Stadt, Land, Strom
Ein Bericht von Florian Bayer
Die österreichische Energiegenossenschaft «OurPower» bringt Erzeuger:innen direkt mit Verbraucher:innen zusammen – zu fairen Preisen.
Ob dann auch Strom aus Gas und Atomkraft aus seiner Steckdose käme? Die Frage von Thomas, einem Solararchitekten, wirbelt die bisher ruhige Veranstaltung etwas auf. Und sie scheint berechtigt – gerade im Winter, wenn die Sonnenstunden zurückgehen und insgesamt mehr Energie aus Gaskraftwerken gebraucht wird. «Egal was kommt, wir speisen immer 100 Prozent erneuerbaren Strom ins Netz ein, auch im Winter.» Die Antwort von Hemma Bieser, Vorständin bei «OurPower», fällt eindeutig aus.
Bieser ist Mitgründerin von OurPower, einer jungen Wiener Energiegenossenschaft. Ihr Angebot: ein digitaler Marktplatz, auf dem grün erzeugter Strom gehandelt werden kann. Und zwar direkt zwischen kleinen Energieerzeuger:innen und ihren Stromkund:innen. Beide Seiten profitieren davon. Wer etwa über eine PV-Dachanlage Strom einspeisen will, freut sich, nicht auf die großen Energiefirmen als Abnehmer angewiesen zu sein, deren Konditionen oft unattraktiv sind. Und beim Stromkauf darf man sicher sein, grünen und regional produzierten Strom zu erhalten. Auf diese Weise können beide Seiten gezielt die Energiewende vorantreiben.
Dass sich viele Menschen Gedanken machen, woher ihr Strom kommt, zeigt sich auch an diesem Novemberabend beim Tag der offenen Tür im Wiener Büro der Genossenschaft. Hier treffen neugierige Städter:innen auf erfahrene Energiepionier:innen, die schon seit Jahrzehnten in der Branche tätig sind. In den Gesprächen merkt man: Spätestens seit dem Ukrainekrieg und dem drastischen Anstieg der Strompreise – in Österreich zeitweise um das Zehnfache – blicken viele genauer auf ihre Energierechnungen.
Regional erzeugter Strom
Auf einem großen Bildschirm zeigt Natascha Fenz, die Leiterin der Produktentwicklung, wie der digitale Marktplatz von OurPower funktioniert. Nach Eingabe von Wohnort, Netzbetreiber, ungefährem Stromverbrauch und der persönlichen Präferenzen – mehr Wind-, Wasser- oder Solarenergie? – erstellt das System eine Liste von passenden Angeboten. Auf einen Blick ist erkennbar, wer den Strom anbietet, wo er produziert wird – und natürlich auf welche Weise. Naheliegend und attraktiv sei es für viele, auf Strom aus der eigenen Region zu setzen, berichtet Fenz.
Das Besondere an der Online-Plattform: Die Erzeuger:innen legen ihre Preise selbst fest. «Manche mit alten, abbezahlten Anlagen freuen sich, ihren Strom für einen Cent pro Kilowattstunde abzugeben», erklärt Fenz dem interessierten Publikum. «Andere müssen noch Kredite tilgen und brauchen zehn Cent.» Dazu kommt ein Aufschlag von derzeit 4,5 Cent, mit dem OurPower die Kosten der Marktschwankungen ausgleicht und eigene Einnahmen erzielt.
Unser Job ist es, mehr Produktion als Nachfrage auf dem Marktplatz zu haben.
Die kritischsten Fragen drehen sich auch beim Tag der offenen Tür ums Geld und die Versorgungssicherheit. «Was passiert eigentlich, wenn ein Wasserkraftwerk wegen Hochwasser ausfällt?», will eine Besucherin wissen. Mitarbeiterin Fenz beruhigt: Man habe über 400 Erzeuger:innen im Netzwerk. «Unser Job ist es, immer mehr Produktion als Nachfrage auf dem Marktplatz zu haben. Wenn ein Kraftwerk ausfällt, können andere einspringen.» An Energie mangelt es nicht. 2024 hatte OurPower rund 20,8 Gigawattstunden Strom aus Solar, Wind, Biomasse und Wasserkraft im Angebot.
Die genossenschaftliche Struktur garantiert dabei Teilhabe – und optimale Bedingungen: Alle Mitglieder können bei der jährlichen Generalversammlung mitentscheiden. «Wir sind keine anonyme Stromfirma», betont Mitgründerin Hemma Bieser. «Bei uns sitzen Erzeuger und Verbraucher gemeinsam am Tisch und handeln faire Preise aus.» Diese gelten dann auch gleich fürs volle Kalenderjahr.
