Mit Lehm und Stroh
Ein Porträt von Frank Steinhofer
Natürliche Materialien, traditionelles Wissen: wie die mexikanische Architektin Alejandra Caballero Cervantes seit Jahrzehnten erdverbunden baut.
Dann schwebt die Gondel einer Seilbahn über die Schnellstraße und gleitet rechterhand in das Häusermeer hinab. Vor vierzig Minuten haben wir das Zentrum von Mexiko-Stadt hinter uns gelassen, die zweistöckigen Autobahnen, den quälenden Stau am Morgen. Eine gefühlte Ewigkeit dauerte es, bis wir schließlich den Saum der Megacity erreicht haben, die an den Rändern auszufransen scheint. Hinter uns liegt das weite Tal, von Vulkanen umringt. Vor uns erhebt sich noch immer eine Landschaft aus Beton. Tausende von Häusern ziehen an der Fensterscheibe vorbei – klein, grau, quadratisch. Sie sehen alle gleich aus. «Sozialer Wohnungsbau», kommentiert der mexikanische Fotograf Ilán Rabchinskey, der unseren Geländewagen steuert. Es ist nur schwer vorstellbar, wie Wohnungen direkt an einer vierspurigen Autobahn «sozial» sein können: Die winzigen Blöcke wirken trostlos, an den Bedürfnissen der Bewohner vorbeigeplant. Wie so oft eben.
Doch wie könnte menschengerechtes Wohnen in urbanen Räumen aussehen? Wie gelingt ökologisches Bauen, das diese Bezeichnung wirklich verdient? Insbesondere ohne den ganzen Beton, der in seiner Verarbeitung gewaltige Mengen an Sand und Energie verbraucht? Dann ist da noch das Bindemittel Zement, bei dessen Herstellung jährlich rund drei Milliarden Tonnen Kohlendioxid anfallen. Ich blicke auf meine Notizen: Beton ist für etwa acht Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich, so ein Bericht der New York Times aus dem Jahr 2020. Wäre Beton ein Land, würde es bei den Emissionen an dritter Stelle hinter China und den Vereinigten Staaten stehen. Ist die Klimakrise somit nicht auch die Krise eines Baustoffs?
Das sind alles Fragen, die nicht nur Architekten und Ingenieure umtreiben. Immer mehr Menschen, die nach umweltfreundlichen, sozialverträglichen Bauweisen suchen, treten deshalb die gleiche Reise an wie wir – hin zu einer Frau, die seit über drei Jahrzehnten erprobt, erdverbunden zu denken und zu bauen: Alejandra Caballero Cervantes, eine Wegbereiterin der Biokonstruktion – einer Bewegung, insbesondere innerhalb der spanisch- und englischsprachigen Architekturszene, die auf natürliche Materialien und ortsbezogene Formen des Bauens setzt.
Frischer Blick auf traditionelle Bauweisen
Zwei Stunden Fahrtzeit später wirkt die Landschaft nahe der Kleinstadt Tlaxco, östlich von Mexiko-Stadt, wie ausgewechselt: Agaven, Pinien, Wacholderbäume. Der Wald wird dichter, ein Fluss rauscht im Hintergrund, die letzten Meter des Weges sind nicht asphaltiert. An einem steinumfassten Tor begrüßt uns eine Frau in brauner Latzhose. Sie öffnet das Tor – und damit den Eingang zu einer anderen Welt des Bauens. Freundlich führt uns Alejandra Caballero dann über die Ranch «El Pardo», ein Teil ihrer Ausbildungsstätte «Proyecto San Isidro». Neugierige aus Mexiko, den Vereinigten Staaten und Europa kommen hierher, um an Kursen über den Strohdach- oder Lehmbau teilzunehmen und jahrhundertealte Techniken wie «bahareque», eine präkolumbische Pfostenbauweise, oder «zacatlaniloli» zu erlernen.
«Zacatla…?», frage ich vorsichtig. Caballero streicht mit ihrer Hand über eine frei stehende Wand. Dabei handele es sich um eine Bauweise aus Lehm und Stroh, erklärt die sechzigjährige Architektin. Seit den 1990er-Jahren habe sie mit Strohballen experimentiert – auch mit Unterstützung der MacArthur Foundation mit Sitz in Chicago. Und nach wirksamen Wegen geforscht, damit zu bauen. Damals wären viele mexikanische Männer in die Vereinigten Staaten ausgewandert, um Arbeit zu suchen. Es habe ganze Dörfer mit alleinstehenden Frauen gegeben. Deshalb erachtete sie es als notwendig, Techniken zu entwickeln, die gut von Frauen ausgeführt werden konnten. Strohballen hätten den Vorteil, dass sie leichter zu schleppen und zu stapeln seien. So helfe ein von Caballero eigens entwickeltes Verfahren heute vielen von ihnen im Bundesstaat Tlaxcala und in weiten Teilen Mexikos, die eigenen vier Wände aus Strohballen zu errichten – und damit auch ein Stück Unabhängigkeit zu erreichen. Ein erster Wink, wie traditionelle Bauweisen dabei helfen können, soziale Probleme zu lösen.
Das kleine Einmaleins des Lehmbaus
Der Rundgang über die Ranch geht weiter – das ausgedehnte Areal fühlt sich an wie ein riesiges Experimentierfeld. Alejandra Caballero führt uns an einer Handvoll Häuser und Konstruktionen vorbei, die allesamt bei Workshops entstanden sind. Dort eine Mauer aus Lehmziegeln, hier eine Hauswand aus Stampflehm und dazwischen eine Wendeltreppe, die aus Wellerlehm errichtet wurde. Schnell lernen wir: Ton, Sand und Schluff sind die natürlichen Inhalte von Lehm. Sie alle stammen aus dem Boden – mit Lehm bauen bedeutet also mit Erde bauen. Bei Wellerlehm wird zudem Stroh als Zuschlag hinzugefügt. Dabei gilt: Je mehr Ton im Lehm steckt, desto mehr Stroh verträgt die Mischung. Der Ton wirkt als Bindemittel, wie der Zement im Beton. Ich klopfe an eine Wand aus Wellerlehm, sie fühlt sich steinhart an. Wie tragfähig mag solch eine Lehmkonstruktion wohl sein? «Sind auch größere Gebäude vorstellbar? Hochhäuser etwa?», möchte ich gerne wissen. «Aber natürlich!», erklärt Alejandra Caballero. «In der Stadt Schibam im Jemen stehen Wolkenkratzer aus Lehm und Holz, einige davon sind neun Stockwerke hoch, viele davon jahrtausendealt.»
Im weiteren Gespräch bekomme ich eine Vorstellung davon, welche Vorzüge Lehm als Baustoff bietet: Ein Lehmhaus atmet, reguliert Feuchtigkeit. Lehm ist vielfältig einsetzbar, kein weit gereistes Baumaterial, weil es fast überall direkt vor Ort zur Verfügung steht. Der Bau eines Lehmhauses verbraucht nur einen Bruchteil der Energie, die für ein Gebäude in Betonbauweise nötig ist. Am Ende eines Lebenszyklus kann ein Lehmhaus zudem vollständig entsorgt und in natürliche Kreisläufe rückgeführt werden – nachhaltiger geht es nicht.
Die Abhängigkeit von Zement und Beton brechen
Woran liegt es eigentlich, dass nicht mehr Lehmhäuser in Großstädten gebaut werden? Fehlt es an politischem Willen? Während wir weitergehen, kommt Caballero auf die Situation in Mexiko zu sprechen: «Die Zementindustrie übt hier großen Einfluss aus», beginnt sie. In den 1950er- und 60er-Jahren habe unter der «Institutionellen Revolutionspartei» PRI (Partido Revolucionario Institucional) ein regelrechter Bauboom stattgefunden. Die Regierung wollte einer bestimmten Vorstellung von Fortschritt entsprechen – und ein modernes, entwickeltes Land brauche eben einen modernen Baustoff wie Zement, so die gängige Logik jener Zeit. Die Bauindustrie habe angefangen, soziale Wohnprojekte zu fördern und Instandhaltungen an öffentlichen Regierungsgebäuden zu unterstützen. Riesige, oft schon bald wieder vor sich hinbröckelnde Sozialbauten seien entstanden – und Lehmhäuser mit der Zeit als rückständig dargestellt worden, obwohl Millionen von Menschen darin bis heute ein Zuhause finden. So gerieten traditionelle Bauweisen immer mehr in Vergessenheit.
Mit natürlichen Materialien zu bauen hat mit Demut zu tun.
«Bietet Zement als verarbeiteter Beton nicht auch Vorteile?», hake ich nach, mir fallen seismische Risiken ein. «Ist er im Fall eines Erdbebens nicht stabiler?» Alejandra Caballero lächelt geduldig, als wäre ihr dieser Einwand nicht fremd. «Bei Erdbeben in Mexiko haben schlecht konzipierte, konventionelle Bauten aus Beton bislang häufiger versagt. Viele der alten Gebäude im Zentrum von Mexiko-Stadt wurden aus Erde gebaut – und diese stehen noch.» Sie weist darauf hin, dass nicht nur in Mexiko, sondern auch in Europa sowie in den Vereinigten Staaten viele Brücken marode sind und Baumängel an Häusern bestehen. «Schauen Sie, was gerade in Surfside, einem Vorort von Miami, passiert ist», entgegnet sie. «Das Gebäude ist eingestürzt – und es war aus Beton.» Wenn man sich die Menschheitsgeschichte vergegenwärtige, habe man ungefähr 150 Jahre Erfahrung mit Portlandzement, der heutzutage benutzt werde. Das sei wenig im Verhältnis zu dem jahrtausendealten Wissen über traditionelle Bauweisen: ein Schatz, den es zu bergen und zu erhalten gelte. Darüber hinaus verändere die industrialisierte Bauweise, die auf billige und schnelle Produktion setze, auch die Denkweise. «Mit natürlichen Materialien zu bauen hat mit Demut zu tun. Und damit, sich zu fragen: Wo bin ich? Was sind die Gegebenheiten und Materialien des Ortes? Was sagt mir das Klima darüber, wie ich das Haus erbauen kann?», erklärt sie. Vielfalt vor Ort statt Standardisierung überall, so ihr Credo.
Gebäude als Teil natürlicher Kreisläufe denken
Zwei Hunde gesellen sich zu uns, folgen uns auf Schritt und Tritt. Einer von ihnen springt freudig an der Architektin hoch, lässt sich am Hals kraulen. Alejandra Caballero sortiert in Ruhe ihre Gedanken. «Biokonstruktion ist mehr als nur die Wahl von Materialien oder eine bestimmte Form des Bauens. Es ist eine Art des Seins.» Zum ökologischen Bauen gehöre auch ein veränderter Lebensstil – und prompt sind wir an einem Trockenklo angekommen, das Abwasser spare und Kompost liefere. «Nur jetzt nicht», sagt Caballero mit einem Lächeln. «Während der Pandemie fanden hier keine Kurse statt, die Gruppen haben keine ‹Spende› hinterlassen», scherzt sie.
Häuser sind wie Menschen: Sie nehmen Dinge auf und geben Dinge zurück.
Wer bei der Zukunft des Bauens nur an Hightech denkt, liegt also falsch. Die Revolution findet auch auf der Toilette statt. Was zunächst wie ein nebensächliches und eher kleinteiliges Thema klingt, leuchtet nach Caballeros Ausführungen durchaus ein. «Eine Frage steht bei der Biokonstruktion über allem: Woher kommt etwas? Wohin geht es?», erklärt sie. Das gelte für Baustoffe, aber eben auch für Nahrung, Wasser und alle anderen Dinge des täglichen Lebens. «Häuser sind wie Menschen: Sie nehmen Dinge auf und geben Dinge zurück. Es ist doch eine wichtige Funktion, wenn das Verdauungssystem eines Hauses gesund ist, es kein Wasser verschwendet und Abfälle zu Nährstoffen umgewandelt werden.»
Je mehr die Architektin über geschlossene Kreisläufe redet, um danach auf gesamtheitliches Bauen zu kommen, desto stärker drängt sich die Frage auf, warum solche Lösungen nicht schon häufiger eingesetzt werden. «Wie kann ein Wandel beim Bauen konkret aussehen?», frage ich. Es gebe viele Wege, ein Haus gesünder und ökologischer zu gestalten, antwortet Caballero: Lehm als Baustoff natürlich, ein Dach begrünen zum Beispiel, eine Solarheizung anbringen, zu einer Trockentoilette wechseln oder auch einfach einen Kalkanstrich verwenden, der nicht giftig ist. Klingt einfach – aber wie lässt sich das umsetzen? Wir verlassen die Ranch, um in der Nähe ein Privathaus zu besichtigen, das gerade fertiggestellt wurde.
