Wer macht was mit Ihrem Geld?
Ein Bericht von Tom Jost
«Gesellschaftliche Veränderung am Beispiel der Bankenlandschaft». Vortrag von Thomas Jorberg beim 16. Schönauer Stromseminar 2015
Der Bankenbereich wird, so wie man ihn als Kunde wahrnimmt, in zehn Jahren komplett anders aussehen. Dafür sorgen staatliche Regulierungen, fortschreitende Digitalisierung und nicht zuletzt die weiter anhaltende Niedrigzins-Situation. Aber wird sich auch das Banken- und Kreditsystem in eine gesellschaftlich wünschenswerte bessere Zukunft transformieren lassen? Notwendig sei dies zweifellos, erläuterte Thomas Jorberg, Vorstand der sozial-ökologischen GLS-Bank, beim 16. Schönauer Stromseminar 2015.
Die Banken werden in Zukunft de facto verstaatlicht sein
Spannende Frage: Was hat sich eigentlich seit der internationalen Finanzkrise 2008/09 - vielleicht sogar zum Guten - verändert? Nicht wirklich viel, stellt Jorberg gleich zu Beginn seines Vortrages fest. Ungeachtet der Tatsache, dass die Bankenlandschaft bisher rund 170 Milliarden Dollar an Strafen habe zahlen müssen - «es wird nach wie vor spekuliert, getrickst und manipuliert. Der Finanzmarkt bewegt sich ethisch und teilweise auch juristisch jenseits der Grenze.» Zwar seien inzwischen einige richtige und sinnvolle Gegenmaßnahmen getroffen worden. Doch hätten die Regierungen den Bankenbereich mit Regulierungen geradezu überschüttet. Jeder Kredit ab 25.000 Euro müsse beispielsweise mit 105 Kenndaten erfasst und gemeldet werden. «In drei Jahren werden die Banken de facto verstaatlicht sein und in Selbstständigkeit fortgeführt werden», unkt Jorberg, «aber am Kern des Systems hat man nicht wirklich etwas geändert.»
In der Digitalisierung der Zahlungsprozesse sieht der Bochumer Banker eine weitere Herausforderung. Internet-Banking und mobiles Bezahlen werde gegenwärtig mit Verve dort entwickelt, wo die üblichen Infrastrukturen fehlten. Die Bankenwelt von morgen entstünde gerade in Afrika und Südamerika. Als eine der Folgen würden Bankfilialen - so, wie sie heute sind - künftig nicht mehr benötigt.
Mag man solche Entwicklungen vielleicht noch als logische Folge nachvollziehen, stellt die weltweite Geldschwemme das bisherige Denken auf den Kopf. Noch vor Kurzem war es undenkbar, dass jemand sein Geld trotz negativer Zinsen bei Zentralbanken und Regierungen deponieren würde. Jetzt ist es Realität. Dafür werde nicht mehr dort investiert, wo es gesellschaftlich notwendig sei - in Soziales, Bildung und Infrastruktur.
Die Steigerung von Immobilienpreisen ist nichts anderes als Geldentwertung.
Wirtschafts- und Finanzsysteme teilen offenbar dieselbe Schwäche: «Sie sind auf die Bekämpfung von Knappheit ausgerichtet und darin erfolgreich. Aber mit Überfluss umgehen können sie nicht.» Und das habe vermutlich Folgen. «Solange der Glaube vorhanden ist, mit dem Preis steige auch der Wert einer Immobilie, ist die Wahrscheinlichkeit des nächsten Kollapses groß.» Man brauche eine Entwicklung, die das alte System im Geldbereich ablöse. Dazu gehörten auch andere Rendite-Erwartungen.
Stiften und Schenken: eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit
Was er einem Hochvermögenden rate, damit dieser wieder Zinsen bekomme? - «Verschenke die Hälfte deines Vermögens, dann wird die Wahrscheinlichkeit auf Zinsen auch wieder höher. Das ist pures marktwirtschaftliches Kalkül.» Ohnehin werde die Frage des vermehrten Stiftens und Schenkens immer stärker zu einer volkswirtschaftlichen Notwendigkeit. «Und wenn das nicht freiwillig passiert, muss man die Zwangsschenkung hinzuziehen - das ist die Steuer.» Unausgesprochen hängt da plötzlich die Vermögenssteuer im Raum, vielleicht auch eine andere Erbschaftssteuer, wer weiß.
Und was passiert mit den Bank-Filialen, die ja für die Kundschaft im Regelfall nicht nur Orte des Zahlungsbetriebes sind, sondern auch soziale Räume? Soll man sie schließen - oder ihnen einen ganz anderen Wert geben? In ihren bundesweit sieben Filialen lade die GLS-Bank pro Jahr zu mehr als 500 Veranstaltungen mit Kunden. Darin sei sehr selten Geld das Thema, sagt Thomas Jorberg. Viel eher werde dort diskutiert, wie man leben wolle. Und wie man die Mittel so einsetze, dass damit die wünschenswerten und nötigen Dinge finanziert werden. Die Bank auch als Ort, wo man darüber nachdenken könne, welches System denn das richtige sei, um die heutigen Aufgaben zu lösen.
Was macht wer mit unserem Geld?
Zum Schluss eine rhetorische Frage ans Publikum: «Wissen Sie, wer genau in diesem Moment was mit Ihrem Geld macht? Dann rate ich Ihnen, mal am Montag nachzufragen. Das wissen die Bankberater auch nicht. Aber es wäre schon viel geholfen, sie würden zumindest einmal am Tag diese Frage gestellt bekommen.»
Thomas Jorberg ist 1957 im fränkischen Rothenburg ob der Tauber geboren, siedelte mit den Eltern aber bald nach Stuttgart um. Sein Wirtschaftsstudium beendete er in Bochum, wo er 1986 seine Tätigkeit bei der GLS-Bank begann. Seit 1993 ist er dort Vorstand, seit 2003 als Vorstandssprecher tätig. Jorberg ist verheiratet und hat zwei Kinder.