50 Jahre «Die Grenzen des Wachstums»
Ein Bericht von Adrian Meyer
Die Studie des «Club of Rome» schockierte 1972 die Welt: Sie warnte vor dem Kollaps unserer Zivilisation, sollte der Mensch seine Lebensweise nicht ändern.
Jørgen Randers wirkt etwas verlegen, als er von der Geschichte des Buches erzählt, das sein Leben bestimmen sollte. Er verdanke es dem Zufall, sagt er, dass er überhaupt daran arbeiten durfte. Der 76-Jährige ist emeritierter Professor für Klimastrategie der «BI Norwegian Business School» in Oslo. Er widmet sich schon sehr lange dem Kampf für eine nachhaltige Welt, seit Jahrzehnten warnt er unermüdlich vor den Gefahren des Klimawandels und der Übernutzung des Planeten. Ohne die Arbeit an dem Buch hätte er diesen Weg sicher nicht eingeschlagen. «Meine Karriere kann man gar nicht wiederholen», sagt Jørgen Randers, «so ungewöhnlich, wie sie zustande kam.»
Der Titel des Buches, das den Lebensweg von Randers begründete, lautet «Die Grenzen des Wachstums – Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit». Dieser wissenschaftlichen Studie gelang vor 50 Jahren etwas Außergewöhnliches: Sie vermochte es, die Welt zu verändern.
Das Cover der deutschen Erstausgabe zierte ein Globus, umschlossen von zwei Hälften einer Eierschale. Zwischen den Buchdeckeln fand sich schließlich eine Warnung, die sofort für enormes Aufsehen sorgte: dass die moderne menschliche Zivilisation, sollte sie weiterleben und wirtschaften wie bisher, in einigen Jahrzehnten auf einen Abgrund zusteuern würde. Auf 200 Seiten, illustriert durch zahlreiche Grafiken, beschrieb «Die Grenzen des Wachstums» in einfacher, allgemeinverständlicher Sprache, dass die aktuelle Wirtschaftsweise sehr bald an ihre natürlichen Grenzen stoßen könnte. Zu diesem Schluss kam ein Forschungsteam am renommierten «Massachusetts Institute of Technology» (MIT), das mit der avanciertesten Computertechnik jener Zeit erstmalig verschiedene Szenarien für die Zukunft modellierte.
Eine schonungslose Prognose
Die Schlussfolgerung war so klar wie heftig: «Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit führt dies zu einem ziemlich raschen und nicht aufhaltbaren Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität.»
Auf einem endlichen Planeten, so die Studie weiter, sei unendliches Wachstum unmöglich. Stattdessen hätte das unweigerlich einen Kollaps zur Folge. Vor 50 Jahren war dies eine schockierende Erkenntnis. Als «Bombe in Taschenbuchformat» bezeichnete «Die Zeit» die Studie. Die Resonanz war riesig: Weltweit besprach man das Buch in den Medien; es verkaufte sich millionenfach und wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Der Titel avancierte binnen kürzester Zeit zum stehenden Begriff. Das Buch befeuerte die Formierung einer globalen Umweltbewegung – und entfachte eine anhaltende Wachstumsdebatte.
50 Jahre später führen uns Klimakrise, schwindender Lebensraum und Artensterben immer deutlicher vor Augen, wie die Menschheit kurz davor steht, ihre Lebensgrundlagen unwiederbringlich zu zerstören. Mehrere Studien haben inzwischen bestätigt, dass die Weltwirtschaft dem «Weiter-so-wie-bisher»-Szenario gefolgt ist, also ausgerechnet demjenigen, vor dem die Studie 1972 so eindringlich warnte. Inzwischen gebe es «überwältigende wissenschaftliche Beweise dafür, dass wir die Welt umgestalten müssen», sagt Johan Rockström, Resilienzforscher und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). «Denn wir stehen heute vor der realen Gefahr, dass wir irreversible Kipppunkte im Erdsystem überschreiten.»
In vielerlei Hinsicht hat sich das Buch als erstaunlich hellsichtige Prophezeiung entpuppt. Man liest «Die Grenzen des Wachstums» heute mit einer gewissen Beklemmung – und ist gleichzeitig beeindruckt vom Weitblick der Autorinnen und Autoren. «Die Zeit» schrieb unlängst, man könne die Studie heute auf zwei Arten lesen: als Ausdruck menschlicher Weisheit und als Erinnerung an unsere Dummheit.
