Energiesparberatung

Foto: © Stromspar-Check

#WirSparenDas

Beim «Stromspar-Check» greifen der Kampf gegen Energiearmut und sozial-gerechter Klimaschutz erfolgreich ineinander – das Projekt läuft bereits seit 15 Jahren.

«Wir müssen Sozialpolitik und Klimaschutz zusammen denken»

Energiearmut ist in Deutschland keineswegs eine neue Erscheinung, auch wenn sie in der aktuellen Krise mit neuer Vehemenz in den Vordergrund tritt. Seit anderthalb Jahrzehnten schon arbeitet der «Stromspar-Check» mit Energiesparberatungen in einkommensschwachen Haushalten daran, deren Energiekosten zu senken. Aber das ist nicht alles: mit dem Projekt werden Menschen als Stromsparhelfer:innen in sinnhafte Beschäftigung gebracht und natürlich wird auch ein Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen geleistet.

In der Zentrale des Stromspar-Checks in Frankfurt laufen die Fäden zusammen. Dort werden im Austausch mit den Mitarbeiter:innen der 150 «Stromspar-Check»-Standorte in Deutschland neue Projektideen entwickelt und gemeinschaftlich umgesetzt. Wir sprachen mit Carolin Oppenrieder, «Fachkoordinatorin Energiearmut und sozial-gerechter Klimaschutz» in der Frankfurter «Stromspar-Check»-Zentrale, über Wege aus der Energiearmut und die Notwendigkeit der sozial-gerechten Ausrichtung aller Klimaschutzmaßnahmen.

Frau Oppenrieder, Energiearmut ist in aller Munde. Was genau ist das eigentlich?

Carolin Oppenrieder: Das ist keine einfache Frage, denn die eine Definition gibt es nicht. Die Definitionen unterscheiden sich von Land zu Land und in Deutschland gibt es bislang leider keine offizielle Definition und daher auch keine eindeutige Zahl von Betroffenen. Wir sagen, Energiearmut besteht, wenn Menschen finanziell nicht in der Lage sind, angemessen zu heizen oder wenn sie z. B. zwischen dem Kauf von Lebensmitteln, dem Stromverbrauch und der Temperatur in ihrer Wohnung abwägen müssen. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass diese Menschen sich sowieso schon sehr stark einschränken. Offizielle Zahlen besagen, dass in Deutschland 16 Prozent der Bevölkerung von Armut gefährdet sind. Wir gehen davon aus, dass diese Zahl steigen wird. Angesichts der aktuellen Energiepreisexplosionen könnten bis zu 30 Prozent der Menschen in Deutschland von Energiearmut betroffen werden. Das ist eine Schätzung, wird allerdings von aktuellen Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft unterstützt.

Der «Stromspar-Check» wird jetzt 15 Jahre alt. Was war damals der Motor für die Gründung?

Die Wurzeln des Projekts liegen bei ein paar engagierten Menschen im Umweltdezernat der Stadt Frankfurt und im Bereich Beschäftigungsförderung des Frankfurter Caritasverbands, die sich 2005 zusammen überlegt haben, langzeitarbeitslose Menschen als Stromsparhelfer:innen in eine sinnhafte Beschäftigung zu bringen. Der Fokus lag damals vor allem auf der Beschäftigungsförderung. 2008 kam dann der Kontakt mit der Energieagentur in Freiburg, die gemeinsam mit dem Büro Ö-Quadrat mit der Energieberatung für einkommensschwache Menschen ein ähnliches Projekt durchführten, aber sehr viel mehr Fokus auf den Energiesparaspekt legten und auch die entsprechende Expertise haben. Aus dieser Bündelung von Kompetenzen entstand der heutige «Stromspar-Check», bei dem die Caritas mit dem Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen zusammenarbeitet.

Welche Rolle spielt der Klimaschutz beim «Stromspar-Check»? Einkommensschwache Haushalte emittieren ja deutlich weniger CO2 als die Wohlhabenden, auch wenn diese klimabewusst sind.
Muss man sie noch moralisch unter Druck setzen?

Ganz grundsätzlich setzen wir uns schon immer dafür ein, dass Sozialpolitik und Klimapolitik zusammen gedacht und umgesetzt werden. Sozialpolitik muss klimafreundlich gestaltet werden und Klimapolitik sozialgerecht. Da sind unsere Urgründer natürlich vorbildlich gewesen, auch mit ihrem offenen Blick, ihrem Engagement und ihrer Kreativität.

Mit Blick auf die Teilnehmenden an den Beratungen des «Stromspar-Check» ist der Klimaschutz natürlich für diese oft nicht der primäre Ansatz. Erstes Ziel ist es, dass diese Menschen Geld sparen. Der Aspekt des Klimaschutzes spielt aber auch eine wichtige Rolle, denn er gibt den Betroffenen das Gefühl, indem sie Emissionen reduzieren auch ihren Teil am Dienst an der Gesellschaft beizutragen. Und natürlich ist jedes Gramm eingespartes CO2 von Bedeutung.

