Dass Menschen sich zusammentun, um die Stromerzeugung mit Wind und Sonne in die eigenen Hände zu nehmen, ist ein Erfolgsmodell der Energiewende – wie etwa 900 Energiegenossenschaften in Deutschland zeigen. Schwieriger ist es, den aus Gemeinschaftsanlagen erzeugten Strom vor Ort auch gemeinschaftlich zu nutzen.
Dabei gibt es hierfür auch schon ein Modell, das Energy Sharing (wir berichteten). In diesem spricht man von Bürgerenergiegesellschaften (englisch: Renewable Energy Communities, kurz REC), in denen sich Erzeuger und Verbraucher zusammenschließen, um den erzeugten Strom auf kürzestem Wege einzusetzen und unter den Gemeinschaftsmitgliedern zu vergünstigten Konditionen zu nutzen. Dazu besteht eine EU-Richtlinie, die seit Mitte 2021 eigentlich in deutsches Recht umgesetzt sein sollte. In anderen EU-Ländern wie etwa Italien oder Österreich ist sie bereits wirksam.
Die Idee ist gut, doch das Gesetz ist nicht bereit
Obwohl die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vereinbart haben, Energy Sharing zu stärken, ist bislang nicht viel passiert, damit dieser Ansatz in Deutschland praktisch zur Anwendung kommen kann.
Dabei hätte Energy Sharing ein großes Potenzial, zum Gelingen der Energiewende beizutragen. Um ein bisschen Bewegung in das Verfahren zu bringen, haben der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE), das Bündnis Bürgerenergie e.V. und der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. (DGRV) zusammen mit anderen Partnern – darunter auch die EWS – ein Modell für eine Ausgestaltung des Energy Sharings in Deutschland erarbeitet.
«Energy Sharing kann zum echten Game Changer werden.»
Eine Energiewende, die die Menschen mitnimmt
Peter Ugolini-Schmidt, Energiepolitischer Sprecher der EWS, war an der Erarbeitung des Modellvorschlags beteiligt und ist überzeugt, dass das Papier einen guten Weg aufzeigt. «Energy Sharing könnte ein entscheidender Faktor sein, um vor Ort die Akzeptanz gegenüber größeren Erzeugungsanlagen, wie Solarparks oder Windanlagen, zu stärken. Wenn nicht nur Investoren vom Solarpark am Ortseingang profitieren, sondern auch die Bewohner:innen sich über deutlich günstigeren Strom freuen können, wird er sicherlich besser angenommen», erklärt er.
Malte Zieher, Vorstand des Bündnis Bürgerenergien e. V., teilt diese Überzeugung: «Wenn die Energiewende in den nächsten Jahren mit der gewünschten Beschleunigung umgesetzt werden soll, dürfen die Menschen nicht nur Beobachter:innen der vielen neuen Wind- und Solarparks bleiben. Sie müssen den Ausbau der Erneuerbaren selbstbestimmt voranbringen und finanziell davon profitieren können. Energy Sharing kann so zum echten Game Changer werden.»
Prämie für Flexibilität
Das Positionspapier zeigt nicht bloß die Vorteile des Energy Sharing auf, sondern macht auch konkrete Vorschläge zur Definition der Bürgerenergiegesellschaften und zur Ausgestaltung. Ein zentrales Instrument darin ist eine Prämie für den Verbrauch des selbst erzeugten Stroms – je mehr Kilowattstunden aus den selbst betriebenen Anlagen in der Gemeinschaft verbraucht werden, desto höher fällt diese aus.
Eine ähnliche Regelung findet in Italien bereits Anwendung. Der Vorteil dieser Prämie besteht darin, dass sie einen konkreten Anreiz bietet, die gemeinschaftliche Erzeugung und Verbrauch aufeinander abzustimmen. Wenn die Verbraucher:innen ihre E-Autos dann laden, wenn die Solarzellen am meisten Sonnenstrom erzeugen, profitieren sie insgesamt von günstigerem Strom.
«Mit diesem Modell kann Energy Sharing helfen, auf regionaler Ebene Erzeugung und Verbrauch zusammenzubringen. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zur Entlastung und Stabilisierung der Stromnetze,» erklärt Peter Ugolini-Schmidt. Das Thesenpapier spricht sich dafür aus, dass Communities einen vergleichsweise großen Radius von 50 Kilometern umfassen können. «Das bietet die Chance, auch größere Erzeugungsanlagen mit einzubinden, wie Wind- und Solarparks, und die Optimierung von Stromerzeugung und -nachfrage auf regionaler Ebene zu fördern, besonders, wenn auch noch verbrauchsintensive Akteure beteiligt sind, wie zum Beispiel ein landwirtschaftlicher Betrieb oder eine Bäckerei.»
«Damit auch Menschen und Gemeinschaften ohne eigene Immobilien und Flächen die Energiewende mitgestalten können, sollte die Bundesregierung Energy Sharing in Deutschland umfassend ermöglichen.»
Win-Win-Win-Situation
Zusätzlich bietet Energy Sharing auch Menschen die Möglichkeit, gewinnbringend an der Energiewende teilzuhaben, die sonst außen vor wären – etwa Mieter:innen ohne eigenes Dach oder finanzschwache Haushalte. Die Initiator:innen des Papers sehen darum ein großes Potenzial, mit Energy Sharing die Akzeptanz von neuen wie bestehenden Erneuerbaren-Anlagen zu steigern, den Zubau zu beschleunigen, den Strompreis für Endkund:innen zu senken und die Netze zu entlasten.
Das betont auch Dr. Simone Peter, Präsidentin des BEE: «Die Energiewende ist ein demokratisches Teilhabeprojekt. Damit auch Menschen und Gemeinschaften ohne eigene Immobilien und Flächen die Energiewende mitgestalten und von günstigen Erneuerbaren Energien profitieren können, sollte die Bundesregierung den Vorgaben aus Brüssel folgen und Energy Sharing in Deutschland umfassend ermöglichen.»
Bei den Fachpolitiker:innen, denen der Modellvorschlag zugegangen ist, stößt der Entwurf in ersten Reaktion auf Wohlwollen und Interesse. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) spricht inzwischen offen von Energy Sharing, wie die kürzlich aktualisierte Photovoltaik-Strategie verdeutlicht. Bis jedoch ein konkreter Gesetzgebungsvorschlag zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Abstimmung kommt, wird es wahrscheinlich noch etwas dauern.
Titelbild: Cornell Frühaufauf Pixabay