Die Idee, ein zentrales Heizwerk für viele Abnehmer einzurichten, ist in Deutschland bereits über 100 Jahre alt. Was als eher kleinräumige Versorgung begann, erreichte nach dem Zweiten Weltkrieg immer größere Dimensionen und wurde allgemein «Fernwärme» genannt. Ihr Prinzip: Gebäude werden nicht mehr einzeln beheizt, denn die – meist – zentral erzeugte Wärme kommt über Rohrleitungen mit Heißwasser zu einer Übergabestation ins Haus. Die Abgrenzung zur Nahwärme ist unbestimmt, wenn man nur auf die Länge der Anschlussleitungen schaut. Eigentlich müsste man heute aber sagen: Sinnvolle Nahwärme ist, wenn die eingesetzte Energie aus der Region kommt - und nicht, wie bei Kohle, Gas und Öl aus fernen Ländern.
Der Nahwärme-Anschluss – eine Gemeinschaftsaufgabe
Insbesondere in kleinen Dörfern und Gemeinden, die nie an ein (Erd-)Gasnetz angeschlossen worden sind, ist Nahwärme das Klimagebot der Gegenwart. Betreiber von Biogas-Anlagen machten den Anfang, längst sind Holzhackschnitzel und -pellets als Brennstoff sowie Sonnen- und Erdwärme als weitere Versorgungsquellen hinzugekommen. Der Vorteil etwa eines Holz-Zentralkessels besteht nicht nur aus der wesentlich größeren Effizienz, weil die Brenner im optimalen Wirkungsgrad rund um die Uhr durchlaufen können und selbst aus dem Abgas noch verwertbare Wärme gewonnen wird. Durch ihre Filter wird auch die Emissionsbelastung deutlich verringert – das macht sich besonders in Tallagen bemerkbar.
In vielen Fällen geht der Nahwärme-Anstoß von der Gemeinde aus: Wenn nach Ersatz für eine überalterte Rathaus-Ölheizung gesucht wird, kommen mit Schulen, Bauhof und Feuerwehr oft gleich weitere öffentliche Einrichtungen in die Überlegung. Zusammen können sie schon den Kern eines kleineren Wärmenetzes bilden. Richtig lohnend wird es aber, wenn sich auch private Hauseigner, Handwerks- und Gewerbebetriebe und sogar Kirchen entschließen, ihre einzelnen Gebäudeheizungen für den Anschluss ans Wärmenetz aufzugeben. Dazu braucht man erst einmal jede Menge Daten: Womit wurde bisher geheizt? Wie hoch war der Jahresverbrauch? Wie alt ist die Heizanlage? Diese Recherche können auch Bürger/innen selbst übernehmen, denn von Nachbar zu Nachbarin plaudert’s sich vertraut. Und schneller geht es auch.
Ressourcen gemeinsam nutzen
Die Wärme des Heizwerks bringen hochgedämmte Leitungen – je nach Jahreszeit – mit 70 bis 95 Grad Celsius in jedes Haus. Dort sorgt eine kleine Station für die komfortable Weitergabe an Heizkörper und Duschwasser-Speicher. Das abgekühlte Wasser fließt nicht etwa zum Nachbargrundstück, sondern direkt wieder zurück zur Heizzentrale. Bezahlt werden muss eine meist pauschale einmalige Anschlussgebühr sowie der tatsächliche Wärmeverbrauch. Als Ersparnis stehen fortfallende Wartung, Reparaturen und Schornsteinfeger-Gebühren dagegen. Für den Anschluss müssen Straßen oder Gehwege schmal aufgegraben werden. Eine kluge Gemeinde wird versuchen, wo nötig auch zeitgleich Strom- oder Glasfaserkabel mit zu verlegen.
Nahwärmenetze sind übrigens beliebig erweiterbar. Wenn der Bedarf wächst, weil etwa ein Neubaugebiet hinzukommt, können fast an jeder Stelle weitere Heizversorger eingeplant werden: Holzkessel oder Blockheizkraftwerke (die zudem Strom erzeugen), solarthermische Anlagen oder Geothermie mit Wärmepumpen. Gar nicht so selten kann auch ein Gewerbebetrieb überschüssige Abwärme zur Verfügung stellen. In Niedersachsen sorgt beispielsweise die Kooperation mit einer Bürgergenossenschaft dafür, dass Europas größter Backbetrieb für Waffeln und Eishörnchen nicht mehr die Atmosphäre heizt, sondern inzwischen mehr als 150 Gebäude.