Wie hat sich die Situation seit Beginn der Krise verändert?

Natürlich hat sich die Lage der einkommensschwachen Menschen nochmal sehr verschärft, denn nicht nur Energie, auch die Lebensmittel sind sehr viel teurer geworden. Große Sorgen macht uns darüber hinaus auch, dass diese Problematik jetzt umfangreicher wird und auch stärker in die Mittelschicht schwappt. Wenn noch mehr Menschen verzweifeln, die 40 Stunden in der Woche arbeiten und sich trotzdem keine warme Wohnung mehr leisten können, erhöht das die Gefahr der weiteren gesellschaftlichen Spaltung enorm.

Wie kann man dem entgegenwirken?

Nicht erst seit der Energiekrise fordern wir, dass die Regelsätze für z.B. im ALG II angehoben werden. Bereits 2015 haben wir in einer gemeinsamen Studie mit dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) nachgewiesen, dass diese zu niedrig sind und die tatsächlich anfallenden Kosten nicht abdecken.

Aber natürlich müssten zum Beispiel auch die Häuser saniert werden. Gerade einkommensschwache Familien wohnen oft in schlecht gedämmten Häusern und verbrauchen unverschuldet mehr Energie zum Heizen. Hier sehe ich einen wichtigen Ansatzpunkt, wo Sozialpolitik und Klimapolitik sehr viel besser ineinandergreifen müssten. Denn es kommt vor, dass einkommensschwache Familien aus sanierten Wohnungen ausziehen müssen, weil das Sozialamt die erhöhte Kaltmiete nicht mehr zahlt, obwohl sie dann ja bei den Nebenkosten sparen.

Erreichen Sie denn alle Menschen, die von Energiearmut betroffen sind?

Unsere Mitarbeitenden in den lokalen Standorten tun sehr viel dafür, die Betroffenen zu erreichen. Sie klinken sich in die lokalen Netzwerke ein, sind bei den Schuldnerberatungen, in der Quartiersarbeit und an Infoständen präsent. Dennoch erreichen wir nicht alle Menschen und das ist auch schwierig. Viele wissen zum Beispiel gar nicht, dass sie berechtigt sind, einen «Stromspar-Check» in Anspruch zu nehmen. Oft werden auch Sozialleistungen nicht beantragt, das hat viel mit Scham, Überforderung und fehlendem Wissen zu tun.

Können denn nur Hartz IV-Empfänger:innen einen «Stromspar-Check» machen?

Nein, auch das ist nur wenig bekannt. Der «Stromspar-Check» steht vielen weiteren Bevölkerungsgruppen offen: Haushalten, die Wohngeld oder den Kinderzuschlag beziehen genauso wie Soziahilfeempfänger:innen, Inhaber:innen von lokalen Sozialpässen oder Menschen mit einer geringen Rente. Auch alle Menschen, deren Nettoeinkommen unter dem Pfändungsfreibetrag liegt – das sind derzeit für eine alleinstehende Person 1.330 Euro netto –, können einen «Stromspar-Check» machen lassen.

Wie sieht Ihre Bilanz nach 15 Jahren aus?

Wir haben seit 2008 mehr als 400.000 «Stromspar-Checks» durchgeführt. Diese Haushalte sparten bis zu 20 Prozent Energie ein, das sind pro Haushalt und Jahr bis zu 420 Kilogramm CO2. Und ich würde sagen, es gibt bei diesem Projekt viele Gewinner:innen. Die Teilnehmenden sparen Geld ein und die Stromsparhelfer:innen haben eine sinnhafte Beschäftigung, viele sind auch in der Rente ehrenamtlich dabeigeblieben. Weitere Gewinner:innen sind natürlich die Kommunen und der Bund, denn durch den Spareffekt reduzieren sich bei ihnen auch die zu zahlenden Kosten der Unterkunft. Und natürlich gewinnt das Klima durch die Einsparungen bei den CO2-Emissionen. Aber insgesamt bleibt viel zu tun, mit oder ohne Krise.

#WirSparenDas

Lassen Sie uns gemeinsam Energie sparen, das Klima schützen – und Solidarität leben! Wir können der aktuellen Energiekrise – und auch künftigen – nur dann aus dem Weg gehen, wenn wir den Verbrauch fossiler Energien so schnell wie möglich reduzieren und gemeinsam, wo immer es geht, Energie einsparen. Wir wollen das mit Ihnen gemeinsam angehen!

Die Kampagne ist beendet.
Vielen Dank an alle Teilnehmenden!

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