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Weinbau in Zeiten des Klimawandels

Ein Bericht von Petra Völzing

Die Klimaerwärmung beeinflusst auch den Weinbau. Mit neuen Weinsorten und nachhaltigerem Anbau rüsten sich Winzer wie Andreas Dilger für die Zukunft.

Ökowinzer Andreas Dilger steht in einem seiner Weinberge am Schönberg, Freiburgs südlichem Hausberg, und lässt seinen Blick über die nahe Stadt und den bereits herbstlich gefärbten Schwarzwald schweifen. Es ist September. Zum ersten Mal seit Langem strahlt die Sonne vom Himmel. Frühjahr und Sommer stellten in dieser Saison eine Herausforderung für den Weinbau dar: zu kalt, zu nass, mit viel Starkregen; zudem gab es im April einen späten Frosteinbruch. Dilger prognostiziert, dass die Lese in diesem Jahr dennoch schon Mitte September beginnen könnte. Im Vorjahr seien die Reben sogar bereits Ende August erntereif gewesen – 2020 hatten sie in Südbaden, wie inzwischen fast schon üblich, eine sehr heiße und trockene Saison. Noch vor 20 Jahren war der Oktober der Haupterntemonat. Im Durchschnitt gesehen beginnt die Vegetationsperiode mittlerweile viel früher: Der Klimawandel wird im Weinbau deutlich spürbar.

Die Reben treiben heute deutlich früher aus als noch vor zwanzig Jahren.

Andreas Dilger, Ökowinzer aus Freiburg im Breisgau

Sorgfältig begutachtet Dilger den Zustand seiner Reben: «Wir haben in diesem Jahr über alle Sorten und Lagen betrachtet um rund ein Drittel weniger Ertrag als im Vorjahr», sagt er. Ein guter Teil sei dem Frost zum Opfer gefallen. «Das Problem ist, dass die Reben heute durch den Klimawandel deutlich früher austreiben als noch vor zwanzig Jahren», erklärt er. Dadurch könnten die späten Frosteinbrüche sehr großen Schaden anrichten. Zudem begünstigten die Nässe und die Kälte in diesem Jahr den Pilzbefall.

Neue Herausforderungen, neue Weinsorten

Andreas Dilger ist kein Traditionswinzer. Sein Weingut hat er 2001 gegründet – und sich dabei von Anfang an dem ökologischen Weinbau gewidmet. Nach und nach hat er am Schönberg frei werdende Flächen übernommen und gemäß der Richtlinien von «Ecovin», dem Bundesverband Ökologischer Weinbau, umgestellt. In den letzten zwanzig Jahren hat Andreas Dilger zudem zwölf neue Sorten etabliert, zehn davon sind Züchtungen des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg (WBI). Bei der Umstellung auf neue Sorten ist Geduld gefragt: Zunächst müssen die alten Weinstöcke gerodet werden. Danach liegt der Boden ein Jahr lang brach, bevor neue Weinstöcke gepflanzt werden können. Und bis die neuen Reben die ersten Erträge abwerfen, dauert es weitere zwei Jahre. Die Sorten tragen poetisch zarte Namen wie Solaris, Helios oder Muscaris – was kaum auf ihre herausragende Eigenschaft schließen lässt. Sie sind nämlich äußerst robust: Schädliche Pilze können ihnen deutlich weniger anhaben als den konventionellen Sorten. Deshalb werden sie im Fachjargon «pilzwiderstandsfähige Sorten», kurz PIWIs, genannt.

Andreas Dilger zeigt kahle Stellen am Weinstock.
Andreas Dilger zeigt Fehlstellen am Weinstock: Der Frost im April ließ viele neue Triebe absterben. Foto: Bernd Schumacher
Von Pilz befallene Weinpflanzen
Die Nässe und Kälte dieses Jahres begünstigten auch den Pilzbefall. Foto: Bernd Schumacher
Herbstlich gefärbtes Weinlaub
Das nasse Jahr 2021 ließ den Wein in bestimmten Lagen früher als sonst herbstlich färben. Foto: Bernd Schumacher
Der Weinberg, oberhalb der Stadt Freiburg gelegen. Im Hintergrund sind Berge zu sehen.
Der Schönberg ist ein alter Weinberg am südlichen Stadtrand von Freiburg. Dort werden sowohl traditionelle als auch neue Weinsorten angebaut. Foto: Bernd Schumacher