Eine Kette glücklicher Fügungen
Wie das Buch überhaupt das Licht der Welt erblickte, ist eine Geschichte für sich – eine Geschichte vieler glücklicher Fügungen, aus denen letztlich Großes entstand. Dabei kam früh der Zufall ins Spiel, 1970 hatte der 25-Jährige Jørgen Randers gerade sein Studium der Festkörperphysik an der Universität Oslo abgeschlossen und war seit Kurzem Doktorand am MIT. Eines Tages sei er den Flur entlanggelaufen und hätte sich aus reiner Neugier in ein Seminar von Jay Wright Forrester geschlichen. Forrester war ein Pionier der Computertechnik und gilt heute als Begründer der Systemdynamik. Er benutzte als einer der Ersten Computermodelle, um komplexe und dynamische Systeme zu simulieren – wie beispielsweise das menschliche Verhalten in sozialen Systemen. «Er sprach darüber, wie man Mathematik verwenden könne, um soziale Probleme in Städten zu untersuchen», sagt Randers. «Mein Gott, war das interessant!» Ihn begeisterte die Methode so sehr, dass er seinen Forschungsbereich wechselte und sich Forresters Institut anschloss.
Einen Monat später traf sich der «Club of Rome» zu seinem ersten größeren Meeting in Bern. Der Club war damals ein loser Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Philanthropen und Unternehmern. Ins Leben gerufen hatte ihn 1968 der italienische Industrielle Aurelio Peccei, um sich disziplinübergreifend mit den Zukunftsfragen der Menschheit zu befassen. Angesichts der sozialen und technischen Umwälzungen Ende der 1960er-Jahre verband die Clubmitglieder ein diffuses Unbehagen, was den Zustand der Welt und die ungewisse Zukunft der Menschheit anbelangte.
Dem Club of Rome fehlte ein richtiges Projekt, um seine Sorge wissenschaftlich zu untermauern.
Beim Meeting in Bern sollte endlich eine wissenschaftliche Methode gefunden werden, um belastbare Aussagen über die Zukunft der Menschheit treffen zu können. Denn unter den geladenen Gästen befand sich Jay Forrester. Seine Systemdynamik schien den Teilnehmern wie geschaffen, um die aufgeworfenen Fragen der Clubmitglieder wissenschaftlich zu untersuchen. Forresters Ideen begeisterten den Club schließlich so sehr, dass dieser eine Studie bei ihm in Auftrag gab.
Zurück in Boston zog Forrester für das Projekt einen jungen Professor hinzu, den 28-jährigen Wirtschaftswissenschaftler Dennis Lynn Meadows. Dieser versammelte ein Team aus elf Männern und fünf Frauen, darunter seine Frau, die Biophysikerin Donella, sowie der gerade einmal 26-jährige Doktorand Jørgen Randers.
Als erste überhaupt nutzten die MIT-Forscher in ihrem Projekt aufwendige Computersimulationen, um fundierte Szenarien für die Zukunft der Menschheit und der Weltwirtschaft entwickeln und beschreiben zu können. Ihr Computermodell «World3» fütterten sie dabei mit historischen Daten – Daten zu fünf Einflussgrößen, die globale Wirkungen zeitigen: Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Nahrungsmittelproduktion, Ausbeutung nicht erneuerbarer Rohstoffe und Umweltbelastung. Anschließend berechnete ein Großrechner unterschiedliche Szenarien bis ins Jahr 2100. Die meisten davon belegten eindeutig: Früher oder später führt exponentielles materielles Wachstum unweigerlich zum Kollaps des Wirtschaftssystems.
Die Fragilität unserer Lebensgrundlagen
Dem jungen Jørgen Randers öffnete die Arbeit an der Studie die Augen. Nicht nur, weil nun Forscher dank Computern «Gott spielen» konnten, um das Verhalten der Weltgesellschaft und die damit verbundenen Auswirkungen zu simulieren. Auch sein Blick auf den Globus hatte sich schlagartig und radikal verändert: «Zum ersten Mal verstand ich den Planeten als eine Einheit.» Eine Einheit, die deutlich fragiler war als bisher angenommen.
