Es sollte ein großer Wurf auf dem Weg zur Klimaneutralität werden: endlich ein Fahrplan in Richtung Klimaneutralität im Gebäudesektor, eine der großen Baustellen im deutschen Klimaschutz. Doch stattdessen erhitzte die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes die Gemüter derart, dass sie über Monate hinweg die Schlagzeilen beherrschte.
Die populistische Ausschlachtung des Themas inklusive einiger irreführender Begriffe wie «Heizungsverbot» sorgte für große Verunsicherung in der Bevölkerung – auch uns erreichten besorgte Nachfragen von Kund:innen. Nun soll der inzwischen mehrfach abgeänderte Gesetzesentwurf nach der Sommerpause im Parlament beschlossen werden.
Höchste Zeit, das Thema Heizen einmal etwas zu versachlichen und zu sortieren. Wir haben Peter Ugolini-Schmidt, energiepolitischer Sprecher der EWS und Leiter unseres Teams «Politik und Verbände», gefragt, wie wir beheizte Wohnungen und Klimaschutz zusammenbekommen.
Als jemand, der das politische Berlin täglich beobachtet: Wie bewertest Du das Gebäudeenergiegesetz und das Gezerre darum?
Es ist grundsätzlich begrüßenswert, dass ein Anfang gemacht ist, sich ganz von den Fossilen zu verabschieden und ein Startdatum dafür vorzugeben. Der Bereich Gebäudewärme ist neben dem Verkehrssektor das größte Sorgenkind beim deutschen Klimaschutz – zwei Drittel unserer Wärmeerzeugung laufen noch über fossiles Gas und Jahr für Jahr werden die Klimaschutzziele im Gebäudesektor gerissen.
Wir haben ja bereits 2021 eine Studie veröffentlicht, die erstmals die hohen Klimakosten von Erdgas beziffert – damals war ja noch die Erzählung von der Brückentechnologie Gas vorherrschend. Die Studie, die das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) für uns durchgeführt hat, weist nicht nur auf die Wichtigkeit des Erdgasausstiegs hin, sondern zeigt auch eine Roadmap auf, wie wir das gemeinsam erreichen können. Der russische Angriff auf die Ukraine, so schrecklich er auch ist, hat noch einmal eine andere Dynamik reingebracht, weil Deutschlands bisheriger Hauptgaslieferant viele weitere gute Gründe vorgebracht hat, sich möglichst schnell von diesem klimaschädlichen Energieträger zu verabschieden. Insofern ist es super wichtig, dass nach all der vertrödelten Zeit die Dekarbonisierung der Gebäudewärme endlich konkret angegangen wird.
Und hilft das Gesetz, die Klimaziele zu erreichen?
Der erste Entwurf hat zumindest klargemacht, dass fossile Brennstoffe in der Wärmeerzeugung keine Zukunft mehr haben. Dass es nun nach den ganzen Änderungen die Tür zum Gasverbrennen noch länger offen lässt, ist rein aus Klimaschutzsicht natürlich kontraproduktiv. Aber wenigstens gibt es nun einen Plan und den Fossilen dämmerts langsam: Es geht uns jetzt wirklich an den Kragen. Neben denen im GEG verankerten Förderansätzen und dem Ordnungsrecht gibt es noch ein weiteres mächtiges flankierendes Instrument, das wir als EWS gerne stärker eingesetzt gesehen hätten: die CO2-Bepreisung.
Der CO2-Preis hat ja auch in unserer Studie eine große Rolle gespielt. Ein verlässlich ansteigender Preis für die Verschmutzungsrechte setzt zusätzliche marktliche Anreize, vom Verbrennen fossiler Rohstoffe für die Gebäudewärme schneller wegzukommen. Der CO2-Preis lenkt Investitionen hin zu Erneuerbaren, weil diese bei steigendem CO2-Preisniveau immer attraktiver werden im Vergleich zu den teureren Fossilen. Es ist schade, dass die Ampel hier nicht mehr Entschlossenheit zeigt und zum Beispiel den Preispfad im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) stärker anhebt.