Der erwähnte Marktplatzbeitrag hilft, die Schwankungen im Lauf des Jahres auszugleichen. Bei einem Überangebot im Netz verkauft OurPower an andere Stromunternehmen. Ziel ist es aber, den Strom möglichst nur an die eigenen Kund:innen zu verkaufen – zu einem für beide Seiten annehmbaren und konkurrenzfähigen Preis.
Selbst entscheiden, wohin das Stromgeld fließt
OurPower wurde 2018 gegründet, um die Energiewende von unten voranzutreiben. Die Idee entstand aus der Enttäuschung über den verkrusteten Strommarkt. «Wir wollten nicht weiter nur über die Energiewende reden, sondern ins Tun kommen», erinnert sich Hemma Bieser. Jahrelang hatte sie Energieunternehmen und das österreichische Bundesministerium für Klimaschutz beraten. «Es ging meist nur um Technik und Technologie, kaum um Menschen und soziale Innovation, das, was uns hingegen wichtig ist.»

Ulfert Höhne, Mitinitiator und Co-Vorstand, hatte ähnliche Erfahrungen gemacht. Als einer der Gründer der österreichischen «oekostrom AG» wollte er, dass Kund:innen mit ihrer Kaufentscheidung bestimmen können, wohin ihr Geld fließt. Doch diese Idee wird durch das System der handelbaren Herkunftsnachweise verwässert. Diese Bescheinigungen erlauben es Stromanbietern, sich «grünen» Strom rechnerisch gutzuschreiben, indem sie Nachweise von Ökostrom-Produzenten kaufen – unabhängig davon, welchen Strom sie tatsächlich liefern. «Mittlerweile hat fast jeder österreichische Haushalt Ökostrom, ob er will oder nicht, weil die Zertifikate fast nichts kosten», erklärt er.
Beim Stromhandel fließen vor allem Informationen – und Geld.
Auch bei der Wahl der Gesellschaftsform ging OurPower neue Wege und gründete eine «Europäische Genossenschaft» (Societas Cooperativa Europaea – SCE). 2006 wurde in der EU die SCE als länderübergreifende Genossenschaftsform eingeführt, um die europaweite Zusammenarbeit zu erleichtern. Das Modell bietet klare Vorteile und erwies sich für OurPower als Glücksfall. Anders als bei traditionellen Genossenschaften sind die Verwaltungsstrukturen schlanker und die Entscheidungswege transparenter gestaltet, außerdem ist die Nachschusspflicht für Mitglieder prinzipiell ausgeschlossen.
Dabei ist OurPower weit mehr als nur ein weiterer Ökostromanbieter. «Der Stromhandel ist eigentlich total digital», erklärt Höhne. Neben dem Strom aus der Steckdose, der bekanntlich «kein Etikett» habe und nicht direkt einer Energiequelle zuordenbar sei, flössen vor allem Information – und Geld. Und wem genau man für seinen Strom Geld bezahlt, das könne man eben sehr wohl selbst beeinflussen.
Sonnenstrom von Andrea oder Windkraft von Ernst?
Was in Wien begann, entwickelte sich besonders im oberösterreichischen Mühlviertel zu einer Erfolgsgeschichte. An einem Novemberabend hat die «Regios Energiegenossenschaft», ein Netzwerk von grünen Stromerzeuger:innen, in die Messehalle Freistadt geladen. Die nicht gerade kleine Halle ist voll – mit Menschen, die entweder eigenen Strom einspeisen wollen oder dies bereits tun.
«Im Mühlviertel haben wir gelernt: Erst wird kurz geredet, dann geht es direkt in die Umsetzung», erklärt Hemma Bieser spürbar begeistert dem Publikum. Dieser Pioniergeist habe die Wiener Genossenschaft geprägt. «Wollen Sie Sonnenstrom von Andrea oder Windkraft von Ernst? Sie entscheiden!», fasst sie das Konzept zusammen. Das kommt an: An ihrem Infostand werden sie nach dem offiziellen Teil regelrecht von Interessierten überrannt.
Wie die meisten kleineren Stromanbieter hatte auch OurPower mit den stark gestiegenen Energiepreisen infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine zu kämpfen, sodass zwischenzeitlich ein Neukundenstopp verhängt werden musste. Die Tatsache, dass es trotz der teils widrigen Rahmenbedingungen weiter nach vorne geht, unterstreicht aus Sicht der Gründer:innen die Widerstandsfähigkeit des Genossenschaftsmodells.
