Zu unserem dreißigjährigen Jubiläum der Elektrizitätswerke Schönau wollen wir an ein paar Meilensteine unserer Geschichte erinnern. Ein solcher war sicherlich die Unterzeichnung des ersten Stromliefervertrags auf dem frisch liberalisierten deutschen Strommarkt.
Das Datum, der 11. August 1999, ist gemeinhin aus einem anderen Grund geschichtsträchtig: An diesem Tag erlebte der Süden Deutschlands nämlich eine totale Sonnenfinsternis. Am Tag des «einzig denkbaren solaren Störfalls» hatte das Solartechnikunternehmen Paradigma zur Jubiläumsfeier geladen. Als EWS-Gründer Michael Sladek auf dieser Veranstaltung verkündet, dass die EWS in den bundesweiten Stromhandel einsteigen, zögert Firmengründer Alfred Ritter nicht lange: Noch am selben Tag wird Paradigma der erste Abnehmer von EWS-Strom außerhalb des hart erkämpften Schönauer Stromnetzes.
Alfred Theodor Ritter hat sich vor allem als Geschäftsführer und Beirat des Familienunternehmens Ritter Sport einen Namen gemacht, welches ebenfalls seit langem EWS-Strom bezieht. Für seinen außerordentlich engagierten Einsatz für Umwelt und Erneuerbare Energien wurden dem Unternehmer zahlreiche Preise verliehen – den Titel des «Schönauer Stromrebellen» erhielt er 2001.
Inzwischen hat sich der 71-jährige weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Darum freuen wir uns sehr, dass er sich zum EWS-Jubiläum bereiterklärt hat, mit uns zu sprechen.
Interview
Die Geschichte der EWS fängt mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl an. Auch für Sie gilt der Super-GAU als Erweckungserlebnis …
Naja, eine Erweckung war es nicht direkt, meine Überzeugung war schon da. Aber ich habe direkt spüren müssen, wie schädlich die Atomkraft ist, als ich für die Schokoladenfirma keine Haselnüsse mehr auftreiben konnte, die nicht verstrahlt waren. Die Überzeugung, dass wir von einer so gefährlichen Technologie wegkommen müssen, hat mich dann auch bewogen, die Schönauer zu unterstützen.
Sie haben damals mit Spenden der Bürgerinitiative geholfen, das Stromnetz zu übernehmen. Wie hatten Sie von dem Unterfangen erfahren?
Ich weiß nicht mehr genau, wann der erste Kontakt war, aber ich kannte Michael Sladek bereits. Das war eine so kleine Szene, da begegnet man sich zwangsläufig. Ich fand das jedenfalls sehr spannend. Nach der Strommarktliberalisierung brauchten die EWS dann Kunden, und da fand ich es nur stimmig, dass wir mit der Schokoladenfabrik auch Kunde werden.
Nicht nur mit den Ritter-Sport-Werken, Ihre Umwelttechnikfirma Paradigma war sogar der erste EWS-Kunde außerhalb Schönaus. Was hat Sie bewogen, selbst in den Markt mit Erneuerbaren Energien einzusteigen?
Ich hatte damals festgestellt, dass die Solarthermie eine vollkommen unterrepräsentierte Facette der Energiewende darstellt und sah da großen Handlungsbedarf. Ich habe daraufhin eine kleine Umfrage gestartet – als Psychologe hat man das ja mal gelernt – und festgestellt, dass das auch anderen so ging. Zusammen mit ein paar Ingenieuren, die ich auf dem Weg kennengelernt habe, habe ich dann die Ritter Energie- und Umwelttechnik mit der Marke Paradigma gegründet. Wir haben mit thermischen Sonnenkollektoren und Gas-Brennwertkesseln angefangen.
Zwar gab es damals schon rudimentäre Sonnenkollektoren. Wir haben aber ein Heizungssystem entwickelt, das den Kollektor mit einschließt, und zwar so, dass das nicht nur für technisch interessierte Bastler umsetzbar ist, sondern auch der Alt-Philologe mit Herz es bedienen kann. Das war die Maßgabe: ein einfach zu bedienendes, komplettes Heizsystem.