Dieses neue Bewusstsein für unsere so verletzliche, einzigartige Erde verbreitete sich mit der Studie rasant – und löste einen Paradigmenwechsel aus: Nicht länger bedrohte die Natur den Menschen, sondern der Mensch die Natur! Diese neue Sorge um den Planeten fand zur selben Zeit ihr Sinnbild in einem Foto, das zur Ikone der jungen Umweltbewegung werden sollte: die «blaue Murmel». Das Bild zeigt eine vollständig von der Sonne erleuchtete Erdhälfte in nie dagewesener Klarheit. Aufgenommen hatte es die Besatzung der «Apollo 17» auf ihrem Weg zum Mond – nur wenige Monate nach Veröffentlichung der «Grenzen des Wachstums».
Es brodelte in der Gesellschaft.
Die veränderte Sichtweise und eine neue Aufmerksamkeit für die Erde als Gesamtsystem passten gut in die Zeit. Denn ohnehin schienen damals viele Gewissheiten wegzubrechen, insbesondere in den westlichen Industrieländern: Erst hatte die 68er-Bewegung die herrschende Ordnung und das Festhalten an längst überholten Werten infrage gestellt. Nun wuchs auch das Unbehagen darüber, wie rücksichtslos der Mensch mit der Umwelt umging. Nach langen Jahren kontinuierlichen Wirtschaftswachstums, in denen vor allem der Westen einen dauerhaften Boom erlebte, machten sich allmählich die negativen Folgen des Raubbaus an der Natur bemerkbar. «Es brodelte in der Gesellschaft», erklärt die Umwelthistorikerin Melanie Arndt von an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. «Auf einmal sah man mit den eigenen Augen, dass die Flüsse verschmutzt und die Luft dreckig war.»
Ein geschärfter Blick auf die Folgen unseres Wirtschaftens
In Europa gerieten Umweltprobleme insbesondere im «Europäischen Naturschutzjahr 1970» in den Fokus. Diese Kampagne des Europarats gilt als Geburtsstunde der modernen Umweltbewegung. Umweltschutz wurde politisch wie gesellschaftlich zunehmend populär. Schließlich machte die Ölpreiskrise von 1973 allen bewusst, dass fossile Ressourcen nicht unbegrenzt verfügbar sind. Mitten in dieser sozial-ökologischen Gemengelage bewies der Bericht «Die Grenzen des Wachstums», dass ein Zusammenhang zwischen Wachstum und Umwelt existiert. Und dass das lokale Handeln aller Akteure, ob nun im Privaten oder auf Konzernebene, globale Folgen hat. Die Studie sieht Arndt heute als einen der zentralen Treiber der modernen Umweltbewegung – weil sie auf diffuse Sorgen eine publikumswirksame Antwort lieferte. «Sie hat das Bewusstsein für die Umweltproblematik nachhaltig geschärft», sagt sie. «Danach waren Umweltaspekte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kaum mehr wegzudenken.»
«Die Grenzen des Wachstums» zertrümmerte dabei eine Illusion, der die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg in der Zeit des Wirtschaftswunders verfallen waren: dass der Fortschritt ewig dauern und die Zukunft für alle rosig sein würde. Für Ugo Bardi, Rohstoffexperte und Nachhaltigkeitsforscher an der Universität Florenz, ist dies gar der größte Verdienst der Studie: Sie habe daran erinnert, dass in natürlichen wie menschlichen Systemen nicht Stabilität, sondern vielmehr der Wandel die Regel sei. «Der Kollaps», sagt Bardi, «ist Teil unserer Evolution». Lange hätten Ökonomen geglaubt, dass sich die Wirtschaft ständig selbst optimiere und zu einer stabilen Ordnung führe. In Wahrheit sei unser Wirtschaftssystem selbstzerstörerisch. «Es ist zu groß, zu komplex, zu unfair, um stabil bleiben zu können», sagt Bardi. «Das halte ich für die wichtigste Entdeckung der Studie.»
Ein folgenschweres Missverständnis
Dass auf einem endlichen Planeten unendliches materielles Wachstum nicht möglich ist, hielt Jørgen Randers damals für eine banale Erkenntnis: «Ich dachte, das versteht jedes vernünftige Wesen sofort.» Interessanter findet er bis heute eine andere Aussage der Studie: dass die Wirtschaft und die Bevölkerungszahl selbst dann noch exponentiell weiterwachsen würden, wenn die planetaren Grenzen bereits erreicht seien. Und dass der Kollaps erst verzögert eintrete, nachdem der Planet jahrzehntelang übernutzt worden wäre. Die Menschen würden also erst dann realisieren, dass sie etwas ändern müssen, wenn es längst zu spät sei.
