Energiegenossenschaften – Aufbruch in die Zukunft
Ein Bericht von Petra Völzing
Neue Geschäftsmodelle bringen die Energiewende voran. Zum Abschluss eines Ideenwettbewerbs wurden nun drei zukunftsweisende Konzepte ausgezeichnet.
Um die Energiewende voranzubringen, ist es mit dem Zubau von Erneuerbaren Energien allein nicht getan. Themen wie der Eigenverbrauch von Strom, Wärmeversorgung oder Elektromobilität rücken heute immer mehr in den Fokus. Darum stellen sich auch Energiegenossenschaften breiter auf und initiieren neue Geschäftsmodelle.
Um diese Konzepte zu fördern und stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, haben 2017 die Elektrizitätswerke Schönau gemeinsam mit dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV) und dem Landesumweltministerium den Ideenwettbewerb «Neue Geschäftsmodelle für Energiegenossenschaften» ausgelobt. Ende März 2018 wurden die drei Gewinner des Wettbewerbs auf dem Energietag des BWGV in Biberach an der Riß vorgestellt und mit einem Gesamtpreisgeld von 50.000 Euro ausgezeichnet.
Wir befinden uns gerade wieder in einer spannenden und entscheidenden Phase der Energiewende.
Auf der Veranstaltung hatten die Preisträger auch Gelegenheit, ihre Geschäftsideen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Dabei zeigte sich die Kreativität, aber auch das große Engagement der Energiegenossenschaften hinsichtlich neuer Herangehensweisen und Konzepte im Bereich der Erneuerbaren Energien. Die prämierten Ergebnisse machen aber auch die ganze Bandreite der Ideen sichtbar, die zum Erfolg der Energiewende beitragen können.
Platz eins für ein integriertes Quartierskonzept
Den mit 25.000 Euro dotierten ersten Platz belegte die Heidelberger Energiegenossenschaft (HEG). Sie hatte sich mit ihrem Konzept für eine ganzheitliche Quartiersversorgung beworben. Auf den Dächern von drei Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 130 Bewohnern wurden Photovoltaikanlagen installiert. Der daraus gewonnene Strom wird im Rahmen eines Mieterstrommodells direkt in den Häusern verbraucht. Batteriespeicher optimieren den Eigenstromverbrauch.
Im Detail haben sich die Macher von der HEG einiges einfallen lassen: «Wir haben für die drei Häuser nur einen Netzanschluss vorgesehen, um Netzanschlusskosten zu sparen», erklärt HEG-Vorstand Andreas Gißler. Die PV-Anlagen sind in unterschiedliche Himmelsrichtungen ausgerichtet, haben gemeinsam eine Leistung von 100 kWp und sind zusammengeschaltet, sodass die unterschiedlichen Erträge der einzelnen Anlagen ausgeglichen werden und der Strom im eigenen Netz direkt dorthin fließt, wo er gerade gebraucht wird. Dies setzt ein ausgefeiltes Messkonzept im eigenen Netz voraus. Falls über die selbst erzeugte Energie hinaus Strom benötigt wird, kann Ökostrom über die Genossenschaft bezogen werden.
Quartierskonzepte können eine der führenden Zukunftsideen für Energiegenossenschaften sein.
Wichtig ist den Heidelberger Genossenschaftlern auch, dass die Mieter durch das Projekt sensibilisiert und zum Mitmachen bewegt werden. So ermöglichen elektronische Zähler, dass die Bewohner ihren Stromverbrauch detailliert nachverfolgen und kontrollieren können. Das Projekt soll so auch zum Einsatz von energiesparenden Elektrogeräten anregen. Zusätzlich stehen den Mietern ein Elektrolastenfahrrad und eine Ladesäule für Elektroautos zur Verfügung.
Bereits 2013 hatte die HEG ein Mieterstromprojekt realisiert. Auf diesen Erfahrungen konnten Gißler und seine Mitstreiter nun aufbauen: «Beim jetzigen Projekt war uns neben der Aktivierung und Sensibilisierung der Mieter der technologieübergreifende Ansatz wichtig», sagt HEG-Vorstand Nicolai Ferchl – wie beispielsweise die Einbindung der E-Mobilität.
Ziel der Genossenschaft ist es, die Energiewende ganz praktisch in den urbanen Raum zu bringen. «Die Technologien stehen bereit, und die Preise sinken», so Gißler. Was fehle, seien Konzepte, um eben diese Technologien gesellschaftlich und wirtschaftlich sinnvoll zu realisieren. Hier schließt die HEG mit ihrem integrierten Quartierskonzept eine Lücke.
Die Heidelberger Energiegenossenschaft wurde 2010 gegründet und hat derzeit 339 Mitglieder. Sie ist in den Bereichen Photovoltaik, Windenergie, Mieterstrom und Elektromobilität aktiv. Darüber hinaus versorgt sie Haushalte und Gewerbetreibende mit Ökostrom.