Das Vermächtnis des Elternhauses
Auf dem Weg dorthin machen wir am Elternhaus der Architektin Halt – und schnell wird klar, dass Caballeros Traum von einer anderen Welt wohl hier, in ihrer Kindheit, geboren wurde. Das Gebäude aus Lehm und Vulkangestein erzählt davon. An den Wänden hängen Bilder und Auszeichnungen, Zeitungsartikel dokumentieren die Familiengeschichte: Ihr Vater, Carlos Caballero Zamora, war ein Förster, der 50 Hektar Land erstanden hatte, um das erodierte Erdreich wieder aufzuforsten. In seinem Leben soll er nahe der Ranch «El Pardo» mehr als eine halbe Million Bäume angepflanzt haben. Alejandra Caballero zeigt uns zwei Bilder aus dem Arbeitszimmer ihres verstorbenen Vaters: das aufgeforstete Waldstück – vorher und nachher. Die Restaurierung des Waldes und die Bewirtschaftung des Bodens nach Art der biodynamischen Landwirtschaft haben ihm den Ruf des «Öko-Pioniers» eingebracht.
Die lokale Tageszeitung «El Sol de Tlaxcala» taufte ihn den mexikanischen «Großvater der Permakultur». Alejandra Caballero erinnert sich lebhaft an diese Zeit. «Seit ich ein Kind war, hat unsere Familie Müll getrennt. Ich habe von Dingen wie Kompostierung gehört, als diese Worte noch kaum jemand kannte», erzählt sie. «Unser Zuhause war wie eine zweite Schule für mich.» Von ihren Eltern habe sie gelernt, wie man das Land bestellt, Tische zimmert und Tiere hält. Mit ihrem Vater habe sie Landwirte besucht – und dadurch viel über die Bauten vor Ort gelernt.
Mein Traum ist es, dass jeden Tag mehr Menschen die Bedeutung traditioneller Bauweisen begreifen.
Später habe sie Architektur an der Universität in Puebla studiert. Schon mit fünfundzwanzig Jahren, 1986, erhielt sie eine Auszeichnung zum Schutz des kulturellen Erbes vom mexikanischen Nationalinstitut für Anthropologie und Geschichte (INAH). Im Austausch mit lokalen Handwerkern vertiefte sie dann ihr Bauwissen. Seit 1988 arbeitet sie als freie Architektin. Später übernahm sie das Grundstück ihres Vaters und gründete 1994 das Ausbildungszentrum «Proyecto San Isidro». Caballero schildert ihre Beweggründe: «Mein Traum ist es, dass jeden Tag mehr Menschen die Bedeutung traditioneller Bauweisen begreifen und verstehen, wie hoch der ökologische Fußabdruck des konventionellen Bauens ist.» Vorbilder seien für sie der ägyptische Architekt Hassan Fathy, der für Lehmbau und eine sozialere Wohnungspolitik eintrat, oder Lloyd Kahn, ein US-amerikanischer Pionier des «Natural Building Movement».
Eine Veranda, die der Sonne folgt
Viele dieser Einflüsse Caballeros werden erlebbar, als wir dann am Nachmittag das von ihr geplante Privathaus eines Bauherren besuchen. Über einen unbefestigten Weg geht es mit dem Wagen bergauf, linkerhand erstreckt sich das weite Tal. Die Sonne flirrt, lässt den Horizont durchsichtiger erscheinen. Vor uns liegt ein ebenerdiges, fast schon bezugsfertiges Lehmgebäude. Die beeindruckend große Veranda aus Wacholderholz wurde nach dem Lauf der Sonne ausgerichtet – eine Erinnerung daran, dass Häuser in Mexiko ursprünglich auch Observatorien waren, von denen aus man die Sonne und die Sterne beobachtete, um zu wissen, wann gesät und wann geerntet werden muss.
