(aktualisiert am 20.2.2023)
Es ist eine verflixte Geschichte. Viele klimabewusste Bürgerinnen und Bürger sind schon seit Jahren bei echten Ökostromanbietern, um gesichert Strom aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien zu beziehen. Da ist es nachvollziehbar, dass diese die Erwartung haben, dass sie als Bezieher:innen von Ökostrom von der Preisexplosion bei fossilem Gas in 2022 nicht betroffen sein sollten. Warum das leider nicht so ist, wollen wir hier erklären.
Ökostromanbieter sind Teil des Gesamtmarktes
Ganz übergeordnet lässt sich sagen, dass der Strompreis, wie viele andere Preise auch, in Europa den Gesetzen des freien Marktes folgt. Als Ökostromanbieter sind wir Teil des Gesamtmarktes für Strom und damit auch von der Preisbildung an den europäischen Energiehandelsbörsen abhängig. Dort treffen Stromanbieter (z.B. Kraftwerksbetreiber), Stromabnehmer (z.B. Energieversorger) und Stromhändler (z.B. Banken) aufeinander. Gehandelt wird dort der Strom in Lieferverträgen mit ganz unterschiedlichen Laufzeiten. Das können Strommengen direkt für die nächste Stunde, aber auch Verträge auf Jahre im Voraus sein.
Der wesentliche Mechanismus dahinter ist die sogenannte Merit-Order. Der Preis über die Merit-Order bildet sich hauptsächlich über die sehr kurzfristigen Verträge zur Lieferung von Strommengen für den kommenden Tag im sogenannten Day-Ahead-Handel. Für diesen Zeitraum ist die tatsächliche Stromproduktion besser abschätzbar, da zum Beispiel eine solide Vorhersage der Erneuerbaren-Produktion dank verlässlicherer Wetterprognosen möglich wird. Auch die Preise für Lieferverträge, die auf den sogenannten Terminmärkten weiter in der Zukunft liegen, basieren auf dem von den Marktteilnehmer:innen erwarteten Day-Ahead-Preis zum Zeitpunkt der künftigen Lieferung.
Die Merit-Order gruppiert alle zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Stromerzeugungskapazitäten entlang ihrer kurzfristigen Produktionskosten, das sind insbesondere die Brennstoffkosten. Die Fachleute sprechen hier von den Grenzkosten der jeweiligen Erzeugungstechnologie. Da bei der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Wasser keine Brennstoffkosten anfallen, werden diese Anlagen in der Regel immer zuerst genutzt, um die Stromnachfrage zu einem bestimmten Zeitpunkt zu decken. Erst wenn die Stromnachfrage nicht ausreichend durch Erneuerbare gedeckt werden kann, kommen konventionelle Kraftwerke (AKW, Stein-/Braunkohle, Gas) zum Zuge.
Explodierende Gaspreise verteuern Stromerzeugung
Jedoch ist es aber so, dass der Strompreis für alle Kraftwerke sich immer an dem Kraftwerk orientiert, das eingeschaltet wird, um die letzte Stromnachfragerin zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bedienen. Das heißt, dass immer das teuerste Kraftwerk den Preis auch für alle anderen vorgibt. Und zu den teuersten Stromproduzenten gehörten schon immer die Gaskraftwerke. Mit der kriegsbedingten Preisexplosion beim Erdgas sind deren Kosten noch einmal drastisch angestiegen und haben so zugleich die Stromerzeugung insgesamt verteuert und damit auch die Beschaffungskosten. Der Anteil der Erneuerbaren Energien reicht leider noch nicht aus, um stets die gesamte Stromnachfrage über den Tag hinweg zu decken. Daher ist es notwendig, weitere Kraftwerke, wie z.B. Gaskraftwerke, zuzuschalten, die vor allem im vergangenen Jahr aufgrund des Gaspreisanstiegs extrem hohe Brennstoffkosten hatten. Dies hat den kurzfristigen Börsenstrompreis enorm verteuert und auch das Verkaufsverhalten von Anbietern erneuerbaren Stroms jenseits der Börse beeinflusst.
Die EWS beschaffen ihren Strom nicht direkt an der Strombörse, sondern über Direktstrombezugsverträge mit Betreibern von Erneuerbare Energien-Anlagen und im sogenannten außerbörslichen Stromhandel (OTC). Dennoch gilt für die Verkäufer von Erneuerbare Energien-Strom (EE-Strom) der Börsenstrompreis als wichtigste Orientierungsmarke. Die Betreiber haben nämlich immer auch die Möglichkeit, ihren EE-Strom nicht an die EWS, sondern z.B. direkt am Spotmarkt der Strombörse in Leipzig zu verkaufen, wenn wir als Ökostromanbieter nicht einen bestimmten Preis zu zahlen bereit sind.
