Eine Hand macht ein Kreuz auf einem Wahlschein
Politik und Gesellschaft

Kommunalwahlen sind selten Parteienwahlen. Um die richtige Wahl zu treffen, hilft daher der kommunalpolitische «Klima-Check». Diesen präsentieren wir Ihnen am Ende des Artikels.

Klimaschutz in den Gemeinderat

Am 19. April haben die Elektrizitätswerke Schönau in dem kleinen Ort Döggingen, der Teil der 6.000-Einwohner-Stadt Bräunlingen im Schwarzwald-Baar-Kreis ist, einen Solarparkeröffnet, der nun 25 bis 30 Jahre lang klimafreundlichen Strom für gut 1.650 Haushalte erzeugen wird. Dass die Anlage nach «nur» drei Jahren der Planung und des Baus ans Netz gehen konnte, sei nicht zuletzt der Offenheit in der Gemeinde für Erneuerbare Energien zu verdanken, sagt Felix Kübler, Projektverantwortlicher der EWS: «Von den ersten Gesprächen bis zur Inbetriebnahme konnten wir immer auf eine äußerst konstruktive und unterstützende Zusammenarbeit mit der Stadt, mit den Behörden und mit den beteiligten Unternehmen bauen.»

Tatsächlich mutet das Vorgehen der Stadt Bräunlingen wie ein grünes Vorzeigeprojekt an. Im Jahr 2020 hat die Kommune eine Potenzialanalyse erstellen lassen, in der die Möglichkeiten zur Erzeugung regenerativer Energien erfasst und gleichzeitig Aspekte des Landschaftsschutzes, der Landwirtschaft und des Naturschutzes einbezogen wurden. Auf dieser Grundlage können jetzt mehrere Solarparks gebaut werden. Auch die EWS planen mit «Döggingen 2» eine weitere Anlage. 

Nachhaltig konservativ?

Dass Bräunlingen derart proaktiv am Ausbau der Erneuerbaren Energien auf ihrer Gemarkung arbeitet – auch in Sachen Windenergie und Nahwärme laufen die Planungen – ließe sich angesichts der Zusammensetzung im Gemeinderat zunächst kaum erwarten: CDU und FDP, anderswo beim Ausbau der Erneuerbaren eher auf der Bremse, kommen im Rat auf zusammen gut 60 Prozent, die SPD hat gerade einmal zwei Sitze, die Grünen fehlen gänzlich. Stattdessen mischt die «Unabhängige Liste / Gruppe 84» mit, die sich irgendwo zwischen Grünen und Freien Wählern zu positionieren scheint.

Wieso funktioniert der Ausbau der Erneuerbaren Energien also in einem katholisch geprägten Ort mit jahrhundertealter Fastnachtstradition und mehrheitlich konservativer Bevölkerung mehr oder weniger im Konsens, während anderswo grün-esoterische Wind- und Solarparkgegner:innen mit alternativer Wahrheit gegen Infraschall oder Verspargelung und Verspiegelung der Umwelt auf die Barrikaden gehen? Hängt die Energiewende am Ende gar nicht an parteipolitischen Mehrheiten, sondern am Pragmatismus weniger Entscheidungsträger:innen? Und was bedeutet dies wiederum für die bevorstehenden Kommunalwahlen?

Zunächst einmal: Die Kommunalwahlen sind immens wichtig, auch für den Klimaschutz. Denn viele Entscheidungen, die unmittelbare Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben, werden auf lokaler Ebene getroffen. Kommunen sind für städtische Planung, Verkehr, Abfallwirtschaft, Energieversorgung und andere infrastrukturelle Aspekte verantwortlich, die direkten Einfluss auf die CO2-Emissionen haben. Daher ist es entscheidend, dass bei den Kommunalwahlen Kandidat:innen gewählt werden, die sich für eine klimafreundliche Politik einsetzen und konkrete Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und des Klimas planen und umsetzen wollen.

Kommunalwahlen sind immens wichtig für den Klimaschutz. Denn viele Entscheidungen, die unmittelbare Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben, werden auf lokaler Ebene getroffen.

Doch weit weniger als auf Bundes- oder Landesebene kommt es in den Gemeinden auf Parteien an. Ähnliche Erfahrungen wie in Döggingen macht das PV-Team der EWS Energie GmbH gerade auch in Fröhnd, einer Gemeinde ganz in der Nähe von Schönau. Auch hier ist die Kommune vorweggegangen, der Bürgermeister hat eine Fläche angeboten, es gibt kaum Gegenstimmen gegen den Solarpark im Ort, mit dessen Bau im Frühjahr begonnen wurde. Und auch die Pläne für einen EWS-Windpark, der unter anderem auf Fröhnder Gemarkung errichtet werden soll, werden von der Gemeinde inzwischen unterstützt. In Fröhnd scheint die Skepsis gegenüber Solar- und Windparks einem Pragmatismus gewichen zu sein, der den Klimaschutz genauso im Blick hat wie die Gemeindekasse, die durch Pacht- und Steuereinnahmen gespeist werden wird, sobald die Parks Ökostrom erzeugen.

