Der Landkreis Oberallgäu ist ein typischer ländlicher Raum, in dem die meisten Bewohner:innen für die alltäglichen Abläufe ein Auto brauchen. Benachteiligt sind dort vor allem ältere Bewohner:innen, die ohne Auto leben und natürlich das Klima, das unter dem CO2-Ausstoß der Fahrzeuge leidet. Um hier einen konstruktiven Beitrag zu leisten, startete Helmut Scharpf im Nachbarlandkreis 2019 die Initiative «Ottobeuren macht mobil» mit der Idee, Autofahrer:innen und potenzielle Mitfahrer:innen mit dem gleichen Fahrziel auf einer Online-Plattform zusammenzubringen. Auf diese Weise sollten mehr Menschen mobil gemacht und gleichzeitig das Klima geschont werden, indem der Individualverkehr effizienter genutzt wird. Helmut Scharpf schlug mit großem Erfolg die Werbetrommel für sein Projekt. Inzwischen werben 18 Kommunen im Landkreis Oberallgäu für die Mitfahrplattform mit dem neuen Namen fahrmob.eco.
Vereine als Multiplikatoren der Mitfahridee
Die Koordination hat zunächst die Landkreisverwaltung übernommen. «Das Besondere an dem Mitfahrkonzept von Helmut Scharpf ist, dass auch die Vereine in der Region mit eingebunden sind», sagt Simon Steuer, der das Projekt im Landratsamt betreut. Die Fahrer:innen verpflichten sich nämlich, das eingenommene Fahrgeld von einem Euro für jede angefangenen zehn Kilometer am Jahresende einem Verein ihrer Wahl zu spenden. Das fördert den Gemeinsinn und motiviert die Vereinsmitglieder, für das gemeinschaftliche Fahren zu werben. Wie in vielen ländlichen Regionen spielen die Vereine im Oberallgäu für das soziale Miteinander eine große Rolle. Sehr viele Menschen sind ehrenamtlich in Vereinen aktiv. So stellen sich auch viele Vereinsmitglieder als Fahrer:innen zur Verfügung und machen die Mitfahrplattform darüber hinaus in ihrem Umfeld bekannter. Derzeit sind 89 Vereine dabei, Tendenz steigend. 711 Fahrer:innen haben sich auf der Plattform registriert und stellen ihre Fahrten ein.
Steigerung der Attraktivität mit einer benutzerfreundlichen mobilen App
Simon Steuer ist überzeugt, dass der soziale Faktor auf dem Land der Schlüssel dafür sein kann, dass eine solche Mitfahrplattform wirklich breit angenommen wird. Einen wichtigen Beitrag leistet aber auch die neue Mitfahr-App fahrmob.eco, deren Entwicklung vom Förderprogramm «Sonnencent» der Elektrizitätswerke Schönau mit 39.500 Euro gefördert wurde. «Wir sind überzeugt davon, dass die Beteiligung an der Mitfahrplattform mit dieser benutzerfreundlichen App auf dem Handy noch weiter ansteigen wird», sagt Nadine Hoffmann-Hauser vom Förderprogramm «Sonnencent». Die 18 beteiligten Kommunen im Landkreis steuerten ebenfalls jeweils 1.000 Euro bei.
Der offizielle Start der Plattform wurde im Frühsommer mit einer bunten Informationsveranstaltung gebührend gefeiert, und auch die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller zeigt sich von der Zukunftsfähigkeit des Mitfahr-Konzeptes überzeugt: «Fast 100.000 Autos sind im Landkreis angemeldet, aber nur wenige Busse. Wenn ein paar Autos regelmäßig Mitfahrer befördern, hätte das einen großen Effekt. Es freut mich sehr, dass 18 Gemeinden und die Elektrizitätswerke Schönau sich mit uns zusammengetan haben, um genau das zu ermöglichen. Entstanden ist die Mitfahr-App fahrmob.eco, erweiterbar auf beliebige Kommunen. Der Nutzen für den Klimaschutz ist dabei mindestens so hoch wie für das lokale Vereinsleben. Mir gefällt, dass die Sonnencent-Förderung ein kleiner Beitrag von vielen ist, genau dasselbe Prinzip nutzt auch die Mitfahrplattform fahrmob.eco.»
Mehr Flexibilität durch Verknüpfung mit dem öffentlichen Nahverkehr
Alle Beteiligten sind glücklich darüber, dass das Projekt so erfolgreich gestartet werden konnte, aber natürlich soll noch mehr passieren. «Unsere jüngste Verbesserung ist die Verknüpfung von Bahn und Bus mit Mitfahrangeboten, sodass die Nutzer:innen in ihrer Mobilität noch flexibler agieren können. Zudem gibt es eine technische Erweiterung, die zulässt, dass auch Teilstrecken einer angebotenen Fahrt angezeigt werden», sagt Simon Steuer. Ein weiterer großer Schritt steht im Herbst bevor, wenn voraussichtlich die kreisfreie Stadt Kempten (Allgäu) mit unzähligen Vereinen die Mitfahrplattform fahrmob.eco einführt.
Simon Steuer und sein Team wollen auch weitere Schritte gehen, um noch mehr potenzielle Mitfahrer:innen zu erreichen. So soll die Hochschule in Kempten angesprochen werden, um Studierende zu begeistern, die ja häufig kein Auto besitzen. Darüber hinaus sollen die Seniorenbeauftragten der Kommunen stärker eingebunden werden, um das Angebot bei der älteren Generation bekannt zu machen und Hürden abzubauen.
Bei so viel Engagement der Vereine, der Kommunen, des Landkreises und vieler Oberallgäuer Bürger:innen ist davon auszugehen, dass fahrmob.eco sich als attraktive Alternative zum eigenen Auto etablieren wird.
Titelfoto: Franziska Springer