Mit einem Maibaum beginnt die Energiewende
Der erste grüne Strom aus dem Mühlviertel wurde durch den 1999 in Betrieb gegangenen Windpark Spörbichl unweit der tschechischen Grenze erzeugt. Zwischen Wäldern und den Hügeln des Böhmerwalds ragen zwei 65 Meter hohe Windräder in die Höhe, die zu den ersten in Österreich zählen. Alles begann mit einem Mathematiklehrer, der sich immer schon für Energie interessiert hatte und seinen Schüler:innen die praktische Anwendung von Formeln vor Augen führen wollte. Ebenjenen Lehrer, mittlerweile in Rente, treffen wir an Ort und Stelle, direkt bei «seinen» Windrädern. «Mein Ziel war es, ganz konkret zu zeigen, dass Mathe einen Sinn hat», sagt Johann Moser. Wie hoch muss ein Windrad sein? Wie stark ist der Wind in verschiedenen Höhen? Wie wirken sich Hindernisse wie Bäume darauf aus? Und was ist die erzeugbare Energiemenge? All das wollte er seinen Schüler:innen näherbringen.

Ich wollte die Dorfgemeinschaft von Anfang an einbinden.
Doch auch sein eigenes Interesse wuchs. Er unternahm Exkursionen nach Ober- und Niederösterreich, um sich dortige Windkraftanlagen anzuschauen. Und dann dachte er sich irgendwann: Das möchte ich auch machen. Den idealen Standort hat er auf einem Spazierweg gefunden – «da, wo es immer so windig war».
Es ist eine gute Stelle, weil sie wenig einsehbar ist und niemand in direkter Umgebung lebt, der sich daran stören könnte. Johann Moser hat die Dorfgemeinschaft von Spörbichl von Anfang an eingebunden und beim Bau der Windräder mitreden lassen – «das war wahnsinnig wichtig», wie der Energiepionier heute sagt. Er stieß ausschließlich auf positive Rückmeldungen. Die örtliche Feuerwehr stellte sogar ihren 30-Meter-Maibaum für erste Windmessungen zur Verfügung. Bedenken vonseiten der Anwohner:innen blieben aus, ganz im Gegenteil: Die Chancen für das Dorf wurden klar erkannt.
Die beiden Vestas-Windkraftanlagen mit je 660 Kilowatt Leistung versorgen rund 350 Haushalte. Das Besondere: Sie gehören etwa hundert «stillen Gesellschafter:innen» aus der Region. Jede interessierte Person konnte Anteile zwischen 2.200 und 22.000 Euro erwerben. «Die Leute wollten mit eigenem Risiko dabei sein und sagen: Mir gehört ein Teil von diesem Windpark», berichtet Moser.
Heute, nach fast 25 Jahren, steht der Windpark vor Herausforderungen. Die Anlagen sind deutlich kleiner als moderne Windräder. Ein «Repowering» durch den Austausch mit neuen und leistungsstärkeren Modellen ist aufgrund heutiger Abstandsregeln nicht möglich. Bis auf Weiteres bleiben sie aber in Betrieb. Seit 2020 verkauft der Windpark seinen Strom über OurPower – zu fairen und stabilen Preisen.
Nachholbedarf für mehr Windkraft gäbe es im Industriebundesland Oberösterreich definitiv: 82 Gigawattstunden stammten 2022 aus der Windkraft. Das entspricht nur etwa einem halben Prozent des dortigen Energieverbrauchs. Während die Photovoltaik im ganzen Land einen Boom erlebt hat, geht es bei der Windkraft nur schleppend voran. Mitschuld hat auch der Föderalismus, denn manche Bundesländer verweigern sich dem Ausbau.
Die Erneuerbaren in Österreich
Die traditionell starke Wasserkraft (2024: 61 Prozent der gesamten Stromerzeugung) täuscht darüber hinweg, wie schleppend der Ausbau der Erneuerbaren lange voranschritt. Nur 11 Prozent der Elektrizität kamen 2024 aus der Windkraft (2022: 10 Prozent), 10 Prozent aus der Photovoltaik (2022: 5 Prozent), weitere 6 Prozent aus biogenen Brennstoffen. Immerhin: Der Anteil von Photovoltaik verdoppelte sich und der Anteil der fossilen Quellen ging weiter zurück. Die Stromerzeugung aus Erdgas halbierte sich zuletzt auf 8 Prozent (2022: 16 Prozent). Kohle (2 Prozent) und Erdöl (1 Prozent) spielen kaum noch eine Rolle. Bei Bedarf wird allerdings Atomstrom aus Nachbarländern importiert, der Anteil wird auf 3 bis 12 Prozent geschätzt.