Raus aus dem Teufelskreis der Monokultur

Als Andreas Dilger vor zwei Jahrzehnten begann, Weinbau im Sinne von Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu betreiben, war das eine große Herausforderung. «Alle Ökowinzer standen damals vor dem Problem, dass der konventionelle Weinbau eine extreme Monokultur ist, in der mit hochgezüchteten Sorten gearbeitet wird», erzählt er. Die Folge: Die Böden leiden – und die Reben sind ex­trem anfällig für Pilz- und Schädlingsbefall, der mit giftigen Chemikalien bekämpft werden muss. Aus diesem Teufelskreis wollten Dilger und gleichgesinnte Winzereibetriebe aussteigen, den intensiven Einsatz von Giften zurückfahren. Den Klimawandel und seine fatalen Folgen hatten sie damals noch nicht im Fokus. 

Für uns Ökowinzer gibt es nur wenige Möglichkeiten zum Pflanzenschutz.

Andreas Dilger, Ökowinzer aus Freiburg im Breisgau

Beim ökologischen Weinbau dürfen von jeher keine chemischen Pflanzenschutzmittel verwendet werden. Erste Konzepte für diese Art von Weinbau kamen in den 1960er-Jahren auf, EU-weite einheitliche Vorschriften für Biowein gibt es seit 1991. Deswegen geraten Ökowinzer bis heute in ein Dilemma: «Für uns gibt es nur in sehr eingeschränktem Rahmen zugelassene Möglichkeiten für den Pflanzenschutz», erläutert Dilger. So sei der Einsatz von geringen Mengen Kupfer erlaubt. Er ist hochwirksam gegen Falschen Mehltau – ein Pilz, der den Winzern schwer zu schaffen macht. Doch viel wichtiger als das Kupfer ist für den ökologischen Weinbau die natürliche Widerstandsfähigkeit der Reben gegen Pilze. Robuste Neuzüchtungen schaffen dafür eine wichtige Grundlage. 

Besonders robust: der Souvignier Gris

Ein Eimer voller rötlicher Trauben.
Die schon früh geernteten Trauben des Souvignier Gris Foto: Bernd Schumacher

Eine dieser pilzresistenten Sorten, auf die Andreas Dilger setzt, ist der Souvignier Gris. Auch sie wurde – bereits 1983 – am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg gezüchtet. Muttersorte ist der Cabernet Sauvignon – eine Rebe, die ursprünglich in Südfrankreich beheimatet ist. Im Rahmen eines Projekts mit dem WBI ließ Dilger einen Teil seiner Souvignier-Gris-Reben gänzlich unbehandelt – dennoch hängen die Trauben üppig und gesund am Rebstock. «Das ist für dieses Jahr ein sensationelles Ergebnis», sagt Dilger und ergänzt, dass man das aber nicht verallgemeinern dürfe. Denn ob eine Rebe dem Pilzbefall standhalte, hänge von vielen Faktoren ab – beispielsweise von der Lage. Auf einem anderen Rebstück von Andreas Dilger wächst die PIWI-Sorte Johanniter. Dort ist der Schaden durch den Pilzbefall deutlich sichtbar. Dennoch ist der Winzer nicht unzufrieden: «Ich habe in diesem nassen Jahr pro Hektar ein Kilo reines Kupfer verwendet, um die Reben zu schützen. Nach den Öko-Richtlinien wären bis zu drei Kilo erlaubt gewesen.» In sonnigeren Jahren liegt der Verbrauch bei 600 Gramm.

Wir müssen den Weinbau an die Klimawandelfolgen anpassen – und gleichzeitig Emissionen reduzieren.

Andreas Dilger, Ökowinzer aus Freiburg im Breisgau

Angesichts der Auswirkungen des Klimawandels spannt Andreas Dilger einen weiten Bogen: «Wir brauchen im Weinbau zwei Herangehensweisen: die Anpassung des Weinbaus an die Klimawandelfolgen – und gleichzeitig die Reduzierung der Emissionen in unseren Arbeitsprozessen.» Der Ökowinzer spart zum Beispiel eine Menge Diesel, weil er so gut wie gar nicht durch die Reben fahren muss, um Pflanzenschutz und Dünger auszubringen. Zudem konzentriert er sich auf die regionale Vermarktung seiner Produkte und fährt den Wein, wo möglich, mit seinem Lastenfahrrad aus. Im Weinberg ist er mit einem robusten Elektro-Mountainbike unterwegs – aber einen Traktor für seine Arbeiten an den Weinstöcken und für die Lese benötigt er natürlich immer noch.

