «Und vor allem im Rheintal wird viel Gemüse angebaut, meist mit Bewässerung», gibt er zu bedenken. «Dabei verlässt man sich stark auf den Grundwasserspiegel.» Auf lange Sicht könne der aber infolge des Klimawandels auch in Südbaden sinken.

Es geht uns um eine nachhaltige Anpassung, die Arten- und Klimaschutz voranbringt.

Andreas Ziermann, Agraringenieur bei der Bodensee-Stiftung, Radolfzell

Auf der Landkarte von «AgriAdapt» liegt Südbaden in der «kontinentalen Klimarisikoregion», der im Winter starke Niederschläge mit Überschwemmungen, im Sommer dagegen Wasserknappheit und Bodenerosionen drohen. Das EU-geförderte Projekt «AgriAdapt» hat anhand von 126 Pilotbetrieben in vier europäischen Ländern untersucht, wie sich die Landwirtschaft sinnvoll und ökologisch an den Klimawandel anpassen lässt. In Deutschland wurde das Projekt von der Bodensee-Stiftung in Radolfzell koordiniert, dort ist der Agraringenieur Andreas Ziermann Projektleiter. «Uns geht es um eine nachhaltige Anpassung, die Arten- und Klimaschutz voranbringt», sagt Ziermann. So sei es zum Beispiel wenig sinnvoll, den Hitzestress der Kühe durch eine stromfressende Klimaanlage im Stall zu bekämpfen.

Biodiversität fördert Abwehrkräfte und Fruchtbarkeit

Freundlichund offen blickender Mann vor dem Hintergrund eines Seeufers.
Andreas Ziermann ist Projektleiter für «AgriAdapt» bei der Bodensee-Stiftung. Foto: Kuhnle + Knödler

Einen wichtigen Schlüssel sieht er im Umgang mit dem Boden. Um mit Hitze und Trockenheit besser zurechtzukommen, sollte der möglichst das ganze Jahr über bedeckt sein. «Liegt der Acker im Hochsommer nach der Getreideernte blank, trocknet er noch mehr aus, es findet keine Photosynthese statt, die Sonnenenergie verpufft.» Besser seien Untersaaten wie Gräser, Klee und Leindotter, die nach der Ernte auf dem Feld weiterwachsen, oder eine Zwischenfrucht, die mit den Bedingungen klarkommt: Die Pflanzen beschatten den Boden, verringern das Risiko von Erosionen. «Außerdem bieten sie Futter für die Nutztiere unter der Erde», wie Ziermann hinzufügt. Also etwa für Asseln, Regenwürmer und Mikroorganismen, die Pflanzen- und Tierreste in wertvollen Humus umwandeln. Der wiederum erhöht die Fruchtbarkeit und speichert Wasser: «Das ist wie ein Schwamm im Boden», erklärt der Agrarexperte.

Bestimmte Pflanzen können zusätzlich die Bodenqualität verbessern – auch auf Viehweiden, wenn der Landwirt zum Beispiel Luzerne und Klee nachsät. Auf den Äckern verringern lange Fruchtfolgen und eine gute Mischung verschiedener Nutzpflanzen das Risiko, dass Wetterextreme gleich die gesamte Ernte schädigen. «Und eine hohe Biodiversität bedeutet ein besseres Immunsystem des Ackers», wie Ziermann erklärt: Nützliche Insekten könnten etwa den Schädlingsdruck senken – und auch der Anbau neuer, wärmeliebender Nutzpflanzen wie etwa Soja sei ein Thema.

Veränderungen dauern in der Landwirtschaft.

Christoph Trütken, Biolandwirt, Bad Dürrheim

Vieles davon versucht Christoph Trütken auf dem Antonihof schon umzusetzen, nicht alles klappt auf Anhieb. Er streift durch sein Dinkelfeld und schaut nach, was aus der Untersaat geworden ist, die er im Frühjahr ausgebracht hat. Das Getreide steht hier fast schulterhoch, es ist gut gediehen. Ein paar Tage Sonne fehlen noch bis zur Ernte, in einem breiten Streifen am Feldrand blühen Kornblumen, Margeriten, Ringelblumen, Mohn, überall summen Insekten. Für den jetzt tief wurzelnden Dinkel stellte die Hitze im Hochsommer kein Problem mehr da, erläutert Trütken. Doch von seiner Untersaat, die er in den noch jungen Dinkel gesät hat und die nach der anstehenden Ernte das Feld bedecken und beschatten sollte, finden sich nur noch einzelne Pflanzen.

