Text/Foto: Vladimir Slivyak (Ecodefense), aus Dubai
Auf der Teilnehmerliste der COP28 finden sich ein Dutzend Mal mehr Businessleute als indigene Menschen. Bei der Auftaktveranstaltung wurden dem Forum indigener Völker (International Indigenous Peoples' Forum on Climate Change, IIPFCC) nur zwei Minuten Redezeit eingeräumt.
Obwohl Menschen indigener Nationalität weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, beschützen sie 80 Prozent des Biodiversitätsschatzes auf diesem Planeten. Die Abholzungsrate in ihren Waldgebieten ist zwei bis drei Mal niedriger als beim Rest der Welt, und die Areale ihrer Gemeinden speichern alleine fast ein Viertel der oberirdischen Kohlenstoffmenge der Erde.
Obwohl Menschen indigener Nationalität weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, beschützen sie 80 Prozent des Biodiversitätsschatzes auf diesem Planeten.
Eine Frage von Leben und Tod
Für die indigenen Menschen bedroht der Klimawandel ihre Ökosysteme, ihre Ernährungsgrundlage und ihre gesamte Kultur. Die Reduzierung von Emissionen ist für sie eine «Frage von Leben und Tod» – diese eindringliche Botschaft versuchen sie bei jeder möglichen Gelegenheit auf der COP28 zu vermitteln. Ihre Vertretungsorganisationen fordern auf der COP28, die Anstrengungen zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu verdoppeln und treten für höhere Investitionen in lokale, ökologische Klimalösungen ein.
Indigene Anführer:innen aus Tropenwaldgebieten rufen zu einer Neubewertung der unzureichenden Klimaschutzpläne auf, die letztlich die Natur und die Menschen bedrohen.
Gegen falsche Lösungen
Die Global Alliance of Territorial Communities (GATC), ein Zusammenschluss von Menschen aus 24 Ländern des Amazonas- und Kongobeckens, fordert von der internationalen Gemeinschaft ein Vetorecht für lokale indigene Gemeinschaften gegen die Gestaltung und Umsetzung fragwürdiger Klimalösungen, welche in einigen Regionen bereits ihre territorialen Rechte verletzen und die Ökosysteme schädigen.
Eine dieser «falschen Lösungen», von denen die indigenen Gemeinschaften sprechen, ist die Schaffung von Kohlenstoffmärkten. «Die Idee, Elemente der Natur in Waren zu verwandeln, ist absurd. Es ist eine Beleidigung der Naturgesetze, welche die indigenen Gemeinschaften zu respektieren haben», sagt Pema Wangmo Lama Mugum aus Nepal.
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«Kohlenstoffmärkte, Kompensationsgeschäfte und Geoengineering reduzieren die Emissionen nicht, sondern schaffen neue Formen der Kolonisierung, Militarisierung, Kriminalisierung und des Landverlusts. Wir fordern ein Moratorium für Aktivitäten, die unsere Rechte verletzen.»
Kohlenstoffmärkte und andere Technologien wie die direkte Abscheidung (Carbon Capture) dienen der Fossilindustrie als Feigenblatt, um die verstärkte Förderung fossiler Rohstoffe zu rechtfertigen.
«Das brasilianische Amazonasgebiet, in dem mein Volk lebt, wird zu einer Wüste werden, wenn das globale Wirtschaftssystem weiterhin der Ausbeutung der Ressourcen und dem Profit Vorrang vor der Gesundheit unseres Planeten und der Menschen einräumt.»
Vertreter:innen indigener Völker fordern die Staats- und Regierungschefs auf, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und Schutzmaßnahmen und Finanzmittel für lokale indigene Gemeinschaften bereitzustellen. Dies muss in den Plänen für die Energiewende und den aktualisierten nationalen Plänen zur Emissionsreduzierung eine zentrale Rolle spielen.
Naturnahes Wirtschaften ist möglich – und gewinnbringend
«Das brasilianische Amazonasgebiet, in dem mein Volk lebt, wird zu einer Wüste werden, wenn das globale Wirtschaftssystem weiterhin der Ausbeutung der Ressourcen und dem Profit Vorrang vor der Gesundheit unseres Planeten und der Menschen einräumt. Wenn wir den derzeitigen Kurs der Entwicklung nicht ändern, wird dies das Ende unseres Wissens, unserer Praktiken und Traditionen sein, von denen Tiere, Pflanzen und das Klima abhängen.
Wenn wir nicht die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die biologische Vielfalt zu erhalten, kann die Zukunft der Welt und die Zukunft unseres Volkes mit einem Wort beschrieben werden: Wüste.» Das sagt Cristiano Juliano, ein Vertreter des Volkes der Pancararu aus dem brasilianischen Amazonasgebiet. Die Vertreter:innen der indigenen Gemeinschaften gründen ihre Appelle nicht nur auf bloße Ablehnung. Sie zitieren eine aktuelle Studie des World Resources Institute über den Amazonas. Diese zeigt, dass indigene Ökonomien nicht nur real, sondern auch profitabel sind – eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Umsetzung von «bioökonomischen» Modellen, die auf der Nachahmung und Erweiterung des traditionellen Wirtschaftens beruhen, wie es in indigenen Gebieten existiert, das Bruttoinlandsprodukt der brasilianischen Wirtschaft um 40 Milliarden Brasilianischer Real (7,5 Mrd. Euro) steigern, 312.000 Arbeitsplätze schaffen und die Kohlenstoffspeicherung in den Waldböden um 19 Prozent erhöhen könnte. Dies würde die Region auch widerstandsfähiger gegen Umwelt- und Wirtschaftskrisen machen.