Lehren in der Klimakrise
Gastkommentar von Matthew Schneider-Mayerson, Übersetzung von Ilka Russy
Matthew Schneider-Mayerson lehrt seit Langem zum Thema Klimawandel – und zeigt Wege auf, trotz Widerständen und Klimaangst ins Handeln zu kommen.
Nach dem jüngsten erschütternden Bericht des Weltklimarats, nach einer weiteren Klimakonferenz mit lediglich bescheidenen Fortschritten, angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise und von Umfragen, die unter jungen Menschen Klimaängste in erschreckendem Ausmaß feststellen, wird für Lehrkräfte weltweit eine Frage immer wichtiger: Auf welche Weise sollen wir jungen Menschen den Klimawandel näherbringen?
Ein kritisches Thema – denn schließlich müssen wir die Tatsache anerkennen, dass die Klimakrise mit jedem Aspekt unseres Lebens und unserer Umgebung verbunden ist. Daher sind letztlich Lehrkräfte aller Bildungsstufen (von der Grundschule bis zur Universität) und aller Fächer (von den Natur- bis zu den Geisteswissenschaften) mit der Herausforderung einer Klimapädagogik konfrontiert.
Bei der Klimapädagogik geht es um die Wissensvermittlung über die verschiedenen Aspekte der Klimakrise – doch in «Pädagogik» steckt auch das griechische «agogeín», was so viel bedeutet wie «führen» oder «begleiten». Die aktuelle Situation verlangt also von uns Lehrenden, dass wir die jungen Menschen nicht einfach nur über die grundlegenden Aspekte des Klimawandels informieren – vielmehr müssen wir eine Generation von «Klimapionieren» ausbilden und unterstützen.
Die Fakten zu benennen reicht nicht aus
Wir sollten unsere Rolle als Lehrende überdenken. Der Unterricht zum Klimawandel – und zu damit verbundenen Themen wie dem Verlust der Biodiversität und umweltbedingter Ungerechtigkeit – sollte nicht allein auf die Vermittlung von Fakten abzielen. Dieses Bildungsmodell, bei dem davon ausgegangen wird, dass Menschen «rein rationale Wesen» sind, die, sobald sie alle Fakten kennen, automatisch zur Tat (und zwar zur richtigen) schreiten, ist schlicht falsch. Jahrzehnte der Klimawandelleugnung und aufblühender Verschwörungstheorien, aber auch die aktuelle Impfverweigerung und der Anti-Masken-Aktivismus haben das schmerzhaft deutlich gemacht.
Seit über zehn Jahren unterrichte ich zum Thema Klimawandel – zunächst in den USA, jetzt in Singapur –, und die Lage hat sich während dieser Zeit sehr verändert. Zum Glück fühle ich mich nicht mehr wie ein fusselbärtiger Prophet, der vor zwielichtigem Publikum das Ende der Welt verkündet. Der Klimawandel wird heute allgemein als menschengemachtes, schwerwiegendes und drängendes Problem verstanden – als «Krise» oder «Notfall», also als eine Situation, die ein fächerübergreifendes Verständnis und eine offensive globale Reaktion erfordert.
Schülerinnen und Schüler nicht in den Unterricht einzubeziehen, führt zu mangelndem Verständnis und schwächt die Fähigkeit, mit der Krise umzugehen.
Anhand der Beobachtungen meiner Kolleginnen und Kollegen, in Diskussionen an Universitäten sowie durch die Lektüre wissenschaftlicher Arbeiten zur Umweltpädagogik und die Reflexion über meinen eigenen Unterricht habe ich allerdings festgestellt: Werden die Schülerinnen und Schüler im Unterricht nicht mit einbezogen, führt dies zu einem mangelnden Verständnis des Themas und schwächt gleichzeitig unsere kollektive Fähigkeit zum Umgang mit der Krise. Das gilt auch für die Wissensvermittlung außerhalb des Klassenzimmers – sei es durch Eltern, Großeltern, Geschwister oder Vorbilder. Hinzu kommt, dass wir bei der Aufklärung über eine immer wärmer werdende Welt zwei entscheidende Dinge häufig übersehen.
Die Rolle der Emotionen in der Klimapädagogik
Der erste Aspekt ist die Emotion: Was sollen Studierende zum Thema Klimawandel empfinden? Die Emotionssoziologie hat festgestellt, dass Gefühlsnormen unsere Empfindungen in Bezug auf verschiedene Anlässe leiten. Allerdings funktionieren diese Normen vorwiegend in Situationen wie Smalltalk oder Liebesbeziehungen, während sie bei anderen, wie bei kollektiven, globalen Herausforderungen, ins Leere laufen. Einige meiner Studierenden kommen bereits mit der Erfahrung schlimmer Klimaängste in meine Seminare. Bei anderen trage ich die durchaus belastende Verantwortung, ihnen die Augen für einige zutiefst beunruhigende Tatsachen zu öffnen. In solchen Momenten bin ich vielleicht die Person in ihrem Leben, die am meisten über den Klimawandel weiß und sich damit «öffentlich» auseinandersetzt. Daher bekommen sie von mir unbewusst Hinweise darauf, welche Art von Gefühlen man zu diesem Thema entwickeln könnte – genauso wie sie auch aus dem Verhalten ihres Freundeskreises, von Personen des öffentlichen Lebens und Akteuren in sozialen Netzwerken oder in Film und Literatur Hinweise für sich ableiten.