Lebendige Böden – ein Schlüssel für die Pflanzengesundheit

Nicht nur durch neue, robustere Sorten können sich Winzer gegen die Folgen des Klimawandels wappnen. Auch die Beschaffenheit des Bodens hat großen Einfluss auf die Widerstandsfähigkeit der Reben. «Es gibt viele Möglichkeiten, den Boden mit natürlichen Mitteln positiv zu beeinflussen», sagt Dilger – und das sieht man auch: Unter und zwischen seinen Rebstöcken blüht es bunt. Hier sät er gezielt eine spezielle Saatmischung. Verschiedene Blumen und Kräuter, zum Beispiel Malven, Ringelblumen und unterschiedliche Kleesorten, liefern wertvollen Stickstoff als Dünger und lockern den Boden mit ihren Wurzeln. 

Unter diesen Pflanzen gibt es sowohl Tiefwurzler als auch Flachwurzler, was mit Blick auf den Klimawandel große Vorteile mit sich bringt: «Dadurch lockern die Wurzeln den Boden in allen Schichten, sodass er das Wasser bei Starkregen schneller und besser aufnehmen kann. In Trockenzeiten hingegen speichert die Erde das Wasser.» Ein weiterer Vorteil der Bepflanzung: Die Blumen haben verschiedene Blühzeiten und ihre Farben locken über den ganzen Frühling und Sommer bis zur Ernte nützliche Insekten an, die zum Beispiel Schädlinge vertilgen. «Auf diese Weise leisten wir auch einen Beitrag zu Biodiversität und Artenschutz», freut sich Dilger. Die Bodenqualität in seinen Weinbergen sei exzellent, stellte die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in einer Studie fest. So fühlen sich die Regenwürmer in den Böden seiner Rebhänge besonders wohl: Es gibt sie dort siebenmal häufiger als im Durchschnitt.

Zwei Männer stehen im Weinhang und ernten die Trauben.
Im vergangenen Jahr konnte die Mannschaft von Andreas Dilger deutlich mehr und auch deutlich gesündere Trauben ernten. Foto: Bernd Schumacher
Die geernteten Trauben werden von Männern, von denen man lediglich die Beine sieht, in Eimer geworfen.
Die reifen Beeren werden sorgsam von Hand gelesen. Foto: Bernd Schumacher
Andreas Dilger fährt mit dem Mountainbike durch den Weinberg
Praktisch und nachhaltig: Andreas Dilger kurvt mit dem E-Mountainbike durch seine Reben. Foto: Bernd Schumacher

Zunehmend schwer: der Anbau leichter Weine

Dieses Jahr war außergewöhnlich kalt – aber auf lange Sicht müssen die Winzer in Deutschland wohl eher mit Hitze und Trockenheit umgehen lernen. Das hat auch Auswirkungen auf die Weinqualität. So steigt wegen der Klimaerwärmung der durchschnittliche Alkoholgehalt der deutschen Weine, sie werden insgesamt «schwerer», was eigentlich als Qualitätsmerkmal gilt. Dilger sieht darin Vor- und Nachteile. Auch «leichte» Weine mit feiner Säure sind gefragt, gelten sie doch im internationalen Weinmarkt als Alleinstellungsmerkmal der deutschen Weinkultur. Allerdings wird es unter den heutigen Klima­bedingungen zunehmend schwierig, leichte Weine zu erzeugen. Eine Möglichkeit, diese Nachfrage weiterhin zu bedienen, wären nördlicher gelegene Anbaugebiete. Beispiele in Deutschland sind die Uckermark, hundert Kilometer nördlich von Berlin, oder die Nordseeinsel Föhr. Andreas Dilger gelingt es aber auch in Südbaden, unter wärmeren Bedingungen leichte Weine auszubauen – mit neuen Sorten. Doch damit füllt er bislang nur eine kleine Nische. In den großen Anbaugebieten setzen die Winzer weiter auf die altbekannten und beliebten Sorten.

Neue, robustere Weinsorten gibt es nicht von heute auf morgen

Gewächshauser an einem Hang vor einer Wohnsiedlung gelegen.
Gewächshäuser des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg Foto: Bernd Schumacher

Das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg, die Geburtsstätte vieler PIWIs, ist eine landeseigene Versuchs- und Forschungsanstalt, die unter anderem am Freiburger Lorettoberg und am Kaiserstuhl einige Versuchsweinberge betreibt. Auch Labore und große Gewächshäuser gehören dazu. Zweck des WBI ist es, nachhaltigen, zukunftsfähigen Weinbau voranzutreiben und auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit der baden-württembergischen Weinlagen zu sichern. Zentrale Forschungsfelder sind der Pflanzenschutz, die Önologie, der Weinbau – und eben die Züchtung von neuen, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Seit 70 Jahren arbeitet das WBI daran, in der Züchtung die Resistenzen mit den besonderen Qualitäten der badischen Weinsorten zu kombinieren. 

