Sonnenstrom im Direktverkauf
Ein Bericht von Robert Goldbach
Die EWS werden künftig von einer bayerischen Genossenschaft mit Sonnenstrom beliefert – ein Meilenstein für die Bürgerenergiewende.
Ein warmer Aprilmittag im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn. Die Sonne scheint, als Christoph Strasser, Geschäftsführer von «MaxSolar», das Tor zum Gelände des Solarparks Unterdietfurt aufschließt – und das ist für einen Photovoltaikingenieur ja immer ein doppelter Grund zur Freude. Die 15.000 PV-Module auf dem lang gestreckten Areal dahinter erzeugen jetzt gerade 4,3 Megawatt Strom, die mithilfe der 49 Wechselrichter ins Netz eingespeist werden. «Für mich ein rundum gelungenes Projekt», erzählt Bauherr Strasser. «Einige meinten, dass ein Solarpark auf derart unebenem Gelände nicht zu realisieren wäre. Aber das war technisch kein Problem – und für mich macht es gerade den Charme der Anlage aus, wie sie sich so in die Landschaft einfügt und mit der Topografie mitfließt.»
Mit der erzeugten Strommenge können rechnerisch jährlich 1.300 Haushalte versorgt werden; verglichen mit der Energiegewinnung aus Kohle werden 2.300 Tonnen CO2 eingespart. Doch die eigentliche Besonderheit des Solarparks liegt nicht in seinem Erscheinungsbild, sondern darin, was mit dem erzeugten Strom geschieht: Erstmals haben mit der EGIS und den EWS zwei Genossenschaften eine direkte Vereinbarung über den Ankauf von Solarstrom getroffen – so soll die Anlage nun ganz ohne EEG-Förderung wirtschaftlich arbeiten.
Zwei, die sich gefunden haben
Für die EnergieGenossenschaft Inn-Salzach, die den Solarpark in Unterdietfurt nach dem Netzanschluss im Oktober 2019 von MaxSolar übernahm, ist es bereits die sechste Freiflächenanlage. Die rund 1.000 Mitglieder starke Genossenschaft hat sich der Förderung der Erneuerbaren verschrieben und realisiert regionale Solar- und Windkraftprojekte. Normalerweise werden die erzeugten Strommengen ihrer Anlagen durch die Ausschreibungen der Bundesnetzagentur vergütet.
Bei diesem Projekt ging man jetzt neue Wege: Seit April 2020 fließt der Strom der Anlage ins Portfolio der EWS. Dazu schlossen die beiden Genossenschaften einen Stromkaufvertrag beziehungsweise «Power Purchase Agreement», kurz PPA. Die Partner betreten damit – zumindest in Deutschland – energiepolitisches Neuland. Statt die EEG-Förderung in Anspruch zu nehmen und den Strom an der Börse zu handeln, hat man sich per PPA für fünf Jahre auf einen festen Handelspreis geeinigt. Stromerzeugung wie -vermarktung liegen bei diesem Arrangement allein in Bürgerhand, realisiert und finanziert durch Genossenschaftsanteile.
«Power Purchase Agreement» (PPA)
Das «Power Purchase Agreement» (PPA), etwa mit «Stromkaufvertrag» übersetzbar, wird zwischen einem Stromerzeuger und einem Abnehmer (meist ein Stromhändler oder -verbraucher) geschlossen. Der Vorteil liegt für beide Parteien darin, langfristig Planbarkeit zu schaffen und sich nicht von schwankenden Marktbedingungen abhängig zu machen. Mit dem Auslaufen der EEG-Förderung für viele Anlagen in 2021 wird auch in der EU mit einer verstärkten Anwendung von PPAs gerechnet.
Sowohl die EWS wie auch die EGIS sind hochzufrieden mit diesem Arrangement. «Als die Umsetzung des Bauvorhabens konkret wurde, war uns schnell klar, dass das Projekt für unsere Genossenschaft interessant ist», erzählt EGIS-Vorstandsvorsitzender Pascal Lang. «Zum einen liegt der Park praktisch direkt bei uns vor der Haustür. Und allzu viele Freiflächen-Solarparks werden in unserer recht dicht besiedelten Region ja auch nicht gebaut. Auf der anderen Seite war es eine finanzielle Frage: Wir hätten die Übernahme und die laufenden Kosten abgedeckt bekommen, aber die Rendite war nicht sonderlich vielversprechend. Wir wollen ja unseren Mitgliedern auch Sicherheit und eine Dividende bieten. Vor dem Hintergrund haben wir beschlossen: Wir versuchen es mit einem PPA.»
Bei einer Branchenveranstaltung in Berlin kam die bayerische Energiegenossenschaft in Kontakt mit den Kollegen aus Schönau – wo man ohnehin vorhatte, das Instrument des direkten Stromkaufs einmal selbst in die Praxis umzusetzen. «Wir sind immer auf der Suche nach in Deutschland erzeugtem Ökostrom», erläutert Luis Pfeiffer, bei den EWS Schönau für das Projekt zuständig.
Mit einem PPA können auch kleinere Akteure die Erneuerbaren voranbringen.
Aktuell muss der Strom aus Erneuerbaren, der durch das EEG gefördert wird, direkt an der Strombörse vermarktet werden. Um nachweislich Ökostrom verkaufen zu können, ist es notwendig, ihn mit einem Herkunftsnachweis zu versehen – was für EEG-vergüteten Strom aber nicht möglich ist. Der hat ja seine grüne Herkunft bereits durch die Förderung bestätigt bekommen und darf nicht erneut als Ökostrom vermarktet werden. «Wenn wir den Strom aus diesem System herauskaufen, können wir regional erzeugte Sonnenenergie anbieten und das auch mit Herkunftsnachweisen belegen», so Pfeiffer. «Uns ist diese Transparenz sehr wichtig. Und unserer Einschätzung nach gestaltet sich die Marktlage mittlerweile so, dass man diese Art von Handel auch ohne EEG wirtschaftlich betreiben kann.»
