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Zukunftsvision für Fukushima

Ein Bericht von Susanne Steffen

Die EWS unterstützen Stromrebell Yauemon Satoh mit 25.000 Euro Startkapital für seinen «Fukushima Renewable Future Fund». Die Stiftung hat Großes vor.

Jetzt sei es an der Zeit, dass die Bürger in Fukushima die Energieversorgung selbst in die Hand nehmen, erklärt Yauemon Satoh das ehrgeizige Ziel der Stiftung. Der Ökoenergie-Pionier und seine Mitstreiter wollen sich an der Finanzierung diverser Ökostromprojekte beteiligen, um die Energiewende erst in Fukushima und später in ganz Japan voranzubringen. «Gleichzeitig müssen wir alles tun, um gegen das Vergessen anzukämpfen und zu verhindern, dass sich so eine Tragödie wie der Fukushima-Atomunfall wiederholt», ergänzt Satoh.

Gründungsveranstaltung der Stiftung im März 2016 Foto: Keisuke Kimura

Vielleicht sei der Ausbau der Erneuerbaren Energien einfacher zu erreichen als der Kampf gegen das Vergessen der Fukushima-Tragödie, glaubt Satoh. Schließlich arbeitet auch die Präfekturregierung seit dem Atomunfall daran, die Stromversorgung Fukushimas bis 2040 ausschließlich mit Erneuerbaren zu sichern. «Da haben wir prinzipiell Rückenwind», freut sich der Gründer des Bürgerstromunternehmens Ai Power. «Wir hoffen, dass zumindest alle Bürgerstromunternehmen der Präfektur in unsere Stiftung investieren, damit wir gemeinsam neue Großprojeke anstoßen können», so Satoh weiter.

Die Energiewende hat es auch in Fukushima schwer

Doch ganz so einfach, wie es klingt, ist die Energiewende nicht einmal in der Präfektur Fukushima umzusetzen. Mittlerweile boykottieren viele japanische Energieriesen größere Bürgerstromprojekte. Die Konzerne kontrollieren noch immer die Stromnetze und können Einspeiseverträge ablehnen, mit dem Argument, diese Projekte überlasteten die Netze. Auch Satoh und seine Ai Power sind bereits mit größeren Projektideen über 50 kW an genau dieser Hürde gescheitert. Doch langfristig könnten die Konzerne den Umbau der Energiewirtschaft nicht mit solchen Ausflüchten ausbremsen, glaubt Satoh.

Der gelernte Sakebrauer ist davon überzeugt, dass sich am Ende die Präfekturregierung mit ihren Plänen zur regionalen Energiewende gegen die Konzerne durchsetzen werde. Zumindest die verbliebenen sechs – theoretisch noch funktionstüchtigen – Atomreaktoren Fukushimas würden wohl nie mehr ans Netz gehen, so Satoh. Denn das ließe sich angesichts der noch immer mehr als 90.000 Atomflüchtlinge, von denen viele wohl nie mehr in ihre Heimat zurück können, politisch nicht mehr durchsetzen.

Ein Museum gegen das Vergessen

«Irgendwann wollen wir ein Museum haben, das genau wie das Friedensmuseum in Hiroshima die Erinnerung an die Schrecken des Super-GAUs für immer wachhält», erzählt der Unternehmer aus Kitakata im Nordwesten Fukushimas. Noch fehlt es an Geld für ein Museumsgebäude, aber Satoh und seine Mitstreiter sind bereits dabei, in den vollständig evakuierten Geisterstädten in der Sperrzone Geschichten von Zeitzeugen zu dokumentieren. Eine große TV-Produktionsfirma aus Tokio hat darüber hinaus versprochen, Videoporträts von evakuierten Bewohnern des Dorfs Iitate, welches in der vom radioaktiven Fallout am schlimmsten betroffenen Region liegt, dem Museum zur Verfügung zu stellen.

Auch als Anlaufstelle für internationale Medien will die Stiftung irgendwann fungieren. «Die Regierung und Tepco, die AKW-Betreiberin, belügen uns. Wir wollen der Welt die Wahrheit über den Atomunfall zeigen», erzählt Satoh. Sobald genug Spenden da sind, will Satoh auch Projekte anstoßen, die das tatsächliche Ausmaß der Unfallfolgen dokumentieren sollen.

Hilfe für die Opfer des Fukushima-GAUs

Am liebsten würde Satoh ein regierungsunabhängiges Forschungsprojekt unterstützen, das die gesundheitlichen Langzeitfolgen der Strahlung bei Kindern aus der Region untersucht. Den staatlich finanzierten Ärzten, die bislang jeden Zusammenhang zwischen der auffällig hohen Zahl von Schilddrüsenkrebsfällen mit dem Atomunfall leugnen, vertrauten nämlich die Wenigsten in Fukushima, so Satoh.

Noch beschränkt sich die Hilfe für Kinder aus den evakuierten Gebieten allerdings darauf, gemeinsam mit Dutzenden freiwilligen Helfern die Erinnerung an ihre menschenleeren Heimatdörfer wachzuhalten. Satohs Mitstreiter organisieren Treffen, bei denen die Kinder etwas über lokale Traditionen lernen und animiert werden, Geschichten über eine Heimat zu schreiben, die sie seit mehr als fünf Jahren nicht mehr gesehen haben – und in der sie vielleicht nie wieder leben werden.

Weltweiter Spendenaufruf

Der japanische Ex-Premier Junichiro Koizumi bei der Geldübergabe Foto: Keisuke Kimura

Sechs Millionen Yen, rund 48.000 Euro, liegen drei Monate nach der offiziellen Gründung auf dem Stiftungskonto. Neben den EWS, die die neue Stiftung auch mit Ursula Sladek als Beraterin unterstützen, haben auch der ehemalige japanische Premierminister und einige lokale Unternehmen größere Summen gespendet. «Wenn wir alle unsere Träume erfüllen wollen, bräuchten wir wohl zehn Milliarden Yen», lacht Satoh.

Einen Teil könne die Stiftung vielleicht aus Gewinnen von Energieprojekten selbst beschaffen, hofft Satoh. Für den Rest setzt der mutige Visionär auf Spenden aus dem In- und Ausland.

 

13. Juli 2016 | Energiewende-Magazin