Warum wir eine Klimaregierung brauchen
Ein Gastkommentar von Ronja Hofmann, Fridays for Future
Der schwarz-rote Koalitionsvertrag steht – doch Antworten auf die Klimakrise gibt es keine. Das muss sich, so unsere Gastautorin, schleunigst ändern.
Sucht man im Koalitionsvertrag von CDU und SPD nach Klimapolitik, fühlt man sich schnell ins Jahr 2018 zurückversetzt. Die Klimakrise wird zwar alibimäßig erwähnt und man bekennt sich zu internationalen Zielen, doch von konkreten Vorhaben oder gar Maßnahmen, wie diese Ziele erreicht werden sollen, fehlt fast jede Spur. Die Reaktion der Medien und Fachöffentlichkeit – ebenfalls wie 2018: Schulterzucken. Von einer schwarz-roten Koalition erwartet anscheinend niemand etwas anderes.
Und genau da liegt der Fehler. Merz’ Strategie, im Wahlkampf das Wort «Klima» nicht in den Mund zu nehmen, ging überraschend gut auf – er war in der ARD-Wahlarena kurz vor der Bundestagswahl selbst erstaunt darüber, dass kaum über dieses Thema gesprochen wurde. Es ist allerdings eine unterirdische Fehlleistung, die Klimakrise derart demonstrativ totzuschweigen, obwohl 2024 das erste Jahr war, in dem die globale Durchschnittstemperatur von 1,5 Grad überschritten wurde, obwohl Teile Süddeutschlands unter Wasser standen und 326 Menschen bei Überschwemmungen in Spanien starben. Doch während die Klimakrise eskaliert, überbietet sich die Politik im Wahlkampf mit Ankündigungen, wer am meisten Menschen abschieben könne. Dabei belegen Umfragen immer wieder: Ein Großteil der Menschen möchte mehr statt weniger Klimaschutz. Ihnen leuchtet ein, warum wir bei Fridays for Future seit Jahren auf die Straße gehen und streiken: Sie haben die existenzielle Gefährdung durch die Klimakrise verstanden.
Wir dürfen nicht mehr wegsehen
«Strategisch inkompetent» nennt man eine Person, die sich so lange ungeschickt anstellt, bis niemand mehr etwas von ihr erwartet. Aus polternden Auftritten von Merz oder seiner Ankündigung, kein «grüner» Kanzler sein zu wollen, jedoch zu schließen, dass von ihm nichts zu erwarten sei, würde bedeuten, ihn aus der Verantwortung zu entlassen. Das darf nicht sein! Denn nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt: Wir alle haben ein Recht auf Klimaschutz. Jede Regierung muss also eine Klimaregierung sein!
Dass strategische Inkompetenz zu Merz’ Taktik gehört, wurde spätestens im Wahlkampf klar: Während Friedrich Merz verlauten ließ, dass Wirtschaftswachstum sowie Streichungen beim Bürgergeld ausreichen würden, um die nötigen Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft zu tätigen, offenbarte sich bereits wenige Tage nach der Wahl, dass dies eine bequeme Lüge war und er samt seiner Partei nun gezwungenermaßen in der finanzpolitischen Realität aufgewacht ist. Unbegrenzte Schulden für die Verteidigung und 500 Milliarden für Infrastruktur sind nun die Ansagen, mit der Union und SPD aus den Sondierungen kamen. Dass dank der Grünen 100 der Infrastruktur-Milliarden in den Klimaschutz fließen, ist ein wichtiger Schritt. Doch kann dieser Posten nur dann einen positiven Effekt erzielen, wenn die restlichen 400 Milliarden nicht gleichzeitig in die Klimazerstörung fließen. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat berechnet, dass mit jeder eingesparten Tonne Kohlendioxid 200 Euro weniger für Klimaschäden anfallen. Deshalb schlägt deren Direktor, Ottmar Edenhofer, eine so grundsätzliche wie sinnvolle Regelung vor: Nur Investitionen, die tatsächlich CO2-Emissionen reduzieren, dürfen über Schulden finanziert werden.