Ernst Weinmann leitet hier seit einigen Jahren das Referat für weinbauliches Versuchswesen und kommissarisch auch das für Resistenz- und Klonenzüchtung. «Zentral für neue Rebsorten sind bis heute Resistenzen gegen Schaderreger wie Echten und Falschen Mehltau oder Schwarzfäule», sagt er.

Für die Neuzüchtung einer Rebe muss man mit 25 bis 30 Jahren rechnen.

Ernst Weinmann, Leiter des Referats Weinbau und Versuchswesen am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg

Für die Neuzüchtung bis zur Markteinführung braucht es Geduld: «Von der ersten Kreuzung bis zur Eintragung einer neuen Sorte muss man mit 25 bis 30 Jahren rechnen», so Weinmann. Denn Züchtung bedeutet bis heute sehr viel sorgfältige Handarbeit. Damit sich die zwittrigen Reben nicht selbst bestäuben, werden die Blüten sorgfältig von Hand kastriert und mit den Pollen der gewünschten Vaterrebe bestäubt. Danach kommt ein Papierbeutel um die Blüte, um die eindeutige Vaterschaft abzusichern. Aus den Kernen der späteren Trauben werden dann Reben gezogen, die zum Beispiel mit Falschem Mehltau infiziert und somit auf ihre Resistenz geprüft werden. Am Ende bleiben etwa drei Prozent der Pflanzen übrig, die tatsächlich Resistenzen aufweisen. Diese werden dann weiter vermehrt und wieder gekreuzt, um zusätzliche gewünschte Qualitätsmerkmale zu erhalten oder den Winzern als neue Sorten zur Verfügung zu stehen. Und weil nur einmal im Jahr geerntet werden kann, gehen da schon einige Jahre ins Land.

Ernst Weinmann, ein Mann mittleren Alters, steht in einem Gewächshaus inmitten von Weinpflanzen und gestikuliert beim Erzählen.
Ernst Weinmann wacht am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg über die Rebenzüchtung. Foto: Bernd Schumacher
Durch die offenen Türen der Gewächshäuser des Weinbau-Instituts sind herbstlich gefärbte Weinreben zu sehen.
Die Versuchsweinberge und Gewächshäuser für die Arbeit an den Neuzüchtungen liegen idyllisch am Lorettoberg, einem Höhenrücken in Freiburg im Breisgau. Foto: Bernd Schumacher
Solarbetriebene Wetterstation im Weinberg
Die Wetterstation liefert wichtige Daten. Foto: Bernd Schumacher

Auch der Klimawandel spielt inzwischen bei den Züchtungen eine Rolle. «Grundsätzlich haben wir Glück, dass wir wegen des Biotrends schon früh angefangen haben, die Widerstandsfähigkeit der Reben gegen Schädlingsbefall züchterisch zu verbessern, um weitgehend auf Pflanzenschutzmittel verzichten zu können», sagt Weinmann. Neben der Widerstandfähigkeit gegen Pilze sucht das WBI auch nach Lösungen, um klimatische Veränderungen, die mittlerweile zu einer erheblich früheren Traubenreife und dadurch zu höheren Alkoholgehalten der Weine sowie geringeren Säuregehalten der Moste und Weine führt, zu beeinflussen. Das Ziel ist, Rebsorten zu züchten, deren Entwicklungsstadien später ablaufen.

Gentechnik – im Weinbau kein Thema

Erste gentechnische Versuche in der Rebenzüchtung, die vor zwanzig Jahren begannen, wurden wieder eingestellt. Mit Blick auf den fortschreitenden Klimawandel liegt der Gedanke nahe, mit der «Genschere» schneller zu Rebsorten zu kommen, die den Herausforderungen der Erderwärmung gewachsen sind. Doch Reinhard Töpfer, Leiter des Instituts für Rebenzüchtung in Siebeldingen in ­Rheinland-Pfalz, winkt ab: «Auch wenn Gene verändert würden, bliebe es bei den gleichen Vermehrungszyklen, man kann so keine Zeit einsparen», sagt er. 

