Uschi Miethke – Was sein muss, muss sein!
Ein Porträt von Ursula Sladek
Aufrecht, zielstrebig und lebenslustig: Uschi Miethke war bis ins hohe Alter ein Musterbeispiel für ehrenamtliches Engagement.
Unsere Stromrebellin und langjährige Mitkämpferin, Uschi Miethke, ist im Jahr 2015 im Alter von 93 Jahren verstorben. So ist dieses Porträt eine gemeinsame Erinnerung derjenigen bei den EWS, die die Freude hatten, sie zu kennen und mit ihr zusammenzuarbeiten. Das war schon etwas Besonderes.
Hätte jemand erzählt, dass Uschi Miethke als erste Frau im Alleinflug den Atlantik überquert hätte – niemand, der sie kannte, wäre erstaunt gewesen. Dabei machte sie auf den ersten Blick einfach den Eindruck einer älteren Dame, die besonders tierlieb war und stets mit ihrem Hund unterwegs, einem gemütlichen Collie, dem ein noch gemütlicherer Berner Sennenhund folgte. Aber schon wenn man Uschi anschaute, merkte man gleich, dass das Wort «gemütlich» nur zu den Hunden, nicht aber zu ihr passte. Hochgewachsen, schlank, eine militärisch gerade Haltung, auch noch im hohen Alter. Und genau so war sie auch: aufrecht, ausdauernd und zielstrebig.
Stationen eines Lebens
1922 wurde Uschi in Heidelberg als Tochter eines Historikers geboren, über die Mutter ist nichts bekannt, ebenso wenig über Geschwister, sodass davon auszugehen ist, dass sie Einzelkind war. Die berufliche Laufbahn des Vaters führte ihn zunächst nach Rom, dann nach Berlin, wo er habilitierte, als Nächstes nach Halle und schließlich nach Bonn, wo er als Professor einen angesehenen Lehrstuhl innehatte. Hier im Rheinland verbrachte Uschi zwei Drittel ihres Lebens.
1940 machte sie in Bonn Abitur und lernte während der Kriegsjahre ihren Mann Kurt Miethke kennen. 1945 heirateten die beiden, und zwar – typisch für Uschi – ohne jegliches Brimborium; so heimlich, dass nicht einmal die Kinder von Uschi genau Bescheid wissen. Während des Krieges hatte Uschi eine Zeit lang als Krankenschwester in einem Frontlazarett gearbeitet, und man kann sich gut vorstellen, wie sie mit ihrer ruhigen, unaufgeregten Art zerschossene Arme, Beine und Bäuche versorgte und den verletzten Soldaten Mut zusprach. Mitte der fünfziger Jahre gingen Uschi, die inzwischen geborenen Kinder, Sigrid und Klaus-Peter, und ihr Mann nach Mettmann, wo Kurt Miethke eine Hautarztpraxis eröffnete und Uschi ihn als Sprechstundenhilfe tatkräftig unterstützte. Sie hatte nie ein Problem damit, in der zweiten Reihe zu stehen, solange sie das, was sie tun sollte, als sinnvoll erachtete.
Stromrebellin von Anfang an
Irgendwann in den achtziger Jahren wurde Schönau zum Feriendomizil der Miethkes. Ein Haus wurde gekauft und fortan zwischen Mettmann und Schönau gependelt. Als Kurt Miethke plötzlich und unerwartet starb, machte Uschi Schönau zu ihrer neuen Heimat und entwickelte sich zur Stromrebellin – alle dafür notwendigen Eigenschaften hatte sie schon mitgebracht. Als sich nach Tschernobyl die Schönauer Bürger aufmachten, um ihren Beitrag für das Ende der Atomenergie zu leisten, und den ungewöhnlichen Plan fassten, die Stromversorgung ihrer Gemeinde zu übernehmen, war Uschi gleich dabei. Sie begeisterte sich über die ausgefallene Idee und die Zielstrebigkeit, mit der diese in die Tat umgesetzt wurde. Seit der Eröffnung des ersten Büros der EWS 1995 stand Uschi uns mehr als zehn Jahre ehrenamtlich zur Seite, sie war damals 73 Jahre alt.
Ich brauche kein Geld. Gebt es denen, die es nötig haben.
Selbstdisziplin – und Lebenslust
In all den Jahren von 1995 bis 2008 war Uschi eine feste Größe in den EWS, ein Vorbild vor allem für die jungen Mitarbeiter. Tag für Tag und absolut verlässlich öffnete und verteilte sie die Post, machte Briefe, Pakete und Päckchen versandfertig und vertrieb sich die Eintönigkeit der Arbeit damit, dass sie nebenbei Gedichte auswendig lernte, während sie im Akkord Flyer einpackte. «Ist gut fürs Gedächtnis», war ihre trockene Bemerkung dazu. Ihr Engagement gab ihr das Recht auch zur Kritik, zum Beispiel wenn sie der Meinung war, wir gingen nicht sorgsam genug mit Papier und Porto um: «Ihr müsst unbedingt was tun, das kann so nicht weitergehen».
Uschi hat sich sehr mit unseren Zielen identifiziert, sie hat sich immer auf dem Laufenden gehalten – bei den EWS, aber auch allgemein zu Politik und Wirtschaft.
Auch bei den Stromseminaren der Schönauer Energie-Initiativen war Uschi nicht wegzudenken. Meist spülte sie Geschirr, stundenlang, wenn es sein musste. Sie spülte, bis die Beine sie nicht mehr tragen wollten und die Hände kaum noch das Geschirr halten konnten. Aber keiner hat je ein Wort der Klage von ihr gehört.
Was sein muss, muss sein!
Sie genoss es, unter jungen Menschen zu sein, wobei sie ein besonderes Faible für junge, gut aussehende Männer hatte. Die Betriebsfeiern und -ausflüge waren auch für sie ein besonderer Höhepunkt, an dem sie gern auch dem guten Wein der Region zusagte. Überhaupt: Bei aller Strenge mit sich selbst und zuweilen auch mit anderen war Uschi lebenslustig und konnte genießen – eine wichtige Eigenschaft für Stromrebellen.
Neuanfang mit 86 Jahren
Als Uschi im Jahr 2008 den Entschluss fasste, Schönau zu verlassen und zu ihren Enkeln zu ziehen, zu denen sie immer schon ein sehr enges Verhältnis hatte, war die Trauer bei den EWS groß. Mit 86 Jahren wagte sie noch einmal einen völligen Neuanfang, das sagt mehr über sie aus als viele Worte. Sie war bis zu ihrem Tod mit 93 Jahren selbstständig und managte ihr Leben eigenverantwortlich, immer mit Blick auf die nachfolgenden Generationen.
Die EWS und das Engagement für eine Energieversorgung ohne Atom und Kohle waren für sie ein ganz wichtiger Teil ihres Lebens, so wie sie für alle bei den EWS wichtig war: als mutige, geradlinige und zielorientierte Stromrebellin, der man ohne weiteres Weiteres auch die Atlantiküberquerung im Alleinflug zugetraut hätte.