Das Gleiche gilt für die Einführung des Direktzahlungsmechanismus (das sogenannte Klimageld), um soziale Härten aus einer steigenden CO2-Bepreisung bei einkommensschwachen Haushalten entsprechend abzufedern. Auch dieser Schritt ist aus unserer Sicht längst überfällig. Aber was nicht ist, das kann ja noch werden.
Was würdest du noch kritisieren?
Der Zeitpunkt, zu dem das Gebäudeenergiegesetz rausgegangen ist, war ungünstig und hat meines Erachtens auch dem weiteren Prozess erheblich geschadet. Parallel wurde ja auch noch am sogenannten Wärmeplanungsgesetz (WPG) gearbeitet, das u.a. die kommunale Wärmeplanung regelt. Es wäre viel stimmiger gewesen, das Wärmeplanungsgesetz zuerst zu machen und dann mit dem Gebäudeenergiegesetz ins Detail zu gehen. Von daher ist es sinnvoll, wie in der Nachbesserung geschehen, Wärmeplanungs- und Gebäudeenergiegesetz stärker miteinander zu verzahnen. Das war ja eine der Forderungen des Roundtable Wärmewende, an dem die EWS auch beteiligt waren.
Was hat es mit dem Roundtable Wärmewende auf sich?
Das ist eine Diskussionsrunde, die sich aus verschiedenen Akteuren der Energie- und der Wohnungswirtschaft zusammensetzt. Das sind kommunale, genossenschaftliche und rein privat organisierte Unternehmen, sowohl aus dem urbanen als auch dem ländlichen Raum, die überlegen, wie vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in den jeweiligen Regionen die Wärmewende ganz praktisch umgesetzt werden kann.
Der Roundtable Wärmewende hat vor kurzem ein Policy Paper herausgegeben, in dem unter anderem auch auf die Notwendigkeit einer integrierten Energieleitplanung vor Ort verwiesen wird. Die im Wärmeplanungsgesetz (WPG) vorgesehene Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung unterstützen wir daher ausdrücklich.
Kommunale Wärmeplanung – was heißt das konkret?
Vereinfacht gesprochen geht es darum, dass die Kommunen verpflichtet werden, Pläne zu erarbeiten, um einen Überblick über die aktuelle Wärmeerzeugung in den jeweiligen Regionen zu bekommen. Das sieht je nach Standort sehr unterschiedlich aus: Welche Energieträger sind vorherrschend? Welche Wärme-Infrastruktur ist vorhanden? Welche Technologien stehen realistischerweise zur Verfügung, um die Wärmeversorgung vor Ort zu dekarbonisieren?
Solche Pläne sollen auch dabei helfen, Bürger:innen Orientierung zu geben, ob ihr Haus oder ihre Wohnung absehbar zum Beispiel an ein Nahwärmenetz angeschlossen wird oder ob die Wärmepumpe die bessere Lösung ist. Es geht auch darum, die umsetzenden Akteure vor Ort, zum Beispiel Stadtwerke oder Bürgerenergiegenossenschaften, zusammenzubringen und einen koordinierten Prozess aufzusetzen. Gegebenenfalls müssen insbesondere die kleineren Kommunen mit Förderungen befähigt werden, damit sie zu diesem Zweck beispielsweise neue Stellen einrichten können. Dann könnten die regionalen Stärken für eine gelingende Wärmewende besser ausgespielt werden. Wir haben – dank der Praxiserfahrung der Akteure – beim Roundtable festgestellt, dass diese sehr unterschiedlich ausfallen können.
München zum Beispiel bietet recht großes Potenzial für Geothermie. In Hamburg setzt man unter anderem auf Großwärmepumpen, über die das städtische Abwasser als Wärmequelle genutzt und die Wärme dann über ein Wärmenetz verteilt wird. In den neuen Bundesländern wird viel Erneuerbarer Strom erzeugt, aber wenig Last nachgefragt. Hier bietet sich an, auf Direktstromheizungen oder die Wärmepumpe zu setzen. Und wir als EWS bauen Nahwärmenetze im ländlichen Raum, die wir mit Biomasse betreiben, beispielsweise Totholz und Restholzbestände, die im Schwarzwald nun mal reichlich anfallen, sodass wir für die Wärmeerzeugung nicht extra Holz schlagen müssten.