Ein Kommunikationskonzept zeigt Mehrwerte durch CO₂-Einsparung
Mit einer ganz anderen Idee wartete die zweitplatzierte «Bürgerenergie Dreiländereck» aus Binzen bei Lörrach auf, für die sie 15.000 Euro Preisgeld erhielt. Vorstand Martin Völkle erläuterte das von der Bürgerenergie Dreiländereck entwickelte Kommunikationskonzept, das anschaulich aufzeigt, welchen pekuniären Mehrwert die CO2-Einsparung durch eine Mitgliedschaft bei einer Energiegenossenschaft bringt. Die Genossenschaft betreibt 46 Photovoltaikanlagen und – gemeinsam mit den EWS und der «Bürgerwindrad Blauen eG» – den «Solarpark am Rhein» in Rheinfelden-Herten.
«Mit unserem Kommunikationskonzept wollen wir über die Veranschaulichung des CO2-Fußabdrucks pro Person die Menschen dafür sensibilisieren, dass sie selbst in erheblichem Umfang zum Klimawandel beitragen und als Lösungsansatz sehr konkret darstellen, welche Kosten über die Vermeidung von Kohlendioxid eingespart werden», erklärt Völkle.
Wichtig bei dem Ideenwettbewerb ist uns die Übertragbarkeit der Projekte auf andere Genossenschaften.
Mit dem Konzept verfolgt die «Bürgerenergie Dreiländereck» das Ziel, den in der Satzung geforderten wirtschaftlichen Förderzweck zu erweitern. Auf diese Weise, so Martin Völkle, wolle man das Bewusstsein für das Thema CO2-Ausstoß und Klimaschutz schärfen und mehr Menschen motivieren, bei einer Energiegenossenschaft aktiv zu werden, auch wenn vielleicht keine hohen Gewinne zu erwarten sind. Die Menschen sollen wissen, dass sie mit ihrem Verhalten einen wichtigen Beitrag zur CO2-Vermeidung leisten können – und dass durch bewussten Umgang mit Energie eben auch erhebliche Kosteneinsparungen möglich sind.
Die «Bürgerenergie Dreiländereck» wurde 2012 gegründet. Ziele der Genossenschaft sind die Umsetzung der Energiewende und die Begrenzung des Klimawandels. Sie hat 337 Mitglieder, darunter zahlreiche Kommunen und Unternehmen, und betreibt schwerpunktmäßig Photovoltaikanlagen.
Ein Konzept für zwei energieautarke Wohngebäude
Den dritten Platz mit 10.000 Euro Preisgeld erreichte die «OstalbBürgerEnergie» aus Aalen für die Kooperation mit der «VR-Bank Ostalb» beim geplanten Bau von zwei energieautarken Wohngebäuden. Beim prämierten Projektvorhaben steht das Energiesparen im Mittelpunkt. Ausgangspunkt des Hauskonzepts ist die Tatsache, dass 88 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in privaten Haushalten auf die Erzeugung von Wärme entfallen.
Das Energiekonzept für die Häuser kombiniert konsequente Wärmedämmung mit der Nutzung von Sonnenenergie über Photovoltaik und Solarthermie in Verbindung mit Batteriespeichern. So gelingt es, 92 Prozent des Strom- und 75 Prozent des Wärmebedarfs selbst zu erzeugen. In 12 Kubikmeter großen Wärmespeichern kann die Wärme bis zu einem halben Jahr vorgehalten werden. Aber es sind auch die Details, auf die es ankommt: «Mit einem Warmwasseranschluss für die Geschirrspülmaschine lässt sich viel Energie sparen. Das dafür notwendige Ventil gibt es für wenige Cents im Baumarkt», so Hans-Peter Weber, einer der beiden Geschäftsführer der Aalener Genossenschaft. So einfach könne Energieeffizienz umgesetzt werden.
Bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder spielen Kooperationen für Genossenschaften eine wichtige Rolle.
Die Jury hob auch die erfolgreiche Kooperation der Energiegenossenschaft mit der VR-Bank Ostalb und dem Stiftungslehrstuhl für Erneuerbare Energien an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Aalen hervor. Die Volksbank tritt in dem Projekt als Bauherrin und spätere Vermieterin auf. Die Genossenschaft soll die komplette Installation und den Betrieb der regenerativen Anlagen übernehmen.
Die «OstalbBürgerEnergie» (OBE) wurde 2011 gegründet und hat derzeit 348 Mitglieder. Ihr Ziel ist es, gemeinsam mit den Energiekunden der Stadtwerke Aalen GmbH, den Kunden der VR-Bank Ostalb eG, den Bürgern aus der Stadt Aalen, dem Ostalbkreis und der Region Ostwürttemberg Energieprojekte auf Basis regenerativer Energien zu realisieren. Besonders wichtig ist es der OBE, das Thema «Erneuerbaren Energie» im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern.