Anstoß für Afrika
Ein Porträt von Constanze Wolk
Der Verein «afrisolar» setzt Projekte zur dezentralen Energieversorgung in Afrika um und will so vor Ort nachhaltige ökonomische Entwicklungen in Gang bringen.
Von Strom aus der Steckdose konnten die Einwohner von Ibaba eigentlich nur träumen. In der Krankenstation standen medizinische Geräte – als Spende und mühsam über Buckelpisten in das tansanische Bergdorf gelangt – mangels Stromanschluss nutzlos herum. Alles, was der Zahnarzt hier für seine Patienten tun konnte, war Zähne zu ziehen.
Dass in Ibaba heute sogar kompliziertere Operationen durchgeführt werden können, ist maßgeblich dem Engagement und dem Know-how von Afrisolar e. V. zu verdanken. Der kleine gemeinnützige Verein mit Sitz in Niedersachsen demonstriert seit fast zehn Jahren in unterschiedlichen Feldprojekten, wie Sonnenenergie und darauf aufbauende Energiedienstleistungen die Lebenssituation der Bewohner in den ärmsten Regionen südlich der Sahara verbessern können.
«Das ist eine extrem spannende Herausforderung», erklärt Tobias Klaus, der seit 2011 Vorstand von «afrisolar» ist, mittlerweile vier bis fünf Monate im Jahr auf dem Schwarzen Kontinent verbringt und daher aus Erfahrung weiß: «In Afrika geht nichts glatt und es kommt immer anders, als man denkt.»
Wer hier Projekte anstoßen und erfolgreich umsetzen will, muss also auf alles vorbereitet sein und reichlich Ausdauer haben. Zum Beispiel wenn das technische Equipment – aus «mysteriösen» Gründen – erst eine Woche später vor Ort ankommt, als vom Spediteur avisiert; der eigens für den Aufbau genommene Urlaub da dann aber schon wieder vorbei ist und deshalb eine erneute Anreise im nächsten Urlaub nötig wird – inklusive doppelter Reisekosten.
Berufung und Beruf verbinden
Für den 48-Jährigen ist es die Gewissheit, letztlich «etwas Gutes zu hinterlassen», die ihn immer wieder motiviert, ein Projekt dennoch «durchzuziehen», dranzubleiben: «Den einen Leuten macht es Spaß, sich an den Strand zu legen, und mir macht es eben Spaß rumzukommen, mich in Afrika auf den Dörfern mit eigentlich ganz banalen Problemen rumzuschlagen, auf ungewohnte Lebensverhältnisse einzulassen und mich zu ärgern, mich zu freuen.»
Berufung und Beruf kann der Politologe dabei geradezu perfekt verbinden: Durch seine halbe Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Nachhaltige Energiekonzepte an der Uni Paderborn ist er sozusagen in Personalunion die Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. Ein Gewinn für alle Beteiligten, denn so lassen sich relativ zügig – «auf dem kurzen Weg» – individuelle Problemlösungen finden und technische Innovationen voranbringen.
Zeigen, was «solar» kann
Technologie- und Wissenstransfer im Bereich Energiewirtschaft ist für Klaus und die rund 30 Vereinsmitglieder aus Deutschland und mehreren afrikanischen Ländern aber lediglich der erste Schritt. «Natürlich ist es schön und wichtig, wenn die Kinder in Afrika abends bei Solarlampen lernen können, anstelle der Petroleumlampen», sagt Klaus. «Aber viel wichtiger ist es eigentlich, dass die Schneiderin und der Schneider abends Licht haben, um nähen und Geld verdienen zu können, damit die Familie besser leben kann.»
Der Ansatz, der dahinter steckt, zielt weit über eine zu lösende Beleuchtungsfrage hinaus und heißt im Fachterminus «armutsorientierte Wirtschaftsförderung durch Energieversorgung aus lokal vorhandenen erneuerbaren Ressourcen». Was zunächst einmal meint: Mit Strom aus der Steckdose dafür zu sorgen, dass die Unternehmer vor Ort ihre Existenz sichern können und so der Abwanderung entgegengewirkt wird.
Im Idealfall sollen durch die Möglichkeit zur Stromerzeugung auf Basis der erneuerbaren Energien vor Ort neue Unternehmenskonzepte entstehen – auch auf Erzeugerebene. Ein Beispiel dafür ist der «Mobile Solar Kiosk», eine Art Regal mit einem Solarmodul darauf und ein paar Steckdosen, um Handys zu laden. Die Idee stammt von einem Unternehmer aus Burkina Faso. Ihn hatte «afrisolar» 2007 unterstützt. «Sein Konzept war, damit ein Franchise-Unternehmen aufzubauen», erklärt Klaus. Ein Geschäftsmodell, «mit dem am Ende jeder glücklich ist und das über lange Jahre gut funktioniert hat.» Das Konzept wurde inzwischen in andere Regionen «exportiert» und weiterentwickelt.