Umso eindringlicher warnten daher die Autorinnen und Autoren in «Die Grenzen des Wachstums» vor ebendiesen fatalen Konsequenzen unseres Nichtstuns. Zwar gaben sie offen zu, dass sie von den Aufgaben, die auf die Menschheit warteten, schier «überwältigt» seien. Dennoch waren sie hoffnungsvoll, dass der Mensch eine Gesellschaft schaffen könne, «in der er unbegrenzt auf der Erde leben kann, wenn er sich selbst und seiner Produktion von materiellen Gütern Grenzen setzt». Es seien aber gänzlich neue Vorgehensweisen erforderlich, «um die Menschen auf Ziele auszurichten, die nicht auf weiteres Wachstum, sondern auf Gleichgewichtszustände hinführen».
Hierin liegt wohl das größte Missverständnis der Studie. Sie sprach sich nicht grundsätzlich gegen Wirtschaftswachstum aus, sondern warnte nur vor den Folgen eines physischen Wachstums von Bevölkerungszahl und materiellen Gütern. «Eigentlich argumentierten wir für eine Wirtschaft, die qualitativ und nicht bloß quantitativ wächst», sagt Jørgen Randers. Eine Wirtschaft also, die sich vom Ressourcenverbrauch und der Umweltzerstörung entkoppelt. Heute würde man sagen: eine grüne, nachhaltige Wirtschaft. Dass die Studie das nicht deutlicher formulierte, hält Randers für ihre größte Schwäche: «Die ganze Kritik verbiss sich schließlich darin, dass wir angeblich das Wirtschaftswachstum verbieten wollten.»
Die Wirtschaftsexperten verschrien uns als Kommunisten, die den Fortschritt aufhalten wollten.
Damit war der Boden bereitet für eine bis heute anhaltende Debatte über wirtschaftliches Wachstum. Gleich nach der Veröffentlichung zog die Studie den Spott und Zorn von Ökonomen und Politikern auf sich. Die «New York Times» etwa beschrieb das Buch als «leeres und irreführendes Werk», das die Rolle des technologischen Fortschritts völlig unterschätze. Die Computermodelle seien zu simpel und unwissenschaftlich. Die Zeitung bezichtigte die Autorinnen und Autoren einer versteckten Agenda, um das «Wachstum im Keim zu ersticken». «Die Wirtschaftsexperten verschrien uns als Kommunisten, die den Fortschritt aufhalten wollten», sagt Randers. Von den meisten Kommentatoren wurde die Studie als Hirngespinst einiger Weltuntergangs-Propheten abgetan, die außer Acht ließe, wozu der Mensch dank des technologischen Fortschritts fähig sei. Ohne diese abfällige Kritik, glaubt Randers, hätte das Buch aber auch keinen solchen Erfolg gehabt. «Ich dachte sogar, die Studie würde keinerlei Wirkung entfalten.»
50 Jahre danach: Waren die Warnungen umsonst?
Das Bewusstsein für ein Problem zu schärfen, ist das eine. Das Problem zu bekämpfen, das andere. Das sagt Dennis Meadows, wenn man ihn nach der Wirkung seiner Studie fragt. Ein Gespräch mit dem 80-jährigen Hauptautor von «Die Grenzen des Wachstums» lässt einen ernüchtert zurück. Meadows ist zynisch geworden, wie er offen zugibt. Ja, das Buch habe symbolische Wirkung entfaltet und eine globale Umweltbewegung mobilisiert. Aber ihre Lebensweise hätten die Menschen eben nicht im Geringsten geändert. «Wir verfolgen weiterhin den Pfad des materiellen Wachstums, obwohl die Fähigkeit der Umwelt, sich zu regenerieren, längst überschritten ist.»
Grünes Wachstum ist ein Widerspruch in sich.