Das fossile Rollback stoppen
Von solch vernunftgetriebenen Ansätzen sind Union und SPD jedoch Welten entfernt. Es befinden sich nicht nur viel zu wenige Klimaschutzmaßnahmen im Koalitionsvertrag, sondern zahlreiche Vorhaben wie die Rückkehr der Subvention von Agrardiesel in voller Höhe zielen geradezu darauf ab, den Klimaschutz zu konterkarieren und Deutschland zurück ins fossile Gestern zu katapultieren. Auch die geplante Förderung der Kernfusion ist laut der Ökonomin Claudia Kemfert «völlig rausgeschmissenes Geld». Vor allem die Union schien sich in den Verhandlungen mit absurden Vorschlägen wie dem Atomkraft-Wiedereinstieg, der Abschaffung des Gebäudeenergiegesetzes und der Ablehnung eines Tempolimits dem Klimaschutz komplett zu verweigern. Besonders fatal ist der Beschluss, in zusätzliche Gasinfrastruktur zu investieren – aus klimapolitischer wie auch aus geo- und sicherheitspolitischer Perspektive. Denn eine Zusammenarbeit mit «internationalen Gasanbietern» anzukündigen bedeutet nichts anderes, als sich von Autokraten abhängig zu machen.
Stattdessen braucht es klare, sozial gerechte Impulse für die Erneuerbaren. Deshalb fordert Fridays for Future eine Mobilitäts- und Wärmegarantie, die allen den Ausstieg aus dem fossilen Wahnsinn ermöglicht. Wir fordern ein Klimageld, das die Einnahmen aus dem CO2-Preis gleichmäßig an alle Bürger:innen verteilt, wovon Menschen mit niedrigem Einkommen und klimafreundlicher Lebensweise profitieren. Vor allem aber müssen die Bereiche Energieerzeugung, Verkehr und Gebäude grundlegend neu ausgerichtet werden.
Gesamtwirtschaftliche Transformation forcieren
Die Wind- und Solarindustrie boomt weltweit – nicht zuletzt, weil Erneuerbare günstiger als fossile Energien sind, die mit horrenden Summen lange künstlich am Leben gehalten wurden. Es ist an der Zeit, endlich einen klaren Plan für den Ausstieg aus dreckigem Gas vorzulegen, den fossilen Irrweg zu verlassen und dafür zu sorgen, dass Strom wirklich günstig wird. Denn das ermöglicht erst die wirtschaftliche Transformation hin zur Klimaneutralität und senkt zudem die Betriebskosten für Wärmepumpen und E-Autos. Außerdem benötigen wir massive Investitionen beim Verkehr: einen Ausbau der Schiene, ein klares Bekenntnis zu einem erschwinglichen Deutschlandticket und Geld für Kommunen, damit diese den öffentlichen Nahverkehr ausbauen können. Als Drittes müssen sämtliche Gebäude zukünftig hohen Energiestandards entsprechen und klimafreundlich beheizt werden können.Und noch etwas: All das über Schulden zu finanzieren mag zwar bequem sein, ist aber ungerecht gegenüber kommenden Generationen. Deshalb braucht es zusätzlich eine Steuer für Superreiche, Millionenerb:innen und Fossilkonzerne, die ihren Reichtum auf Kosten unserer Zukunft angehäuft haben.
Merz ist – notgedrungen – in der finanzpolitischen Realität angekommen. Höchste Zeit also, dass er auch in der Klimarealität ankommt. Es ist nun an Union und SPD, die Abermilliarden dafür einzusetzen, unsere Lebensgrundlagen konsequent zu schützen. Friedrich Merz hat sich bisher keinen Namen als Klimaschützer gemacht – dafür aber einen als Fähnchen im Wind. Umso wichtiger ist es jetzt, dass ein Orkan von unserer Seite kommt. Wir dürfen unsere Erwartungen nicht danach ausrichten, was unter ihm als Kanzler vorstellbar scheint, sondern an dem, was nötig ist – und nicht weniger sollten wir von der künftigen Regierung erwarten.
Ronja Hofmann
wurde 2003 in Rheinfelden geboren, studiert Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der York University in Toronto. Sie engagiert sich seit 2019 bei «Fridays for Future» und ist seit 2021 unter anderem als Pressesprecherin in München tätig.
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