Im hochsommerlichen Kornfeld steht ein junger Mann, betrachtet die Ähren.
Der Dinkel ist gut gediehen – die Untersaat, die den Boden nach der Ernte bedecken sollte, allerdings weniger. Foto: Bernd Schumacher
Nahaufnahme der Hände des Bauern, die Dinkelkörner untersuchen.
Christoph Trütken schaut, wie sich die Körner entwickelt haben und ob sie schon erntereif sind. Foto: Bernd Schumacher
Vor einem Kornfeld ein breiter Streifen mit vielen blühenden Blumen.
Der Blühstreifen am Rand freut nicht nur Betrachter, sondern auch Insekten – und fördert die Biodiversität. Foto: Bernd Schumacher
Eine Sojapflanze mit fast reifen Bohnen, nah fotografiert.
Die Sojabohne ist wärmeliebend – sie könnte in Zukunft auch als Nutzpflanze für Landwirte in Süddeutschland attraktiv werden. Foto: Engdao / Adobe Stock
Eine Reihe Linsenpflanzen mit buschigem Wuchs und kleinen Blättern.
Linsen kommen mit Phasen von Trockenheit gut klar – ein Vorteil im Klimawandel. Foto: Mathia Coco / Adobe Stock

Veränderungen dauerten in der Landwirtschaft, sagt Trütken: «Wenn ich einen Fehler gemacht habe, muss ich ein Jahr warten bis zum nächsten Versuch.» Auf dem Antonihof ist trotzdem schon viel passiert: Der Biolandwirt hat eine lange, achtjährige Fruchtfolge etabliert, auf den Feldern wachsen nacheinander zum Beispiel eine Luzerne-Gras-Mischung, Winterweizen, Roggen, Hafer, Dinkel und Triticale (eine Kreuzung aus Roggen und Weizen). Er experimentiert mit Untersaaten, Kompostdüngung und einem sogenannten ganzheitlichen Weidemanagement, das sich am natürlichen Fressverhalten von Rinderherden orientiert: Die Gräser wachsen höher, eine begrenzte Fläche wird für kurze Zeit von vielen Tieren beweidet – und ruht dann wieder.

Viele Chancen für eine nachhaltigere Landwirtschaft

Sich um den Humusgehalt des Bodens zu kümmern, empfiehlt auch Claas Nendel: «Der Effekt von Humusaufbau ist nicht riesig, aber er ist da», bilanziert der Wissenschaftler. Was das genau bedeute, müsse jeder Landwirt aber selbst schauen: «Das ist ganz wichtig – die Anpassungsstrategie muss zum Standort passen.» Der Klimawandel könne außerdem eine Gelegenheit bieten, neue Nutzpflanzen in Südbaden anzubauen, neben Soja zum Beispiel die Linse: «Die macht bei Trockenheit einfach eine Pause und wächst beim nächsten Niederschlag weiter.» Nendel bringt auch Ideen für neue Nutzungsformen ins Spiel – etwa Agrophotovoltaikanlagen, unter denen man mit Ackermaschinen hindurchfahren könne: «Sie erzeugen Strom und beschatten das Feld, und man kann die Fläche trotzdem bewirtschaften.»

Die Anpassungsstrategie muss zum Standort passen.

Claas Nendel, Geoökologe am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung, Müncheberg

Neue Sorten, Humusaufbau im Boden, mehr Artenvielfalt, intelligente Flächennutzung: Die Probleme, die der Klimawandel heute schon bereitet, könnten eine Chance sein für eine innovative und vor allem nachhaltigere Landwirtschaft. Dafür müsste allerdings der weitere Klimawandel gestoppt oder zumindest deutlich gebremst werden: Laut einer diesjährigen Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung werden extreme Dürreperioden in Mitteleuropa voraussichtlich immer häufiger auftreten, wenn die Treibhausgase nicht reduziert werden.

Christoph Trütken engagiert sich auch politisch, er sitzt für eine Umweltliste im Gemeinderat von Bad Dürrheim, bei der vorigen Kommunalwahl holte er die meisten Stimmen. «Das liegt aber nicht an meiner Person», glaubt er, «sondern daran, dass die Leute gut finden, was wir hier machen.» Er selbst hofft, mit dem Antonihof auf dem richtigen Weg zu sein. «Und dass wir alle schnell genug Lösungen finden, um mit dem Klimawandel klarzukommen.»

 

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30. Oktober 2020 | Energiewende-Magazin