Das Buch habe die Menschheit vor 50 Jahren vor die Wahl gestellt: «Wollen wir auf diese Achterbahn aufsteigen? Oder lassen wir es?» Man hätte sich eben für die Achterbahnfahrt entschieden. Andererseits: Wer könne schon erwarten, dass Milliarden von Menschen ihr Verhalten wegen eines einzigen Buchs ändern würden? Ohnehin hält Meadows mittlerweile die damaligen Appelle für irrelevant. Vor 50 Jahren sei es noch möglich gewesen, die Weltwirtschaft auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen, sodass sie keine planetaren Grenzen sprenge. «Aber heute stellt Nachhaltigkeit keine Option mehr dar. Dafür ist es schlicht zu spät.» Bereits zu lange habe der Mensch den Planeten übernutzt. Den Klimawandel sieht Meadows dabei nicht als Problem, sondern als Symptom der menschlichen Wachstumssucht. Und die lasse sich auch durch grünes Wachstum nicht mindern. «Grünes Wachstum ist ein Widerspruch in sich.»
Meadows plädiert dafür, endlich der Realität ins Auge zu blicken: «Wir müssen dringend unsere Widerstandsfähigkeit für den phänomenalen Wandel der nächsten Jahrhunderte stärken.» Die Menschheit werde überleben. Aber nicht der Lebensstil der heutigen Zivilisation, der auf hoher Energieintensität und riesigen Materialflüssen basiere. Ob Mayas, Azteken oder Römer: Dass Zivilisationen aufstiegen und untergingen, sei in der Geschichte die Regel. «Warum sollte es bei uns anders sein?»
Es gilt, unser Bewusstsein in tatsächliche Handlungen zu überführen.
Sich fatalistisch in den Untergang zu fügen, kann verlockend sein, wenn man «Die Grenzen des Wachstums» heute noch einmal liest. So viele Jahre der Appelle, des Warnens – umsonst? Diesem Impuls müsse man widerstehen, sagt Mojib Latif. Er ist Präsident der «Deutschen Gesellschaft Club of Rome» und einer der renommiertesten Klimaforscher Deutschlands. Es gäbe für ihn natürlich genügend Gründe, pessimistisch in die Zukunft zu schauen. Genau darin sieht er aber das Problem: Die ganze Zeit spreche man darüber, wie die Menschheit den Planeten an die Wand fährt, aber kaum davon, dass es Wege in eine positive Zukunft gibt.
Gemahnt und aufgerüttelt habe man in den vergangenen Jahrzehnten genug. Die meisten Menschen wüssten, dass sich dringend etwas ändern muss. Dazu habe das Buch entschieden beigetragen. «Jetzt gilt es, dieses Bewusstsein in tatsächliche Handlungen zu überführen», so Latif. Den Schlüssel für einen gesellschaftlichen Wandel sieht er in neuen Erzählungen von der Zukunft, in positiven Zukunftsbildern und Lösungsansätzen, die auf das Gesamtsystem zielen. Solange er die Kraft habe, sagt Latif, wolle er von diesen Zielen erzählen und für sie kämpfen.
Was tun? Diese Frage ist heute alles andere als aus der Zeit gefallen, sondern so drängend wie vor fünfzig Jahren. Die Antworten darauf kennen wir längst. Der Resilienzforscher Johan Rockström fasst sie wie folgt zusammen: Es gelte, Gesellschaften und Volkswirtschaften bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen umzustellen, den Raubbau an der Natur und den Verlust der Biodiversität zu stoppen sowie die Wirtschaft auf einen zirkulären Modus umzustellen, der die Ressourcen innerhalb der planetarischen Grenzen effizient verwaltet. «Das sind die einzigen Möglichkeiten, angesichts eines planetaren Notstands größere Auswirkungen auf die Menschen, soziale Instabilität und einen Niedergang der Wirtschaft zu vermeiden.» Genügend Wissen und die geeigneten Werkzeuge für eine solche Zukunft besäße die Menschheit eigentlich. Was wir darüber hinaus benötigen, lässt sich in «Die Grenzen des Wachstums» nachlesen: ein «außergewöhnliches Maß von Verständnis, Vorstellungskraft und politischen und moralischen Mut».
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50 Jahre «Die Grenzen des Wachstums» – Fünf Fragen an «Fridays für Future»
Wie aktuell ist der Bericht des Club of Rome heute, in Zeiten der Klimakrise? Die Redaktion befragte Fridays-for-Future-Sprecherin Merit Willemer.
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Themenheft: Zeit zum Handeln
Mit Solidarität und gesamtgesellschaftlicher Entschlossenheit kann es immer noch gelingen, in der Klimakrise gegenzusteuern – doch wo beginnen?