Die genetische Grundlagenforschung ist neben der klassischen Rebenzüchtung ebenfalls ein Arbeitsschwerpunkt, allerdings nicht im Sinne von Gentechnik: «Wir untersuchen die Pflanzen auf genetischer Ebene zu gewünschten Merkmalen, vergleichbar mit einem genetischen Fingerabdruck», erklärt Töpfer. Dabei würden die Gene aber nicht verändert, betont der Forscher. Auf diese Weise lassen sich im Genmaterial von Reben inzwischen mehr als fünf Resistenzmerkmale bestimmen. «Mit diesen sogenannten ‹genetischen Markern› könnte die Züchtung effizienter vorangetrieben werden, weil man die Pflanzen in einem frühen Stadium auf die gewünschten Resistenzen untersuchen und entsprechend auswählen kann», so Töpfer. 

Dass sich die Weinbaugebiete im Zuge der Klimaerwärmung nach Norden verschieben werden, glaubt Reinhard Töpfer im Übrigen nicht. «Die Winzer in den traditionellen europäischen Weinbaugebieten werden um den Erhalt ihrer Reblandschaften kämpfen und notwendige Veränderungen vornehmen», sagt er. «Es wird ein Sortenwandel kommen, aber langsam: nicht als Revolution, sondern als Evolution.» Neue Weinanbaugebiete in Norwegen oder Sibirien würden es aufgrund der eher traditionell eingestellten Weintrinker hingegen schwer haben. 

Weinberg in nebliger Landschaft, zu einem See abfallend
Der Weinberg an der Grebiner Mühle im Kreis Plön in Schleswig-Holstein ist eines der nördlichsten Weinanbaugebiete Deutschlands. Foto: Joachim Kohler / Wikimedia

Die meisten Winzer bleiben beim Bewährten

So sieht es auch Henning Johanßen, Sprecher des Badischen Winzerkellers in Breisach am Rhein. Die Dachgenossenschaft vereint regionale Winzergenossenschaften mit 4.000 Winzern von Tauberfranken bis zum Bodensee und Kaiserstuhl. Sie unterstützt ihre Mitglieder auch in Fragen der Umsetzung eines nachhaltigen, umweltschonenden Weinanbaus. «Wetter und Klima sind für die Arbeit unserer Winzer zentrale Aspekte, deshalb beobachten wir die Entwicklungen im Grunde schon immer», sagt Johanßen.

Unsere Winzer setzen auf den Erhalt der alten Rebsorten.

Henning Johanßen, Sprecher des Badischen Winzerkellers in Breisach am Rhein

Hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels verfolgt der Badische Winzerkeller allerdings eine andere Strategie als Andreas Dilger. «Unsere Winzer setzen auf den Erhalt der alten Rebsorten», so Johanßen. Erreichen wollen sie dies mit der Anpassung ihrer Anbaumethoden. Auch ihnen hilft das WBI. Hier werden die alten Sorten weiterentwickelt. «Ein Aspekt ist die Blattstruktur und wie sie sich auf die Traubenentwicklung auswirken kann», erklärt Johanßen. Aber auch bei der Bewässerung, der Bodenbearbeitung und nicht zuletzt bei den Ausbaumöglichkeiten im Weinkeller gibt es für Winzer und Kellermeister einige Stellschrauben: «Wir setzen auf den typischen Sortenmix unserer badischen Region und auf die vom Verbraucher besonders gut nachgefragten Burgundersorten – immer mit dem Ziel, den natürlichen Charakter der Sorten zu erhalten und im Profil weiterzuentwickeln.»

Es zeigt sich: Winzer, Verbände und Forschung haben den Ernst der Lage erkannt und arbeiten gemeinsam an zukunftsfähigen Lösungen. Allerdings werden Wetter und Klima, die beiden entscheidenden Faktoren für die Weinqualität, immer unberechenbarer, die Ausprägungen immer extremer. Das macht Planungen und die Festlegung langfristiger Strategien im Weinbau sehr schwierig. Ob die Weiterentwicklung von Anbaumethoden und Sorten oder die Neuzüchtungen auf Dauer genügen, um die Qualität und den Charakter der südbadischen Weine zu erhalten, kann niemand mit Sicherheit sagen. Doch die Energie und Unverdrossenheit, mit der sich engagierte ökologische Winzerbetriebe wie der von Andreas Dilger – unterstützt von der Forschung – für die Zukunft rüsten, stimmt zuversichtlich.

 

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30. September 2021 | Energiewende-Magazin