Sollten wir die Klimakrise eher mit Objektivität und Desinteresse betrachten? Die meisten Lehrkräfte werden dazu ausgebildet und oft auch angehalten, lediglich die Fakten zu vermitteln – wie beispielsweise hier in Singapur, wo Umweltfragen bisher eher als Angelegenheiten der Wissenschaft, des Ingenieurwesens und der Technologie eingeordnet wurden.
Anteilnahme fördern und Orientierung bieten
Doch sollten junge Menschen stattdessen Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit empfinden? Meiner Erfahrung nach verlassen viele Studierende Kurse zu Umweltthemen mit derartigen Gefühlen – andere meiden solche Kurse gleich ganz, weil sie in dem Ruf stehen, Stimmungskiller zu sein. Und wie sollen Studierende denn auch angesichts der Flut an schlechten Nachrichten Optimismus verspüren? Es schmerzt mich, sie leiden zu sehen, und ich gerate deshalb immer wieder in Versuchung, meine Seminare mit «Aber mit der richtigen Politik und ein bisschen Innovation wird alles gut» zu beenden – selbst wenn das nicht stimmt.
Oder sollen die Studierenden ihre Emotionen zulassen, spüren, diskutieren und verarbeiten – Emotionen, die von ihrer grundlegenden Anteilnahme, Sorge und Verbundenheit mit der Natur zeugen? Könnten sie nicht diese Gefühle, so belastend sie auch sein mögen, als Antrieb für ein sinnvolles Handeln nutzen? Genau dazu möchte ich die Studierenden heute ermutigen. Ich beginne damit, mir selbst bewusst zu machen, dass mein Unterricht immer auch von meinen Affekten beeinflusst ist und die Studierenden sich unbewusst an der Art meiner Darlegung orientieren.
Im Idealfall würden Bildungseinrichtungen reagieren und das Thema Klimawandel in alle Bereiche des Lehrplans einbeziehen.
Das führt bei uns Lehrkräften zu einer zusätzlichen Belastung: Wir müssen nicht nur bei einem sich ständig weiterentwickelnden Themengebiet auf dem Laufenden bleiben und einen Unterricht gestalten, der sowohl lehrreich als auch anregend ist, sondern wir haben die zusätzliche Aufgabe, emotionale Orientierung beim Thema Klimawandel zu bieten. Das ist schwer. Vielleicht ist es auch ungerecht, aber das ist der Klimawandel auch.
Im Idealfall wären Bildungseinrichtungen wachsam, besorgt und flexibel genug, um auf den Klimawandel zu reagieren, indem sie diese Thematik bewusst in alle Bereiche des Lehrplans einbeziehen. Sie würden Kurse in Umweltsozialwissenschaften anbieten oder Schülerinnen und Schüler Umwelttagebücher führen lassen, um ihnen zu helfen, ihre Gefühle zu erkennen und zu verarbeiten. Und sie würden Diskussionen darüber anregen, wie man im Anthropozän ein moralisches, sinnerfülltes und glückliches Leben führen kann – um dabei wertvolle Lektionen über Ethik, Emotionen und Resilienz zu vermitteln.
Da es aber eine immense Herausforderung bedeutet, Bildungseinrichtungen zu verändern, ist mit einer solchen Entwicklung in naher Zukunft wohl nicht zu rechnen. Fürs Erste können Lehrkräfte aber anerkennen, dass Emotionen von entscheidender Bedeutung sind, wenn es um das Lernen über und die Reaktion auf die Klimakrise geht, und entsprechend handeln.
Individuelle und gemeinsame Handlungsoptionen aufzeigen
Der zweite vernachlässigte Aspekt in der Klimapädagogik: Lehrende und Institutionen müssten vielfältige Möglichkeiten für kollektives Handeln aufzeigen. Klimaängste können einen einzelnen Menschen niederschmettern. Doch in der Gemeinschaft werden sie erträglicher, denn die kann Orientierung geben und Normen für den Umgang mit diesen Gefühlen entwickeln. Ein Bildungsmodell, das auf reine Faktenvermittlung baut, geht davon aus, dass die Lernenden wissen, wie sie ihre Erkenntnisse in Handeln übersetzen können. Meine eigenen Forschungsarbeiten und zahlreiche weitere haben jedoch gezeigt, dass dem nicht so ist: Viele Menschen mit den besten Absichten erkennen zwar intellektuell den Ernst der Lage, sind aber der Meinung, dass minimale oder nur vermeintlich produktive Maßnahmen (wie Recycling oder der Kauf eines Hybrid-SUV) ausreichend seien.
