Es gibt sie noch, die Reisenden, die in bunten Anzügen gekleidet und mit meterlangen Tragetaschen bepackt im Freiburger Hauptbahnhof aus dem ICE steigen, um in heller Vorfreude auf das winterliche Vergnügen die Nahverkehrszüge Richtung Hochschwarzwald zu besteigen. Es zieht sie durchs Höllental zu den Skiliften rund um den 1.277 Meter hohen Feldberg oder zu den Langlaufpisten bei Hinterzarten und Titisee. Ab Dezember sind die Wintersportgebiete im größten deutschen Mittelgebirge meist gut besucht, das Skizentrum am Feldberg wurde in den vergangenen Jahren dafür nochmals aufwändig und mit viel Geld modernisiert und erweitert.
Doch ist das noch angemessen? Immer wieder sieht man Winterurlauber:innen einige Tage nach Ankunft traurigen Blickes wieder von dannen ziehen. Bleiben die Hänge im Schwarzwald doch oftmals auch in der Hauptsaison zwischen Dezember und Februar grünbraun und wintersportuntauglich. Und dort, wo Schneekanonen nachhelfen, wird es so voll auf den Pisten, dass sportlich Ambitionierte lieber Richtung Schweizer Alpen weiterreisen.
Studie belegt dramatischen Rückgang von Schnee in Skigebieten
Trotz klimabedingt kürzerer und schneeärmerer Winter scheint die Lust auf Wintersport jedoch ungebrochen. Laut Deutschem Ski-Verband (DSV) fahren rund 7,4 Millionen Deutsche regelmäßig Ski, hinzu kommen nach Verbandsangaben 2,36 Millionen Langläufer:innen und gut 2 Millionen Snowboarder:innen. Ein französisch-österreichisches Forscherteam hat in einer umfassenden Analyse 2.234 Skigebiete in 28 europäischen Ländern untersucht und die Ergebnisse im Fachjournal «Nature Climate Change» veröffentlicht.
Demnach könnte es schon sehr bald noch enger werden auf den Hängen und Pisten und in den Après-Ski-Bars. Denn etwa der Hälfte aller Skigebiete in Europa wird es bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad Celsius an Schnee mangeln. Und selbst bei einer – inzwischen unwahrscheinlichen – Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad sind laut dieser Studie 32 Prozent der Skigebiete Europas stark gefährdet.
«Künftig wird es darauf ankommen, für den Tourismus alternative Angebote zu schaffen», sagt dazu Holger Cecco-Stark, Leiter des Bereichs «Corporate Social Responsibility» (CSR) beim Outdoorhändler Bergzeit. «Dies könnte ein Angebot mit Winterwanderungen, Sport- und Wellnessaktivitäten, aber auch der Ausbau kultureller Angebote sein.»
Der Outdoorhändler «Bergzeit» setzt konsequent auf Nachhaltigkeit
Das bayerische Unternehmen, Partner der EWS, setzt in allen Unternehmensbereichen auf Nachhaltigkeit, von der Photovoltaikanlage auf dem Firmengebäude über interne Abläufe bis hin zu den Produkten selbst. Gleichermaßen als Reaktion auf den Klimawandel, wie auch aus Gründen des Klimaschutzes, plädiert Cecco-Stark für ein Umdenken im Wintersport-Sektor: «Als Outdoorhändler beziehen wir uns ausschließlich auf Sport in der freien Natur - das heißt im Winter auf Skitouren und Schneeschuhgehen. Die Auswirkungen des Klimawandels sind ja bereits jetzt erkennbar: dazu gehört eine kürzere Wintersaison mit weniger Schnee. Der klassische Skiurlaub zu Weihnachten wird daher immer seltener werden.»
Der Versuch, die Schneesicherheit mit künstlicher Beschneiung wiederherzustellen, sei keine nachhaltige Lösung. Denn die aufwändige Installation, der hohe Wasser- und Energiebedarf treiben die Kosten in die Höhe und haben einen negativen ökologischen Einfluss.
Statt also den Wintersport künstlich aufrechtzuerhalten, rät Holger Cecco-Stark dazu, sich den neuen Bedingungen anzupassen. Die Outdoor-Branche wie auch der Tourismus müssten die kürzeren Winter anerkennen. «Auf der anderen Seite verlängert sich die Herbstsaison und die Frühjahrssaison beginnt früher.» Könnte heißen: Wer zum Winterurlaub in den Schwarzwald reist, sollte Wanderstiefel statt Skischuhe einpacken – oder im Zweifel beides. Denn, so Cecco-Stark: »Es ist wichtig, dass alle Beteiligten bereit sind, flexibel auf die neuen Situationen zu reagieren.»
Bergsteigerdörfer ohne Schneekanonen
Während manche wintertouristische Regionen weiter versuchen, mit Schneekanonen zu retten, was nicht zu retten ist (den durchgängig weißen Winter), passen sich einzelne Skiorte bereits den geänderten Bedingungen an. Eine ganze Reihe von «Bergsteigerdörfern» der Alpenvereine folgt den Zielen der Alpenkonvention, die eine nachhaltige Entwicklung im gesamten Alpenraum anstrebt. Sie haben sich auf die Fahnen geschrieben, «natürliche Grenzen» zu respektieren. Dies bedeute für die örtlichen Tourismusanbieter unter anderem «eine besondere Zurückhaltung bei der technischen Erschließung des Gebirgsraumes.»
Eines dieser Dörfer ist Schleching in den Chiemgauer Alpen. «Schleching hat sich schon lange vom intensiven Skitourismus verabschiedet. Wir machen einen sanften Skitourismus, nur mit Naturschnee», versichert Josef Loferer, der Bürgermeister des 1.800-Seelen-Dorfes. Das Konzept werde wunderbar angenommen, sagt Loferer in einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks. Für die Urlauber:innen bedeutet dies aber auch: Der Schlepplift in Schleching läuft, wenn es die natürliche Schneelage zulässt. Ansonsten steht er still.
«Bergsteigerdorf» darf sich nur nennen, wer diese länderübergreifende Auszeichnung von den jeweiligen Alpenvereinen erhält. Statt großer Liftanlagen und Massentourismus müssen die Orte ihren Gästen dazu umfassende naturnahe Alternativen bieten. In kürzer werdenden Wintern gehören dazu zwar auch Abfahrt und Langlauf, aber genauso Schnellschuhwandern oder, wenn der Schnee ausbleibt, Winter- oder Laternenwandern. Inzwischen tragen knapp 40 Dörfer das Siegel und stehen für die Umsetzung der zeitgemäß-nachhaltigen wie zukunftsträchtigen Kriterien.
Bei allem Engagement für den Klimaschutz werden sich alle Protagonist:innen im Wintersport – von der Outdoor-Branche über die touristischen Destinationen bis hin zu den Urlauber:innen selbst – auf Änderungen einstellen müssen. In vielen Mittelgebirgen wird kein Wintersport mehr möglich sein, in hohen Lagen nur noch in kurzen Zeitfenstern. Und in Zukunft wird das Erlebnis Winter vielen Menschen in Europa ganz verborgen bleiben. Denn, so das Resümee des Beitrags «Klimawandel: Kann man in 20 Jahren noch Ski fahren?», «je wärmer es wird, desto seltener wird es möglich sein, im Tal einen Schneemann zu bauen, auf Naturschnee lang zu laufen oder auf 1.000 Meter Seehöhe eine Skitour zu starten – das ist der klimatische Trend.«
Bildnachweise:
Titelfoto by Carlos Vives | Quelle: Adobe Stock | Ort: Skigebiet in Sierra Nevada (Andalusien)