Neue Möglichkeiten auf dem Energiemarkt
Während zum Beispiel in den Vereinigten Staaten PPAs bereits weitverbreitet sind, steht diese Praxis in der EU – wo die Energiewende lange Zeit mit Fördergeldern vorangetrieben wurde – erst am Anfang. Aufgrund der Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dürften PPAs jedoch bald eine größere Rolle spielen: Das EEG hatte seit seiner Einführung im Jahr 2000 eine vorrangige Einspeisung von ökologisch erzeugtem Strom gewährleistet und vergütete diesen für einen Zeitraum von zwanzig Jahren zum festen Marktpreis. Daher werden ab Anfang 2021 immer mehr Windkraft- und Solaranlagen aus dieser Zuwendung herausfallen.
Für die betroffenen Altanlagen wird es sich kaum rentieren, den Strom an der Börse zu handeln – die voraussichtlichen Erlöse würden gerade einmal die laufenden Kosten decken. Für einen Betreiber ist es daher äußerst attraktiv, den erzeugten Strom zu fixen Konditionen direkt verkaufen zu können. Und der Abnehmer erhält im Gegenzug die Sicherheit, garantiert sauberen Strom zu beziehen und mit einem Festpreis kalkulieren zu können.
Das PPA wird sicher eine wichtige Rolle für den Energiemarkt Spielen.
Eine weitere zukunftsträchtige Einsatzmöglichkeit für PPAs ist auch die Errichtung neuer Anlagen – ganz unabhängig von Großprojektierern und zudem unbelastet von den strikten regulatorischen Rahmenbedingungen der Gesetzgebung des EEG. Damit entfällt auch die Teilnahme an den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur, was eben auch kleine Akteure wie lokale Genossenschaften in die Lage versetzt, größere Wind- und Solaranlagen zu errichten. Pascal Lang erläutert dazu: «Die bisher bestehenden Regeln bevorzugen eher die größeren Player des Energiegeschäfts. Mit einer Absicherung per PPA jedoch können künftig auch kleinere Betreiber Anlagen errichten oder deutlich leichter an Kredite kommen.»
Bürgerbeteiligung fördert Akzeptanz
Was in der Theorie einleuchtet, muss sich nun in der Praxis beweisen. «Jeder spricht von PPAs, aber die wenigsten haben es gemacht», erzählt Christoph Strasser. MaxSolar gehört zu den wenigen Unternehmen, die mit diesem Modell vorangegangen sind. Der Solarpark Unterdietfurt sei bereits ihr zweites Projekt, das mit PPA-Vergütung betrieben wird. Die Anlage wurde für den Anfang bewusst klein gehalten: «Wir wollten erst mal lernen und das Ganze in Dimensionen halten, wie sie für kleine, dezentrale Bürgerbeteiligungsprojekte typisch sind. Also nicht gleich 100 Megawatt installieren, wie es ein Großinvestor täte, sondern erst mal zwei oder drei.»
Den Unterschied zwischen reinen Renditeprojekten und einer bürgergetragenen, kommunalen Anlage hebt Strasser besonders hervor: «Der überschaubare Flächenverbrauch und die Möglichkeit der Beteiligung sind zwei Aspekte, die für die Akzeptanz bei der Bevölkerung wichtig sind. So wissen die Menschen, dass die Gewinne in der Gemeinde bleiben, etwa durch die Gewerbesteuern. Dazu kommt, dass sich jeder persönlich daran beteiligen kann, und diese Chance nehmen auch viele wahr.» Dass am Ende sogar zwei Genossenschaften zusammengefunden haben, macht das Projekt für Christoph Strasser, selbst Genossenschaftler, besonders spannend: «Das ist eine stimmige Kombination, so macht Energiewende richtig Spaß.»
Noch fehlen Instrumente für die echte Bürgerenergiewende
Benötigt es in Zukunft also gar keine EEG-Förderung mehr? Pascal Lang schränkt ein: «Das PPA wird sicher eine wichtige Rolle für den Energiemarkt der Zukunft spielen. Aber es stellt kein Allheilmittel dar. In der Förderkulisse muss es weiterhin noch einfachere Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger geben, an der Energiewende teilzuhaben.» Beispielsweise sei für kleine PV-Anlagen auf dem Dach der Verwaltungsaufwand bei der EEG-Förderung wie auch durch PPAs zu hoch, weswegen der Ausbau in den letzten Jahren nicht so vorangekommen ist. Dieser Meinung ist auch EWS-Vorstand Alexander Sladek: «Die Energiewende ist ein Zusammenspiel vieler Akteure. Wir Energiegenossenschaften können als mittelgroße Player auf einem professionellen Level agieren. Aber für den Bürger mit einer PV-Anlage auf dem Dach bedarf es weiterhin einer unkomplizierten Förderung.»
Bei der EGIS werden derweil bereits die nächsten Projekte geplant. Denn sowohl für Stromkunden wie auch für Klima und Natur ist jede weitere Solaranlage ein Gewinn. Und mit dem PPA besitzen wir nun ein neues Werkzeug, das auf die Grundidee einzahlt, gemeinsam anzupacken und so Stück für Stück ein nachhaltigeres und klimaschonenderes Energiesystem zu etablieren.
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