Foto: Das Wasserkraftwerk Edling an der Drau in Kärnten, Österreich. Photofex / Adobe Stock
Eine ganze Region will energieautark werden
Zu den Pionier:innen in der Region zählt auch David Bergsmann, Bürgermeister im nahe gelegenen Hagenberg. Seine Gemeinde gilt als besonders innovativ, nicht nur wegen der hier ansässigen Fachhochschule mit Schwerpunkt auf neuen Digitaltechnologien, von Mobile Computing bis hin zu KI. Sondern auch, weil hier und in der Umgebung zahlreiche innovative Unternehmen entstanden sind, einige davon im Energiebereich.
Für Bergsmann, der selbst Strom mit einer PV-Dachanlage erzeugt, spielt das Thema Energie eine große Rolle. Seit 2022 ist er auch Obmann des «Energiebezirks Freistadt», einem Zusammenschluss von 27 Gemeinden, die mittels Bürgerbeteiligung die energetische Selbstversorgung erreichen wollen.
So richtig nahm der Umstieg und der Wunsch nach Energieautarkie aber erst in den letzten Jahren an Fahrt auf, wie er uns in seinem Wohnzimmer erzählt. «Als vor drei Jahren die ersten Pläne für großflächige Photovoltaikanlagen aufkamen, herrschte zunächst Goldgräberstimmung.» Unternehmen boten Landwirt:innen bis zu 8.000 Euro Pacht pro Hektar und Jahr. «Da haben wir gesagt: Lieber nicht so schnell! Wir planen das langfristig», berichtet Bergsmann. Ein kluger Schachzug, wie sich herausstellen sollte.
Schaut her, wir haben eine Strategie, von der am Ende alle profitieren.
Um einem Wildwuchs an Anlagen vorzubeugen, entwickelte der Bezirk ein Bedarfskonzept: Neben der Nutzung aller geeigneten Dächer und zwei großen Windparks werden 500 Hektar für Freiflächen-Photovoltaik benötigt. Auch wenn die Akzeptanz für Freiflächen-PV noch nicht überall gegeben sei, sieht er die Region auf einem guten Weg: «Da muss man erklären: Schaut her, wir haben eine Strategie, von der am Ende alle profitieren.»
Einer der strategischen Partner ist die Energiegenossenschaft OurPower, deren Angebot im oberösterreichischen Bezirk Freistadt besonders häufig in Anspruch genommen wird. Da nachhaltige Energie hier früher Thema war als anderswo, hat sich das Modell vom Strom-Marktplatz rasch herumgesprochen. Mehr als die Hälfte der über 350 aktiven Stromerzeuger:innen finden sich im Mühlviertel.
Die Anfänge von OurPower waren freilich nicht einfach. «Als wir das Konzept vorstellten, sagten viele: Das kann ja nicht gehen, das haben wir noch nie so gemacht», erzählt Hemma Bieser. Eine große Herausforderung sei laut Ulfert Höhne die ungeheuer hegemoniale Struktur des österreichischen Energiemarkts gewesen. «Das führte dazu», ergänzt Bieser, »dass die Leute eine irrationale Trägheit und Furcht hatten, ihren alteingesessenen Stromlieferanten zu verlassen.»

Die Energiekrise mit ihren extremen Preisausschlägen wurde zur Bewährungsprobe. OurPower agierte pragmatisch und entwickelte gemeinsam mit ihren Erzeuger:innen innovative Angebote. «Unsere Anpassungsfähigkeit und Dynamik hat uns durch diese schwierige Zeit gebracht», betont Hemma Bieser.
Was OurPower von anderen unterscheidet: Es geht nicht um den günstigsten Preis oder maximales Wachstum. «Energie soll etwas sein, um das man sich kümmern kann, über das man mit der Nachbarschaft redet, in das man gemeinsam investiert», erklärt Ulfert Höhne. Das Team setzt auf «Local Heroes», also Menschen in der Region, die Vertrauen genießen und andere auf OurPower aufmerksam machen. Denn das eigentliche Ziel ist nicht der Stromverkauf, sondern die Mobilisierung der Menschen für die Energiewende.
Ein Raum für gesellschaftliche Veränderung
Nur wenige Meter vom OurPower-Büro entfernt, im hippen 7. Wiener Bezirk, liegt der Wohn- und Arbeitsort von Ali und Daniel Wriesnig-Zabransky. Die beiden zählen zu den engagiertesten Kund:innen der Energiegenossenschaft. «Eigentlich ist OurPower zu uns gekommen, nicht andersrum», sagt Ali Wriesnig-Zabransky lachend. Mit ihrem Mann betreibt sie den Verein und Veranstaltungsort «imhinterhaus», wo auch Seminar- und Workshopräume gemietet werden können – oft von Gruppen, die an einer gesellschaftlichen Veränderung arbeiten.
