Das Digital Grid Lab im Freiburger ISE ist eine hochspannende Forschungsumgebung für die Weiterentwicklung von Smart-Grid-Technologien. Ein Schwerpunkt ist die Erschließung flexibler Lasten, insbesondere in Bezug auf die Nutzung der Batteriespeicher von Elektrofahrzeugen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz nahm sich bei seinem Besuch in Freiburg im Februar 2024 die Zeit, im Digital Grid Lab vorbeizuschauen.
Die Forscher:innen am Fraunhofer ISE verfügen dort über einen Hochleistungs-Simulator, mit dem dezentrale Energiesysteme und Stromnetze detailliert modelliert werden können. Mit einem sogenannten digitalen Zwilling von Elektrofahrzeugen können sie dort ganz unterschiedliche Testszenarien, die für die zukünftig wesentlich stärker elektrifizierte Lebenswelt relevant sind, realitätsgetreu durchführen.
«In Deutschland fahren derzeit Elektrofahrzeuge mit einer Batteriegesamtkapazität von 50 Gigawattstunden. Dies entspricht in etwa der Speicherkapazität aller in Deutschland installierten Pumpspeicherkraftwerke», sagt Bernhard Wille-Haußmann, Leiter des Projekts «Leitfaden bidirektionales Laden». Wie diese riesige Leistungskapazität für die heimische Stromversorgung bestmöglich nutzbar gemacht werden kann, haben er und sein Team im Digital Grid Lab untersucht.
Ausgehend von einem Einfamilienhaus mit Photovoltaikanlage und Wallbox haben die Forscher:innen unterschiedliche Nutzungsszenarien durchgespielt. Ausgegangen wurde von verschiedenen Haushaltsgrößen und drei Lebenssituationen: Arbeiten im Home-Office, Arbeiten im Büro und dem Rentnerdasein. Dabei wurde das klassische unidirektionale Laden mit dem bidirektionalen Laden verglichen. Für alle Lebenssituationen erhöhte sich die Eigenversorgungsquote beim bidirektionalen Laden merkbar.
Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit bietet das bidirektionale Laden derzeit nur marginale Vorteile. Grund dafür ist, dass die Wallbox bzw. das Ladegerät beim Ladevorgang selbst relativ viel Energie verbraucht. Hier ist aber nach Einschätzung von Bernhard Wille-Haußmann abzusehen, dass bald effizientere technische Lösungen zur Verfügung stehen werden.
Es gibt allerdings noch starke Hemmschuhe. «Technisch ist das bidirektionale Laden schon ohne weiteres möglich», sagt Wille-Haußmann. Woran es fehlt, ist zum einen die bidirektionale Ladeinfrastruktur. Auf dem freien Markt sind derzeit kaum entsprechende Wallboxen zu bekommen. Ebenso problematisch ist, dass es noch keinen rechtlichen Rahmen gibt, der bidirektionales Laden zulässt. «Das liegt daran, dass man derzeit nicht nachweisen kann, dass in der Batterie tatsächlich nur Strom aus der PV-Anlage gespeichert ist. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass, wenn man eine Vergütung nach EEG erhält, nur Solarstrom ins Netz eingespeist werden darf. Dies kann beim bidirektionalen Laden nicht gewährleistet werden, da das Fahrzeug auch außerhalb des eigenen Haushaltes geladen werden kann», erläutert Wille-Haußmann. Die Lage ist verworren. Wille-Haußmann geht aber davon aus, dass diese regulatorische Problemstellung in absehbarer Zeit vom Gesetzgeber gelöst wird.
Der vorliegende Fraunhofer ISE-Leitfaden fokussiert sich auf die Nutzung der E-Auto-Batterie als Heimspeicher. Entscheidend wird mit Blick auf die benötigten Flexibilitäten im erneuerbaren Energiesystem sein, dass die vorhandenen Batteriekapazitäten auch für die Stabilisierung des gesamten Stromnetzes zur Verfügung stehen. Wenn in Zukunft 40 Millionen E-Fahrzeuge in Deutschland genutzt werden, dann steigt die Gesamtkapazität aus den Batterien von derzeit 50 Gigawattstunden auf zwei Terawattstunden.
Dieses Potenzial sinnvoll für das Gesamtenergiesystem zu heben, ist eine Aufgabe, an der das ISE schon heute arbeitet. «Dass Bürger:innen mit dem von ihnen produzierten Solarstrom zur Stabilisierung des Energiesystems beitragen, ist ganz im Sinne einer gemeinschaftlich gedachten Energieversorgung», ergänzt Christian Scharnberg, Leiter des Förderprogramms «Sonnencent».
Hier eine Demo des Fraunhofer ISE zum digitalen Fahrzeugzwilling «ev twin».
Fotos: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE