Aktivisten an der Abbruchkante stehen Schaufelradbagger gegenüber
Klimaschutz

In Lützerath wird das 1,5-Grad-Ziel verteidigt. Die Klimabewegung geht auf die Barrikaden gegen einen faulen Kompromiss, der den Klimaschutz zurückwirft.

Lützerath geht uns alle an!

Für Eilige: So könnt ihr helfen

Ein Dorf, in dem niemand mehr wohnt, wird Anfang 2023 zum Brennpunkt des Kampfes für Klimaschutz in Deutschland. Seitdem beschlossen wurde, dass der Tagebau Garzweiler II zwar nicht mehr in voller Größe erschlossen, aber das Dorf Lützerath weichen soll, um die darunter liegende Braunkohle zu fördern, sind die Fronten zwischen der Klimaschutzbewegung und der Landesregierung und RWE endgültig verhärtet.

Darum geht's 

Das Dorf Lützerath liegt im Gebiet des Tagebau Garzweiler II. Damit soll es dem Braunkohleabbau zum Opfer fallen. Der sich abzeichnende Ausstieg aus der Kohleverstromung hatte schon 2014 für eine Verkleinerung des ursprünglich angedachten Abbaugebiets gesorgt. Verschiedene Initiativen wie etwa Ende Gelände und Alle Dörfer Bleiben wehren sich seit Jahren gegen die geplante Zerstörung der Dörfer, die für etliche Menschen ein unwiederbringliches Stück Heimat darstellen. Eckart Heukamp, der letzte verbliebene Bewohner Lützeraths, hatte sich jahrelang gegen den Verkauf seines Grundstücks an RWE gewehrt. Nach einem Gerichtsentscheid gab er 2022 auf und verkaufte.

Am 22. Oktober 2022 verkündeten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Mona Neubaur, Wirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfahlen, eine Einigung mit RWE. Der Konzern werde nicht 2038, wie im Kohleausstiegsgesetz beschlossen, sondern bereits 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen. Außerdem bleiben die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath sowie Ober- und Unterwestrich erhalten. Nur Lützerath müsse noch weichen, da die darunter befindliche Kohle notwendig sei, um die Energieversorgung für die nächste Zeit zu sichern. 

Die beiden Grünen bemühten sich nach Kräften, das als großen Erfolg für den Klimaschutz zu verkaufen. Doch der Bundeswirtschaftsminister konnte noch so oft vorrechnen, dass nun 280 Millionen Tonnen Kohle im Boden blieben, die Klimaschutzbewegung war schockiert über den anderen Teil: wie viel Kohle mit diesem Beschluss noch gefördert und verbrannt werden soll. 

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«Vor Lützerath verläuft die 1,5-Grad-Grenze» 

Denn würde RWE den Kohleflöz unter und hinter Lützerath – der mächtigste im gesamten Abbaugebiet – wirklich abbaggern und verfeuern, sprechen wir von 280 Millionen Tonnen Braunkohle. Die entstehenden grob 280 Millionen Tonnen CO2 sind unvereinbar mit einem Emissionspfad, der mit den deutschen Klimazielen in Einklang wäre. 

Die Basis für die Entscheidung, Lützerath zu opfern, bilden mehrere Gutachten, die von der Landesregierung NRW in Auftrag gegeben wurden. Nach diesen würden 187 bis 238 Millionen Tonnen Braunkohle aus dem Tagebau Garzweiler benötigt werden. Andere Studien, nämlich die des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und von Aurora Energy Research, kommen zu dem Schluss, dass die Kohle unter Lützerath nicht mehr gebraucht wird. Zudem basierten die von der Landesregierung angegebenen Bedarfsmengen an Kohle auf fragwürdigen Annahmen. Auch bei Mehrbedarf durch eine Gasmangellage und Berücksichtigung des Bedarfs zur Kohleveredelung – die schon zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr anzunehmen ist – würde nach etlichen Studien die Kohle aus den umliegenden Tagebauen ausreichen.

«Kohleausstieg 2030 klingt ja erstmal toll. Aber das symbolische Vorziehen des Kohleausstiegs auf das Jahr 2030 bringt nichts, solange sich nicht die Kohlemengen verringern. Es geht um die absolute Menge an Kohle, die noch in den Kraftwerken von RWE verfeuert wird. Um das 1,5-Grad-Limit nicht zu überschreiten, muss die Kohle unter Lützerath im Boden bleiben.»

Karsten Smid, Campaigner, Greenpeace

Vieles spricht dafür, dass RWE mit der Einigung einen sehr guten Deal für sich gemacht hat. Aus Sicht der Landesregierung ist der Fall politisch und juristisch abgeschlossen und die Abbaggerung Lützeraths alternativlos. Doch dagegen steht eine breite Protestfront aus der Zivilgesellschaft, welche die Missachtung sämtlicher Klimaschutzvorgaben nicht hinnimmt. Seit Monaten ist das verlassene Dorf von Aktivist:innen besetzt; tausende Menschen halten sich im Protestcamp auf.

Am Mittwoch, den 11. Januar 2023, begann die Polizei mit der Räumung des Dorfes. Aufgeben ist für die Aktiven dennoch keine Option.

So könnt ihr unterstützen

Großdemo: Kommt am 14. Januar, 12 Uhr, nach Lützerath an die Tagebaukante! Der Aufschrei aus der Zivilgesellschaft muss laut und unüberhörbar sein, damit den Verantwortlichen gezeigt wird: Wir nehmen diese Klimazerstörung zugunsten von Konzerninteressen nicht hin. Auch wir von den EWS werden vor Ort sein. 

Hier findet ihr alle Infos

Demos: In vielen Städte finden Support-Demos statt, teils spontan angesetzt. Haltet in Social-Media-Kanälen die Augen offen, etwa bei eurer lokalen Fridays- oder Parents for Future-Gruppe.

Schafft Reichweite für das Thema: Postet, twittert, trötet, snappt, was das Zeug hält. Verbreitet (seriöse!) Argumente gegen den Abriss, etwa DIW oder die Moratoriumsforderung von Scientists For Future. Verlinkt die Regierungsparteien oder eure Abgeordneten, damit zumindest deren Kommunikationsstab mitbekommt, dass dieses Thema die Menschen in hohem Maße bewegt.

Politischer Druck: Fordert Abgeordnete zu einer Stellungnahme auf und zeigt ihnen eure Unzufriedenheit. Gerade die Grünen als selbsterklärte Kraft für den Klimaschutz stehen mit der Entscheidung schon unter hohem Druck und haben viel Glaubwürdigkeit riskiert. Die Entscheidung war ein Fehler, aber Fehler können auch rückgängig gemacht werden.

Spenden: Zahlreiche Initiativen wirken mit beim Aktionsbündnis, die unter anderem die Großdemo organisieren. Auch sie brauchen Geld. Fridays For Future, Alle Dörfer Bleiben, Ende Gelände, Extinction Rebellion, Greenpeace oder Campact seien hier nur stellvertretend genannt.