Sonnige Aussichten Für Fröhnd
Ein Bericht von Stephan Günther
In einer kleinen Gemeinde im Südschwarzwald ist ein neuer Solarpark in Betrieb gegangen. Davon profitieren das Klima, die Umwelt – und die Bürgerschaft.
Gäbe es ein Ranking der steilsten Solarparks Deutschlands, nähme der gerade fertiggestellte Solarpark Fröhnd mit seiner Neigung von bis zu 32 Grad wohl eine Spitzenposition ein. Doch nicht nur wegen seiner exponierten Lage zieht der EWS-Solarpark allerhand Aufmerksamkeit auf sich, denn auch sein Erscheinungsbild beeindruckt: Aus der Ferne sieht es so aus, als habe es sich eine Riesenechse auf dem Berghang bequem gemacht, um ihren schuppigen Körper in der Sonne zu wärmen. Oder als habe die berüchtigte Schildkrötenformation der römischen Legionen hier Stellung bezogen, die sich sonst Asterix und Obelix entgegenstellt. Doch wie auch immer man den Anblick interpretieren mag: Die insgesamt 7.200 Solarmodule, die sich von einer kleinen Hochebene den Steilhang hinab erstrecken, zeichnen ein imposantes Bild in die Schwarzwaldlandschaft.
So außergewöhnlich wie das Erscheinungsbild ist auch die Entstehungsgeschichte des Solarparks. Sie erzählt davon, wie sich eine kleine Gemeinde im Schwarzwald für den Ausbau Erneuerbarer Energien entscheidet und dabei konsequent auf die Einbeziehung der Bürgerschaft sowie auf demokratische Prozesse setzt – und wie sie zudem den Ausweg aus ihrer finanziellen Notlage finden konnte.
Ein engagierter Bürgermeister gibt den Anstoß
Am Anfang der Geschichte stand eine simple Frage: Ob die abwechslungsreiche Topografie der Gemeinde Fröhnd wohl Chancen für die Erzeugung von Erneuerbaren Energien bieten könne? Das trieb 2021 den Bürgermeister der kleinen Gemeinde um. Und so trat Michael Engesser, zugleich selbstständiger Gipser- und Stuckateurmeister, zunächst an die EWS heran und erkundigte sich, ob die benachbarten Ökostromer daran interessiert wären, einen Solarpark in Fröhnd zu errichten. Selbstverständlich seien sie das, antworteten die Stromrebellen, sofern es denn auf der Gemeindefläche einen geeigneten Standort gebe. Umgehend machte sich Engesser auf die Suche nach einem tauglichen Flecken auf dem Gemeindegebiet, der sich für die Produktion von Sonnenstrom eignen könnte.
Wer jetzt denkt, ein Bürgermeister müsse seinen Ort doch kennen, zumal einen mit nur knapp 500 Einwohnerinnen und Einwohnern, der kennt Fröhnd nicht. Denn Fröhnd gibt es genau genommen gar nicht, sondern nur seine neun Ortsteile, von denen auf der einen Talseite Unterkastel, Kastel, Hof mit der Wüstung Tanne, Ittenschwand, Ober- und Niederhepschingen liegen und auf der anderen Künaberg, Holz mit Vorderholz und Hinterholz sowie Stutz.
Als ich da oben stand, war mir klar: Das ist genau das, wonach ich suchte.
Dazwischen gibt es viel Wald, viele Wiesen und ein ständiges Auf und Ab. Einige Teile von Fröhnd liegen auf 500, andere auf 1.200 Metern Höhe. Insgesamt erstreckt sich das alles über eine Fläche von stolzen 1.619 Hektar.
Anfang 2021 nahm sich Engesser im Geoportal des Landkreises Lörrach die Flurstücke im Gemeindegebiet vor, um einen möglichen Standort zu finden. «Ich wusste ja, wonach ich suchen musste», erinnert er sich, «es sollte eine exponierte Fläche mit guter Sonneneinstrahlung sein, die weder für die Landwirtschaft noch für den Naturschutz von Bedeutung ist.» Mit einem farnbedeckten Hang am Rande der Gemarkung entdeckte der Bürgermeister bald einen vielversprechenden Standort, der ökologisch durch einen Eingriff nur gewinnen konnte und zugleich in keinerlei Konkurrenz zu der landwirtschaftlichen Nutzung stand.
Engesser hatte ein gutes Gespür. Denn genau an dieser Stelle, südöstlich des Ortsteils Oberhepschingen gelegen, ist die Anlage inzwischen errichtet worden und wird mindestens bis zur Jahrhundertmitte Strom für rund 1.550 Haushalte erzeugen – weit mehr, als die Bürgerschaft von Fröhnd benötigt. Der Solarpark mit einer Gesamtleistung von 4,2 Megawatt (MWp) wird im Vergleich zum allgemeinen deutschen Strommix 2022 1.700 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen.
Zudem kann der Biotopwert der überbauten Fläche sogar steigen: Neben Rückzugs- und Nistplätzen für Reptilien, Vögel und Fledermäuse sollen insgesamt 3,75 Hektar Schafweide zwischen und neben den Modulen bereitstehen, weiterhin wird der Randstreifen mit seinen Kraut- und Halbstrauchpflanzen sowie ein Offenlandbiotop erhalten und gepflegt. Insofern ist der Solarpark ein eindrucksvoller Gewinn für Energiewende, Klimaschutz und Natur. Aber ist er es auch für Fröhnd?
Die Gemeinde stand von Anfang an hinter dem Projekt.
Neben den günstigen Standorteigenschaften war für Lena Kircheisen, EWS-Projektleiterin für den Solarpark, die Zustimmung der Bürgerschaft ausschlaggebend für eine erfolgreiche Entwicklung des Vorhabens. «Letztlich stand der Gemeinderat immer geschlossen hinter dem Projekt. Und die wenigen kritischen Stimmen wurden gehört und ausgiebig in die Diskussion einbezogen.» Für den gesamten Ablauf von der Planung bis zur Genehmigung gilt eine solche Unterstützung der Gemeindebehörden als wichtige Voraussetzung. «Um eine große Anlage bauen zu können, muss der Bebauungs- und der Flächennutzungsplan geändert werden», so Kircheisen, «und das geschieht auf kommunaler Ebene.»
Bürgerschaftlicher Rückhalt für die Energiewende
Doch solcherlei Rückendeckung kommt nicht aus dem Nichts. Gerade weil der Ausbau der Erneuerbaren in manchen Teilen des Schwarzwalds umstritten ist und insbesondere Windparks teils vehement abgelehnt werden, wollten die Energiewendebefürworter in Fröhnd auf demokratischem Wege eine sichere Entscheidungsgrundlage für den Bau von EE-Anlagen schaffen. Für die Verpachtung gemeindeeigener Flächen an die Betreiber von Windparks initiierten sie daher Anfang Dezember 2022 eine Bürgerbefragung. Bei einer Wahlbeteiligung von 82 Prozent fiel das Ergebnis mit 54 Prozent Ja-Stimmen zwar knapp aus, doch seitdem sind Windparks auf den Anhöhen der Gemeinde beschlossene Sache.
Wenige Wochen nach der Abstimmung unterschrieben Bürgermeister Michael Engesser und Tobias Tusch, als Geschäftsführer der EWS Energie GmbH für den Bau von Windparks verantwortlich, einen Grundstücksnutzungsvertrag für die Planung, die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen auf Fröhnder Gemeindeflächen. Auch der Projektierer eines weiteren geplanten Windparks will auf Fröhnder Gemarkung bauen und hat einen ähnlichen Vertrag mit der Gemeinde abgeschlossen. Demokratisch legitimiert sind diese Vereinbarungen sowohl durch die Bürgerbefragung als auch durch den darauffolgenden Ratsbeschluss.
Die Bürgerinnen und Bürger wurden nur zu den geplanten Windparks befragt – doch damit war für den Bürgermeister zugleich eine solide Basis für weitere EE-Projekte gelegt, über die der Gemeinderat zu entscheiden haben würde. Denn die Kommunalverantwortlichen der Fröhnder Ortsteile konnten nun davon ausgehen, dass die Menschen in der Gemeinde mehrheitlich den Ausbau der Erneuerbaren befürworten. «Ohne die Gewissheit, die Gemeinde hinter den Entscheidungen zu wissen, wollte ich die Projekte nicht anschieben», betont Engesser. «Der Prozess erfordert viel Arbeit sowie die Bereitschaft, sich in die Thematik einzuarbeiten, und am Ende auch viel Überzeugungskraft. Aber schließlich hat es sich gelohnt, weil der Gemeinderat und auch die Fröhnder Bürgerschaft zu den Entscheidungen stehen.»
Solch hoher Aufwand kommt häufig auf politische Mandatsträger zu, insbesondere auf die ehrenamtlich tätigen Gemeinderäte, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien forcieren möchten. Manchmal würden die Gemeinden geradezu naiv in dieses Thema schlittern, sagt Rolf Pfeifer von «Endura Kommunal», einer Freiburger Beratungsfirma, die Kommunen insbesondere bei Windprojekten unterstützt. «Unsere erste Aufgabe ist es oft, die Gemeinderäte und die städtischen Mitarbeitenden mit den vielfältigen Themen vertraut zu machen. Sie entscheiden ja häufig über Projekte in Größenordnungen von mehreren Millionen Euro, teils sogar über zweistellige Millionenbeträge. Wenn dann die falschen Entscheidungen getroffen werden, können der Gemeinde hohe Pacht- und Steuereinnahmen verloren gehen.»