«OurPower nutzte damals unsere Räume für Vernetzungstreffen», erinnert sich Daniel Wriesnig-Zabransky. «Da haben wir Ulfert Höhne kennengelernt und später auch Hemma Bieser. Das waren einfach coole Leute mit einem ehrgeizigen Ziel.» Das Paar verfolgte die Entwicklung der jungen Genossenschaft mit Interesse, auch aufgrund der Energiekrise. Ihr eigener Wechsel zu OurPower musste allerdings etwas warten. «Wir vermieten drei Arbeitsräume an Seminargäste und hatten überall Mindestlaufzeiten», erklärt Ali Wriesnig-Zabransky. «Da auszusteigen war nicht so einfach.»
Der Strom ist vielleicht derselbe, aber man hat ein Gesicht dazu.
Vor anderthalb Jahren hat es dann endlich geklappt. Besonders schätzt das Paar die persönlichen Verbindungen bei OurPower. «Es ist wie beim Lieblingsbäcker», vergleicht Daniel Wriesnig-Zabransky. «Der Strom ist vielleicht derselbe, aber man hat ein Gesicht dazu.» Die Erzeuger:innen, von denen die beiden ihren Strom beziehen, sitzen alle in Niederösterreich und sind ihnen namentlich bekannt. «Wir haben schon überlegt, sie mal zu besuchen» sagt Daniel Wriesnig-Zabransky. «Bisher war uns das zwar noch nicht möglich, aber die Idee finden wir charmant.»

Das Hinterhaus mit seinen beiden Seminaretagen ist längst mehr als nur ein Veranstaltungsort. «Wir wollen einen Raum bieten, wo unterschiedliche Menschen zusammenkommen können – sei es zum Austausch, zum Arbeiten oder um gemeinsam Freizeit zu verbringen», erklärt Daniel Wriesnig-Zabransky ihre Vision. Auch sie wollen Menschen vernetzen und mobilisieren, da passe die Zusammenarbeit mit OurPower perfekt ins Bild.
Weg von der Konsumentenrolle
Für die Zukunft hat OurPower große Pläne. «Wir wollen, dass unser System allen Menschen zur Verfügung steht ähnlich wie bei Open-Source-Software», sagt Ulfert Höhne. Das Team arbeitet bereits an Kooperationen in Deutschland und Tschechien. «Aber zuerst müssen wir hier ein funktionierendes System aufbauen», betont er. Was in kleinem Rahmen begann, könnte zum Vorbild für viele weitere Regionen werden. Der Fokus liegt dabei nicht auf einem möglichst hohen Umsatz, sondern auf der Aktivierung der Menschen. «Wir wollen die Leute aus ihrer Konsumentenrolle herausholen», erklärt Höhne.
Mit diesem Pioniergeist zieht OurPower auch die nächste Generation an. Das elfköpfige Team in Wien besteht aus vielen jungen Leuten, «mit wenig marktspezifischer Erfahrung und insbesondere nicht geprägt vom Denken der Branche», wie Höhne sagt. Das bringt frischen Wind in die Entwicklung des OurPower-Marktplatzes und sorgt für neue Angebote und Prozesse. Für Höhne ist es ein Paradigmenwechsel: «Während die etablierten Energieversorger passive Konsumenten wollen und kurzfristige Renditen für ihre Eigentümer, will OurPower aktive Citizens, die kooperativ ihre eigene Energiezukunft gestalten – und langfristigen gesellschaftlichen Nutzen. Eine Genossenschaft eben.»
Die Herausforderungen bleiben groß. Ende 2024 lief die österreichische Strompreisbremse aus. Zudem werden die Netzkosten deutlich steigen, von denen auch OurPower und ihre Energieerzeuger:innen abhängig sind. Und welche Konsequenzen die seit März regierende Dreierkoalition für die Entwicklung der Erneuerbaren in Österreich haben wird, muss sich erst noch zeigen. Doch davon lassen sich Hemma Bieser und Ulfert Höhne nicht beeindrucken: «Unsere Genossenschaftsmitglieder, Erzeuger und Kunden stehen hinter unserem Angebot – und bringen mit uns gemeinsam die OurPower-Community zum stetigen Wachsen», sagt Bieser und ergänzt: «Wir setzen einfach weiter auf Bürgerenergie, Transparenz und Dialog.»
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