Gerade weil schon so viele junge Menschen über die Klimaveränderungen beunruhigt sind, meine ich, dass die Sensibilisierung für dieses Thema oftmals nicht mehr die wichtigste Aufgabe der Lehrkräfte ist. Vielmehr sollten Lehrende und Institutionen die Lernenden auf wirksame Maßnahmen aufmerksam machen, die sie ergreifen können, und auf Gruppen, denen sie sich anschließen können. Individuelle Schritte (wie eine Verringerung des Fleischkonsums) sind wertvoll und können anderen signalisieren, dass man sich Gedanken macht und bereit ist, etwas zu ändern – aber sie haben nur relativ geringe Auswirkungen. Viel wirkungsvoller ist kollektives Handeln, sei es durch Mitgestaltung der Politik oder durch Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Gruppen zur Stärkung der sozialen Widerstandsfähigkeit.
Vielfältige Wege aufzeigen, ins Handeln zu kommen
Mittlerweile schließe ich meine Einführungskurse damit ab, den Studierenden Lektüre zum Thema Klimawandel und Emotionen auszuhändigen und ihnen im Unterricht ausreichend Zeit zu lassen, mit anderen Studierenden vertrauensvoll über die damit verbundenen Gefühle zu diskutieren und diese zu verarbeiten. Ich spreche offen über meine eigene emotionale Entwicklung und die Art und Weise, wie der Klimawandel mein Denken, mein Leben und meine Zukunftsplanung beeinflusst hat. Außerdem gebe ich meinen Studierenden Gelegenheit, darüber zu sprechen, wie sich ihre Gefühle, ihr Alltag und ihre Wahrnehmung des Klimawandels im Laufe des Semesters verändert haben. Die Studierenden wiederum tauschen ihre Erfahrungen darüber aus, wie es war, diese Themen im Freundeskreis und mit Familienmitgliedern zu besprechen und welche Strategien sie in solchen Gesprächen anwenden.
Ich lade Gäste aus lokalen Initiativen oder studentischen Organisationen ein, die ihre eigenen Erfahrungen mit Klimabewusstsein, Bildung und Aktivismus mit den Studierenden teilen. Mir ist es wichtig, hervorzuheben, dass es ein breites Spektrum an Möglichkeiten gibt, sich für eine gerechtigkeitsorientierte Bewältigung des Klimawandels einzusetzen, beispielsweise indem man schreibt, organisiert, protestiert, politische Entscheidungen trifft, ein Amt bekleidet, eine bessere Zukunft erdenkt, neue Lebensstile ausprobiert oder sich um andere kümmert. Vielleicht sogar, indem man unterrichtet.
Klimapädagogik ist immer auch die Vermittlung hilfreicher Ressourcen, Modelle oder Handlungsmöglichkeiten.
Ich mache deutlich, dass von den Studierenden nicht erwartet wird, dass sie ebenso fühlen oder handeln wie ich oder andere. Oder dass sie überhaupt irgendwie handeln. Das wäre unangebracht – denn schließlich ist es mein Anspruch, alle Arten von Studierenden in meinen Seminaren willkommen zu heißen.
Noch unangebrachter wäre es, in unserer aktuellen Situation über den Klimawandel zu dozieren, ohne dabei die emotionale Dynamik des Lernens zu berücksichtigen. Es wäre brutal, den jungen Menschen lediglich die Augen für eine in Flammen stehende Welt zu öffnen und ihnen dann einen schönen Sommer zu wünschen. Das nämlich wird ihnen nicht helfen, ihre Verzweiflung und Untergangsstimmung abzuwehren – und es wird uns nicht helfen, einen lebenswerten Planeten zu erhalten. Daraus erwächst eine essenzielle Anforderung an die Klimapädagogik: nämlich der jungen Generation Wissen über hilfreiche Ressourcen, Modelle oder Handlungsmöglichkeiten zu vermitteln. Denn nur damit unterstützen wir sie dabei, das werden zu können, was wir so dringend benötigen: eine Generation von Klimapionieren.
Prof. Matthew Schneider-Mayerson
Matthew Schneider-Mayerson ist Assistenzprofessor für Umweltstudien am «Yale-NUS College» in Singapur, wo er über Klimawandel, Umweltpolitik und Umweltliteratur schreibt und lehrt. Er promovierte an der «University of Minnesota» in Minneapolis und ist unter anderem Mitherausgeber von «An Ecotopian Lexicon» (2019) sowie Autor von «Peak Oil: Apocalyptic Environmentalism and Libertarian Political Culture» (2015). Seit 2015 lebt er in Singapur.
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