So eine kommunale Erfassung und Planung klingt allerdings zeitaufwendig …
Man muss aber nicht überall bei null anfangen und kann vielerorts schon auf etwas aufbauen. In Bundesländern wie Baden-Württemberg läuft bereits eine kommunale Wärmeplanung, auch die Daten sind an vielen Stellen bereits erhoben, man muss sie nun effizient zusammenführen. Viele Kommunen haben bereits Klimaschutzprogramme oder –manager:innen, die ihre Erfahrung beitragen können. Es gibt so viele Bürgerenergiegesellschaften, die bereits aktiv sind, die Wärmewende lokal voranzutreiben. Auch das ist eine zentrale Forderung des Roundtables: Gerade im ländlichen Raum können Akteure wie Genossenschaften, die lokal verankert sind und hohes Vertrauen genießen, einen wichtigen Beitrag leisten, die Wärmeversorgung sozialverträglich und schnell umzustellen, wie etwa durch Nahwärmenetze.
Dafür müssen diese Akteure allerdings die richtigen Rahmenbedingungen haben. Wir erleben derzeit zum Beispiel, dass lokale Banken vor der Finanzierung von Nahwärmenetzen immer mehr zurückschrecken. Gerade für private Akteure, wie zum Beispiel Genossenschaften, wird der Zugang zu Fremdkapital zunehmend herausfordernder. Wir plädieren daher dafür, dass umfassendere staatliche Bürgschaftsprogramme bereitgestellt werden, um die Finanzierungsbedingungen zu verbessern. Andernfalls droht der Aufbau grüner Wärmenetze zu scheitern. Das Gebäudeenergiegesetz hat einen recht starken Fokus auf Wärmepumpen gelegt, was auch dazu führte, dass in der populistischen Debatte viele Unwahrheiten über diese Technologie verbreitet wurden. Die Wärmepumpe ist aus unserer Sicht ganz zentraler Lösungsbestandteil, aber sie ist eben auch nicht überall DIE Lösung.
Wir appellieren an die Bundesregierung, hier noch stärker bottom-up zu denken, denn jede Region hat ihre individuellen Ausgangsbedingungen und Potenziale, und die sollten auch ausgeschöpft werden. Wärmenetze sind an dieser Stelle ein ganz wichtiges Vehikel, denn sie ermöglichen es, erneuerbare Wärme aus unterschiedlichsten Quellen sowie Abwärme zu integrieren. Nur so werden wir es in der gebotenen Schnelligkeit schaffen, uns aus der Abhängigkeit von fossilen Importen zu lösen.
Was rätst Du Menschen, die jetzt durch die teilweise recht überhitzte Diskussion übers Heizen verunsichert sind?
Die Diskussion ums Gebäudeenergiegesetz war streckenweise wirklich unsäglich. Diese Verunsicherung wurde gezielt geschaffen. Da wurden so viele Falschinformationen gestreut, von Leuten, die gerne kritisieren, aber selbst keine bessere Lösung anzubieten haben. Also, zuallererst: Ruhe bewahren. Erst einmal das finale Gesetz abwarten, das am Ende verabschiedet wird, sodass man überhaupt beurteilen kann, auf welcher Grundlage man die Entscheidung über die nächste Heizung trifft. Spätestens im Herbst gibt es mehr Klarheit.
Zweitens: Aus den letzten bekannten Anpassungsvorschlägen zum Gesetzesentwurf ist ersichtlich, dass es für den Umbau eine ganze Menge Förderung geben wird, sodass diejenigen, die sich den Umbau nicht leisten können, nicht allein gelassen werden. Und Drittens: Nicht alles glauben, was – gerade seitens der Opposition – so gestreut wird. Nicht an der fettesten Schlagzeile oder dem emotionalsten Social-Media-Posting orientieren, sondern lieber sachliche und vertrauenswürdige Quellen zurate ziehen.