Erneuerbare schaffen finanzielle Spielräume
In Fröhnd war die klamme Gemeindekasse – neben dem Klimaschutz – ein weiteres wichtiges Argument für die kommunale Energiewende. «Vor ein paar Jahren noch haben wir immer wieder blaue Briefe von der Gemeindeaufsicht erhalten», berichtet Michael Engesser, «die finanzielle Situation der Kommune war besorgniserregend.» So stand die Gemeinde – wie viele andere Orte ohne nennenswerte Gewerbesteuereinnahmen – immer häufiger vor dem Problem, die Infrastruktur nicht mehr aufrechterhalten zu können, weil das Geld für die Instandhaltung der Straßen, Kanäle oder Gebäude fehlte.
Vor allem die Wasserversorgung hat dem Fröhnder Gemeinderat in den vergangenen Jahren immer wieder Kopfzerbrechen bereitet. Die weit voneinander entfernten Ortsteile und die unterschiedliche Höhenlage der Siedlungen machen Bau und Betrieb der Wassernetze kompliziert und teuer. Die Gemeinde muss allein acht Hochbehälter unterhalten, das entspricht im Schnitt einem Wasserspeicher für 62 Menschen.
Wir wollen Vorteile nutzen und Nachteile ausgleichen.
Mit den zu erwartenden Pachteinnahmen für die Wind- und Solarparks will die Gemeinde künftig die kommunalen Wasserpreise senken. Die Bürgerinnen und Bürger sollen so auch unmittelbar von den neuen finanziellen Möglichkeiten profitieren. «Unsere besondere Topografie bringt Vor- und Nachteile mit sich», sagt Bürgermeister Engesser, «aber wir nutzen die Vorteile, um die Nachteile auszugleichen. Wir können hier oben Wind- und Sonnenenergie erzeugen, das ist in städtischen Regionen und in Tieflagen nicht oder oft nur eingeschränkt möglich. Der Gemeinderat und viele unserer Bürgerinnen und Bürger haben erkannt, dass darin eine große Chance für Fröhnd liegt.»
Auch die Studie «Energising EU-Cohesion» der Bertelsmann Stiftung von 2023 belegt, dass gerade Gemeinden in ländlichen, zugleich oftmals auch strukturschwachen Gebieten besonders von einer kommunalen Energiewende profitieren. Die Studie kommt zu dem Ergebnis: Eine vollständige Umstellung auf Erneuerbare schaffe in ländlichen Regionen bis zu 4,9 Prozent mehr Arbeitsplätze und bis zu 1.570 Euro mehr Wertschöpfung pro Kopf bis 2050. Dies sorge für mehr Ausgeglichenheit zwischen den Regionen in Europa und stärke den wirtschaftlichen Zusammenhalt.
Energie sparen – und Möglichkeiten eröffnen
Doch nicht nur auf der Einnahmeseite helfen die Erneuerbaren, die Gemeindekassen zu sanieren: Auch Ausgaben lassen sich mit ihnen reduzieren. So wird gerade die Fröhnder Gemeindehalle saniert, in der künftig neben der Rathausverwaltung auch die Bürgerhilfe, ein Seniorentreff sowie die Freiwillige Feuerwehr unterkommen werden. Das marode Gebäude wollte man ursprünglich abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Doch als erste Amtshandlung erwirkte Bürgermeister Engesser nach seiner Wahl im November 2020, dass die Halle saniert wird – auch energetisch. Das Gebäude erhält jetzt einen Vollwärmeschutz und im Zuge der Dachsanierung eine 60-Kilowatt-Peak-Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher. In Zukunft werden damit die Heizkosten deutlich reduziert und der benötigte Strom selbst erzeugt. Für die Fröhnder symbolisiert die sanierte Gemeindehalle so schon bald den erfolgreich eingeschlagenen Weg zur kommunalen Energiewende. Denn hier wird gleichermaßen Energie gespart wie produziert – und zudem ein Ort geschaffen, der das Gemeindeleben bereichert.
Und oben auf den Anhöhen liefert die Sonne und bald zusätzlich der Wind sauberen Ökostrom. Dazu kommen mit den Pachteinnahmen auch die nötigen Mittel für günstiges Trinkwasser und eine bestens ausgestattete Feuerwehr. Der Bürgermeister ist mehr denn je überzeugt, dass die Erzeugung regenerativer Energien für ländliche Gemeinden wie Fröhnd eine große Chance darstellt. «Dort oben steht zwar ein EWS-Solarpark», betont Michael Engesser, der sich regelmäßig ein Bild von den Baufortschritten machte, «aber für mich ist es auch der ‹Fröhnder Solarpark›. Denn er hilft uns allen!»
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