Zudem wird der Endkundenpreis von vielen Faktoren bestimmt, wie etwa der Marktlage und der Beschaffungsstrategie. In den Strompreis fließen nicht nur die Gestehungskosten (= Kosten für die Stromerzeugung), sondern auch die gestiegenen Netzentgelte sowie Steuern und Abgaben ein, sodass auch die Anbieter mit der allergünstigsten Strombeschaffung ihren Preis nicht beliebig absenken können. Jedoch: In Sachen Gestehungskosten ist Erneuerbarer Strom schon jetzt deutlich günstiger als fossiler. Und das wirkt bereits preisdämpfend auf den Gesamtmarkt. Daher muss der Anteil der Erneuerbaren Energien weiter stark ausgebaut werden, sodass die Stromnachfrage immer häufiger vollständig mit Ökostrom gedeckt werden kann. Denn umso seltener muss ein konventionelles Kraftwerk zugeschaltet werden, das aufgrund seiner Brennstoffkosten den Preis in die Höhe treibt.
Politik hat den Ausbau der Erneuerbaren Energien verschlafen
Dass Deutschland in diese missliche Lage überhaupt erst gekommen ist, hängt auch mit der verfehlten Energiepolitik früherer Bundesregierungen zusammen, die weiter auf fossile Energien gesetzt und uns abhängig von russischem Gas gemacht haben. Und das auf Kosten einer größeren Energieunabhängigkeit durch Erneuerbare Energien, die uns weniger anfällig für solche Energiekrisen gemacht hätte. Diese explodierenden Strompreise hätte es dann nicht gegeben. Damit verbunden sei auf einen Klimareporter°-Beitrag der Energieökonomin Prof. Dr. Claudia Kemfert verwiesen, die die energie- und klimapolitischen (Fehl-)Entscheidungen der letzten 16 Jahre ausführlich recherchiert und in ihrem Buch «Schockwellen» aufgearbeitet hat.
Preiserhöhung in 2023 ist unvermeidlich
Da wir eine solide Strategie verfolgen und die Strommengen für unsere Kund:innen lange im Voraus beschaffen, konnten wir die Preise für unsere Bestandskund:innen in 2022 noch stabil halten. Aber auch diese Verträge laufen nach und nach aus und sind damit zunehmend von den Preissteigerungen an den Energiemärkten betroffen, sodass auch wir für 2023 die Preise erhöhen mussten. Jedoch wird die von der Bundesregierung beschlossene Strompreisbremse dazu führen, dass Sie als Kund:in zunächst im gesamten Jahr 2023 finanziell entlastet werden.
Hier weiterführende Informationen
Um Ihre Stromkosten zu senken, empfiehlt es sich, überall dort Energie zu sparen, wo möglich. Umfangreiche Praxisbeispiele und Tipps für die unterschiedlichen Einsparpotenziale haben wir im Zuge unserer Kampagne #WirSparenDas gegeben. Diese können Sie hier nachlesen
Es bleibt zu hoffen, dass sich die immer noch sehr volatile Situation an den Energiemärkten in den kommenden Monaten stabilisiert – leider haben wir darauf keinen Einfluss. Wünschenswert wäre jedoch eine Reform des Strommarktes in dem Sinne, dass Ökostrom-Kund:innen auch auf ihrer Stromrechnung bzw. im Geldbeutel den preisgünstigeren Unterschied von Erneuerbaren Energien im Verhältnis zu den kostenintensiveren fossilen Energien zu spüren bekommen.
Bezug von Ökostrom bleibt alternativlos für Energie- und Klimawende
Durch den Bezug von Ökostrom helfen Sie als Kund:in, die fossil-atomare Stromerzeugung aus dem Markt zu drängen und die Stromerzeugung durch Erneuerbare zu fördern. Und damit werden auch die Strompreise immer weiter sinken. Und da die EWS selbst und in Kooperation mit Partnern bundesweit auch selbst Photovoltaikanlagen, Wärmenetze und Windparks planen, errichten und betreiben sowie mit dem Förderprogramm «Sonnencent» bürgereigene Kraftwerke unterstützen, tragen wir aktiv zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und zur Verdrängung der fossilen Energien bei – und damit auch zur Strompreisdämpfung.