Die Veranda führt in einen großen, noch unmöblierten Wohnbereich, der mit Kalk verputzt ist. Das Sonnenlicht bricht sich farbenfroh durch ein Altglas-Mosaik, das in eine der Wände eingelassen wurde. Nach einer kurzen Einführung eilt Caballero wieder nach draußen, durch den anliegenden Garten, um sich in einem kleinen Nebengebäude nach dem Befinden des Hausmeisters und seiner Familie zu erkundigen. Wie sich herausstellt, hat sie ihnen gleich ein eigenes Lehmhaus mitgebaut, mit Solaranlage und einem Kühlschrank, der Verdunstungskälte nutzt und ohne Strom funktioniert, wie der Hausmeister und neue Besitzer stolz präsentiert. «Das Haus ist schön kühl, während die Sonne scheint. Nachts ist es auch gar nicht kalt. Unser kleiner Sohn fühlt sich hier schon ganz zu Hause», erzählt der Angestellte glücklich. Caballero bleibt neugierig, stellt ihm weitere Fragen zu Raumklima und Atmosphäre. Sie sorgt sich sichtlich um die Lebensqualität der Familie. Ein starker Kontrast zu den Sozialwohnungen von heute Morgen, die an meinem geistigen Auge vorbeiziehen: die Nähe zur Autobahn, die Fülle an schnell verbautem Beton, der den Bewohnern eher die Zukunft zu verbauen scheint.
Mit Mensch und Natur bauen – nicht gegen sie
Caballero erklärt, wie wichtig es sei, dass Architektur eine Rückverbindung zur Natur ermögliche und Menschen nicht von ihr entfremde. Traditionelle Bauweisen würden dabei helfen. Sie seien ökologischer und gesünder – für die Bewohner wie für die Umgebung, weil die Beziehung zwischen beiden über Jahrhunderte hinweg sorgsam weiterentwickelt worden sei. Eine letzte Frage stelle ich noch: Was wäre, wenn sie einen Auftrag in Deutschland bekäme? Wie sähe ihre Vorgehensweise aus? Alejandra Caballero überlegt kurz: «Ich würde mich dort hinsetzen und beobachten. Schauen, wie das Klima ist. Welches Holz die Schreinereien benutzen. Wie sich die Erde zusammensetzt. Ich würde den Menschen zuhören.» Eine kurze Pause verstreicht. Selten sind solche Worte von Stararchitekten zu vernehmen, die weltweit ihre Konstruktionen errichten und oft vor allem auf die eigene Handschrift pochen. Vor uns steht dagegen eine Architektin, die ihr Leben offensichtlich einer Sache verschrieben hat: mit Mensch und Natur zu bauen – und nicht länger gegen sie.
Wir steigen mit Alejandra Caballero in den Wagen ein und fahren bergab. Die Sonne ergießt sich ins Tal. Mir liegen die Worte des mexikanischen Schriftstellers Juan Rulfo im Ohr: «Die Luft ist frisch, es gibt Sonne und Wolken. Dort oben also ein blauer Himmel, dahinter Lieder, vielleicht bessere Stimmen, kurzum: ein wenig Hoffnung.» Und auf dem Weg zurück in die Megacity wächst in mir die Hoffnung, dass wir die Erde erhalten können – indem wir lernen, wieder mit Erde zu bauen.
«Proyecto San Isidro»
Ökologisches Bauen und gesunde Ernährung: Das Ausbildungszentrum von Alejandra Caballero Cervantes bietet ganzjährig Kurse zu natürlicher Bau- und Lebensweise an. Ein jährlich wiederkehrender Höhepunkt ist der mehrwöchige Workshop zur Biokonstruktion, bei dem Kursteilnehmer lernen, eigene Gebäude mit natürlichen Materialien zu errichten.
Bildstrecke: Lehmbau international Historische und zeitgenössische Bauten aus Lehm
Lehm ist einer der ältesten Baustoffe der Menschheit, ab dem 10. Jahrtausend v. Chr. wurde er in nahezu allen Kulturen eingesetzt. Über ein Drittel der Weltbevölkerung lebt heute in Gebäuden aus Lehm. Im Zuge der Industrialisierung haben Beton und Stahl den natürlichen Baustoff nahezu verdrängt. Aber seit einigen Jahren erlebt Lehm eine Renaissance: Mit kaum einem anderen Material lässt sich so gesund, energieschonend und ökologisch bauen.
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Voll auf Holz
In der Bauindustrie ist Holz eine nachhaltige Alternative zum klimaschädlichen Beton – weshalb der Berliner Architekt Markus Lager ganz auf Holzbau setzt.
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«Die Zeit der Pilze wird kommen»
Komplett recycelbare Baustoffe sind für den Architekten Dirk E. Hebel mehr als eine Vision. Er entwickelt solche Materialien – aus dem Wurzelwerk von Pilzen.