Kreischend fressen sich die Sägeblätter durch das harte Buchenholz. Teilen die Bohlen zunächst in schmale Leisten, zerschneiden diese anschließend in handliche Stücke, welche zum Schluss zu den abgerundeten Grundkörpern der späteren Schuhbürsten gefräst werden. Laut und staubig ist es in dieser ersten Produktionshalle der Bürstenfabrik Frank. Würden die Sägespäne nicht durch ein weites Rohrsystem abgesaugt, man sähe die Hände nicht mehr vor Augen. Und die größeren Holzabfälle schaffen die Arbeiter körbeweise aus der Sägerei.
«Früher haben wir unseren Nachbarn und Landwirten aus dem Ort die Späne gratis überlassen, damit sie damit heizen können», berichtet Stefan Ganzmann, der Inhaber der traditionsreichen Bürstenfabrik in Schönau, «wir mussten die Abfälle ja irgendwie loswerden.» Zwar wurden die Späne schon früher zur Beheizung der Fabrikgebäude und des angrenzenden Wohnhauses genutzt. Die anfallenden Mengen übertrafen aber bei weitem den Bedarf. «Wir mussten die Abfälle ja auch in den Sommermonaten verbrennen», erinnert sich Ganzmann, «dann haben wir im wahrsten Sinne des Wortes zu den Fenstern heraus geheizt.» Und es ist eine große Menge Holzabfall, die bei der Herstellung nach dem Sägen, Fräsen und Hobeln übrigbleibt. Denn das Unternehmen, das mehr als 60 Markenhersteller beliefert, produziert pro Jahr etwa acht Millionen Bürsten.
Wertvolle Abfälle
Als das Nahwärme-Team der EWS von dem ungenutzten Potential in der Nachbarschaft erfuhr, ging alles sehr schnell. «Wir mussten ohnehin die Heizungsanlage erneuern. Da kam das Angebot der EWS sehr recht, die anfallende Wärme in das Schönauer Netz einzuspeisen», berichtet Ganzmann. So versorgt das mittelständische Unternehmen heute nicht nur die eigenen Produktions- und Büroräume mit Wärme aus den eigenen Holzabfällen, sondern auch noch einen Teil der Schwarzwaldgemeinde. Über die Lüftungsanlage werden die Späne in ein großes Silo geblasen, wo sie gelagert werden. Bei Bedarf werden sie von dort direkt in die beiden Brenner transportiert, die aus der Heizzentrale durch EWS-Mitarbeitende ferngesteuert werden. Seit Herbst 2019 liefert die Firma Frank Bürsten so Wärme in das Schönauer Wärmenetz – inzwischen etwa 750 Megawattstunden (MWh).
Aus Tradition erneuerbar
Für Stefan Ganzmann, der den Familienbetrieb in vierter Generation führt, fügt sich der Schritt des Unternehmens zum Wärmelieferanten nahtlos ein in die Tradition eines Unternehmens, das bereits in seinen Anfängen auf regenerative Energieerzeugung setze: «Schon vor hundert Jahren wurde Wasser aus dem Flüsschen Wiese abgezweigt, mit dem dann die Wasserkraftanlage betrieben wurde, die noch heute den größten Teil unseres Strombedarfs deckt.» Anfangs die einzige Energiequelle in einer Region, die bis weit ins 20. Jahrhundert von der öffentlichen Stromversorgung abgeschnitten blieb, wurde die eigene Turbine unter dem Firmengebäude später zu einer Art Familienhobby. «Als die Anlage in den 1990er Jahren runderneuert werden musste, war das keine lukrative Investition. Es ist der Leidenschaft meines Vaters und meines Großvaters für Maschinen und Technik zu verdanken, dass wir noch heute Strom aus eigener Wasserkraft nutzen können.»
Nach Inkrafttreten des Erneuerbaren Energiegesetzes (EEG), das in den 2000er Jahren einen regelrechten Photovoltaik-Boom auslöste, war es eine Mischung aus kaufmännischer Kalkulation, technischer Begeisterung und ökologischer Überzeugung, die dazu führte, dass auf dem Dach der Bürstenfabrik Frank eine PV-Anlage installiert wurde. «Damals war es die gute Einspeisevergütung für den Solarstrom, die es uns ermöglichte, eigenen Solarstrom zu produzieren», weiß Ganzmann. Inzwischen hat das Unternehmen eine zweite PV-Anlage auf der Holzlagerhalle installieren lassen, «weil die Kosten dafür gesunken sind und wir den Strom für unsere eigenen E-Fahrzeuge nutzen können».
Arbeiten mit der Natur
2023 wurde Frank Bürsten vom Land Baden-Württemberg als vorbildliches Energieeffizienz-Unternehmen mit dem «Gipfelstürmer-Award» des Netzwerks regionale Kompetenzstellen Energieeffizienz (KEFF) ausgezeichnet. Ein klein wenig Stolz, vor allem aber eine gehörige Portion Begeisterung sind denn auch unüberhörbar, wenn Stefan Ganzmann von der Entwicklung der alten Bürstenfabrik zu einem ökologischen Vorreiter spricht. Eine einfache Erklärung, warum es dazu gekommen ist, hat er indes nicht: «Vielleicht hat es mit dem Produkt zu tun, das wir schon seit jeher aus Naturstoffen produziert haben. Meine Vorfahren haben immer einen Blick dafür gehabt, was vor Ort zu erhalten und nutzbar ist, ob Holz und Rosshaar für die Bürsten oder eben Wasser für die Energieerzeugung. Wir denken und handeln heute ganz ähnlich, irgendwie nachhaltig aus Familientradition.»
Alle Fotos: Albert Josef Schmidt
Erstveröffentlichung des Artikels: 9.11.2021