Schwäbische Don Quijotes

Doch selbstverständlich gibt es auch auf kommunaler Ebene die Don Quijotes, die es mit jedem neuen Radweg, jedem Solarpark, jeder Verkehrsberuhigung und in erster Linie jedem geplanten Windpark aufnehmen. Die Bewegung der Windkraftgegner:innen ist ebenso heterogen wie die Befürworter:innen in den Gemeinderäten es sind – sie kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten, aus den Städten und vom Land und aus allen politischen Parteien, wenngleich mit einer Mehrheit aus Rechten und Konservativen. «Viele sagen, sie sind nicht generell gegen Windkraft. Sie soll eben nur dort gebaut werden, wo auch viel Wind weht,» fasst ein SWR-Beitrag zusammen, «das sei im Norden Deutschlands der Fall. Kurz: Windkraft ja, aber nicht bei uns: Diese Einstellung zieht sich durch ganz Baden-Württemberg.»

Und so stellen sich nun konservative Landwirte und selbsternannte Landschaftsschützer gemeinsam gegen CDU- und andere Politiker:innen, die in der Region Neckar-Alb ein paar Windparks bauen lassen wollen. Der Pfronstetter CDU-Bürgermeister Reinhold Teufel (CDU), selbst bekennender Windkraft-Befürworter, der die Schwäbische Alb mit einem Augenzwinkern als «Epizentrum des Protests» bezeichnet, gibt sich gegenüber dem SWR wenig zuversichtlich, dass es zu Kompromissen kommen könnte, denn: «Es gibt nur schwarz oder weiß».

Anders als in manch anderen Politikfeldern aber lassen sich Schwarz und Weiß keinen politischen Parteien anheften. Die Gegner:innen mögen stramm rechtslastig sein oder von der Kohle-Lobby beeinflusst, Angst um ihre Landschaft haben oder Sorge um den Rotmilan – parteipolitisch zuzuordnen sind sie nur selten.

In der Stadt herrscht die Partei

Das ist in den Städten anders. Hier scheint es über die auf Europa-, Bundes- und Landesebene aktiven Parteien hinaus noch eine Entwicklung zu geben, in der fast jedes Thema zur Bildung einer eigenen Liste führt: «Urbanes Freiburg» will die Stadt zur Großstadt machen, neben den Grünen gibt es noch eine Grüne Alternative, neben der «Linken Liste – solidarische Stadt» noch die Kulturliste, die Unabhängigen Frauen treten genauso an wie das Junge Freiburg, die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands konkurriert mit den «Bürgern für Freiburg» um Stimmen – wenn auch wahrscheinlich nicht um dieselben.

Zwar gibt es auch in den Städten Personenwahlen, manche Mitglieder des Gemeinderates sind dort schon Jahre und Jahrzehnte aktiv. Entsprechend können für den bestmöglichen Klimaschutz auch Kandidat:innen verschiedener Listen gewählt werden, die für ihren Einsatz bereits bekannt sind. Doch bei allen Gesichtern, die im Straßenbild auf Pappplakaten für sich werben, treten in den mittelgroßen und großen Städten doch die Parteien weit mehr in den Mittelpunkt als auf dem Land.

Wer die Kommunalwahlen in den Städten wirklich zu Klimawahlen machen möchte, muss hinter die Kulissen schauen.

Der Klimaschutz ist dabei fast omnipräsent. Die einen Listen und Parteien stellen dabei den Umwelt- und Klimaschutz im engeren Sinne ins Zentrum, sie thematisieren sehr konkret den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie und fordern, dass ihre Stadt möglichst schnell klimaneutral werden solle. Andere stellen ihre wirtschaftspolitische Kompetenz heraus und sehen mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wirtschaftliche Chancen für die Kommunen. Energie- bzw. Klimagerechtigkeit und Bürgerbeteiligung sind wiederum eher bei den Gruppen und Parteien Thema, die für die sozialen Belange in der Politik stehen. Aus welchen Motiven auch immer: Scheinbar nehmen sich (fast) alle Parteien des Klimaschutzes an – zumindest während des Wahlkampfes.

Klimapolitische Kompetenz ist messbar

Wer also die Kommunalwahlen in den Städten wirklich zu Klimawahlen machen möchte, muss sich mehr Mühe machen, als nur die Wahlplakate und Verlautbarungen der Parteien und Listen zu verfolgen. Es gilt, hinter die Kulissen zu schauen. Hilfestellungen dazu bieten gleich eine ganze Reihe von Organisationen und Initiativen. Hier seht ihr ein paar Wege, wie ihr mehr herausfinden könnt.
 

Kommunalpolitischer Klima-Check

Titelfoto: Adobe Stock

Klimaschutz braucht Demokratie!

Für den Klimaschutz ist das Superwahljahr 2024 ein ganz entscheidendes. Ob auf kommunaler, nationaler oder europäischer Ebene – die Zusammensetzung der Parlamente entscheidet über Fortschritt oder Rückschritt beim Klimaschutz. 
Es liegt an uns, der aktiven Zivilgesellschaft, die Zukunft von Demokratie und Klimaschutz zu verteidigen. 

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