Wie haben Sie damals mehrere Firmen unter einen Hut gebracht?
Das frage ich mich manchmal auch. Ich konnte vielleicht nicht immer allem gerecht werden. In der Schokoladenfirma war ich als Beiratsvorsitzender zwar eine wichtige Person, aber das war auch keine tagesfüllende Beschäftigung. Also habe ich Paradigma gegründet, und bin darüber auch zu weiteren Firmen geraten, die leider heute nicht mehr bestehen. Ich habe die Erfahrung gemacht: Wenn ich etwas nicht selber mache, ist die Chance, dass es nicht funktioniert, sehr groß.
Unter Ihnen hat die Schokoladenfabrik einige Schritte zu nachhaltigerem Wirtschaften gemacht. Welche Maßnahmen haben Sie eingeleitet, um die Schokoladenproduktion umweltverträglicher zu gestalten?
Die Gesamtheit der Maßnahmen bekomme ich nicht mehr zusammen, es waren jedenfalls sehr viele. Weil wir schon über die EWS geredet haben, fängt es damit an, dass wir atomstromfrei produzieren, schon seit Anfang des Jahrtausends. Wir haben mit einem Blockheizkraftwerk einen Teil unseres Stroms selber erzeugt – und da ein Schokoladenwerk ein hervorragender Abnehmer von Wärme ist, konnten wir damit richtig etwas anfangen. Diese Technologie veraltet allmählich, aber die letzten zwanzig Jahre hat sie uns sehr gute Dienste geleistet.
Weiterhin haben wir alle künstlichen Zusatzstoffe aus der Schokolade verbannt, inzwischen auch alle Aromen, inklusive der natürlichen. Wir haben dafür gesorgt, dass wir die Lieferketten unseres Kakaos sehr gut kennen, bis hin zur Anbaukooperative. In der Fabrik haben wir 90 Prozent des Mülls reduziert. In der Elektrik der Werke haben wir ganz viel umgestellt, um weniger Strom zu verbrauchen … kurz gesagt, es waren viele Maßnahmen.
«Entweder wir lernen, in Harmonie mit der Natur zu arbeiten, oder wir arbeiten nicht mehr so lange, denn die Natur ist stärker.»
War das schon vorher Ziel des Unternehmens, oder gingen diese Impulse von Ihnen aus?
Nein, das kam von mir. Ich war schon lange der Überzeugung – und bin es auch immer noch –: Entweder wir lernen, in Harmonie mit der Natur zu arbeiten, oder wir arbeiten nicht mehr so lange, denn die Natur ist stärker. Also, aus reinem Selbsterhalt, lieber mit der Natur arbeiten.
In welchen Bereichen sind Sie heute noch aktiv? Oder genießen Sie jetzt den Ruhestand?
Ich bin jetzt über siebzig und mittlerweile von fast allen Posten zurückgetreten. Ich bin noch Beiratsvorsitzender von Ritter Sport, aber auch den Posten werde ich in absehbarer Zeit abgeben. Und dann schaue ich mal, was das Leben noch bietet. Ich habe noch genug Pläne, die ich aber hier nicht verrate.
«Ich habe mir immer den Luxus einer eigenen Meinung gegönnt.»
Unser Jubiläum feiern wir unter dem Motto «Die Zukunft liebt Rebell:innen». Wenn Sie zurückschauen, in welchen Situationen waren Sie rebellisch für die Zukunft?
Ich habe mir immer den Luxus einer eigenen Meinung gegönnt. Das ist ein sehr teurer Luxus, da man damit kaum Freunde hat. Man gehört zu keiner Gruppe, man ist kein «Linker», man ist kein «Grüner», man ist kein «Unternehmer», man hat eine eigene Meinung. Selbst zu denken hat immer etwas Rebellisches. Aber für mich ist letztlich alles einer Frage der puren Vernunft.
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