Individuelle Lösungen finden
Rund zehn Projekte zur ländlichen Stromversorgung in Subsahara-Afrika hat Tobias Klaus inzwischen federführend betreut – von der Konzeptentwicklung und der Suche nach Unterstützern und Kooperationspartnern über Fundraising bis hin zur Implementierung vor Ort. Alles in allem ist allein das bereits eine vergleichsweise große Aufgabe für einen kleinen Verein, der hierzulande ausschließlich ehrenamtlich arbeitet. Eines der größten Vorhaben verwirklichte «afrisolar» zusammen mit der «Herrnhuter Missionshilfe» Anfang 2015 in der 1.600-Seelen-Gemeinde Ibaba im Hochland von Südwesttansania. Projektvolumen: rund 160.000 Euro plus hunderte unbezahlte Arbeitsstunden.
«Hauptziel war, die Gesundheitsversorgung im Dorf zu verbessern», erklärt Klaus. Er habe Fotos gesehen, die Ärzte mit Taschenlampen bei schwierigen Geburten zeigten. Seine Motivation für das Projekt sei da sofort klar gewesen: «Durch Stromversorgung Leben retten.» Konzipiert wurde ein sogenanntes Mini-Grid (Inselnetz) mit 20 Kilowatt Leistung, das inzwischen seit fast zwei Jahren verlässlich aus Sonnenlicht den Strom für die Krankenstation und zwei Klassenräume der Grundschule produziert. «Die Einweihung war dann eine ganz große Sache und ein hoch emotionaler Moment für die Leute», sagt Klaus, der in Deutschland nicht nur vom Solarmodul bis zur letzten Schraube alles besorgt, sondern auch vor Ort selbst in der Hand gehabt hat.
Montiert und angeschlossen wurde die Solaranlage gemeinsam mit rund 50 Helfern aus dem Dorf. «Dass sich die Leute vor Ort direkt beteiligen, ist uns wichtig», sagt Klaus. «Es geht um die Eigentumsidee. Darum, den Leuten zu vermitteln, dass es ihre Anlage ist.» Dazu gehöre auch, Experten auszubilden, die die Anlage betreuen können. Außerdem brauche es ein praktikables Finanzierungskonzept, damit sich der Betrieb langfristig – wie ein eigenständiges Wirtschaftsunternehmen – selbst tragen kann.
Wir wollen nachhaltige Entwicklungen in Gang setzen und das geht nur über ökonomisches Handeln.
In Ibaba rechnet «afrisolar» nun zwar damit, dass die Anlage als Ganze mindestens zwanzig Jahre laufen kann und die Batterien zehn Jahre durchhalten. «Was aber auch bedeutet, dass dann von Irgendjemandem irgendwie neue Batterien beschafft werden müssen.»
Das Geld dafür sollte eigentlich durch die Stromversorgung des gesamten Dorfes eingespielt werden, in Form einer Kooperative. Doch daraus wird nichts. Denn ganz unerwartet hat der tansanische Stromversorger «Tanesco» das entlegene Bergdorf inzwischen ans staatliche Stromnetz angeschlossen. Tobias Klaus sieht die Entwicklung dennoch positiv, vor allem mit Blick auf die Dorfbewohner: «Die freuen sich natürlich. Und wir haben es immerhin geschafft, dass die Krankenstation eine stabile Stromversorgung hat.» Selbstverständlich sei das nicht, da es beim staatlichen Netz viele Stromausfällen gäbe.
Ob die neuen Batterien für die Solaranlage in Ibaba später wieder von «afrisolar» besorgt werden müssen, wird sich zeigen. Auch, ob das Beispiel Ibaba andere Dörfer zur Nachahmung animiert und irgendwann im Land selbst Finanzierungsmöglichkeiten für solche Projekte gefunden werden. «Eigentlich arbeiten wir daran, uns überflüssig zu machen», sagt Klaus. Und das heißt für ihn, wie bei jedem Projekt des Vereins in Afrika: «Ich muss täglich bereit sein, zu sagen: Okay, es kommt doch anders. Und dann einen Plan B, Plan C, Plan D haben und so weiter bis Plan Z. Und wenn das Alphabet zu Ende ist, kommen eben die Zahlen dran.»
Über afrisolar e.V.
Tobias Klaus ist Vorstand des gemeinnützigen Vereins, der durch Förderung einer von kleinen oder mittelständigen Unternehmen getragenen Solarwirtschaft in Subsahara-Afrika etwas gegen die Armut tun will. Die EWS unterstützten das Projekt in Ibaba und freuen sich, wenn der Ausbau von Solaranlagen in Afrika viele Unterstützer findet. Mehr Informationen finden Sie auf der Website von «afrisolar».