Protestaktion in Straßburg mit grün angemalten Öl- und Gasfässern
Energiepolitik

Fossiles Gas und Atomkraft als «nachhaltige Geldanlagen»? Bekannte Expert:innen aus der Umwelt- und Anti-AKW-Szene erzählen, warum das eine ganz miese Idee ist.

Gegen Atomkraft und Erdgas in der EU-Taxonomie!

Schon der Zeitpunkt war suspekt: In den letzten Stunden des Jahres 2021, als überall schon die Raclettegrills liefen, versandte die EU-Kommission ihren Entwurf für die EU-Taxonomie. In dieser wird festgelegt, welche Geldanlagen künftig als «nachhaltig» klassifiziert werden. Die Finanzströme von Investments und Staaten in nachhaltige Technologien zu lenken, ist ein Teil des europäischen Green Deal. Doch dieses Schriftstück offenbarte mehr Deal als Green: Entgegen aller wissenschaftlichen Gegenargumente und aller warnenden Stimmen zum Trotz können demnach fossiles Erdgas und Atomkraft unter bestimmten Voraussetzungen als «grün» gelten und entsprechend von den Finanzströmen profitieren, die eigentlich in zukunftsfähige klimafreundliche Technologien fließen sollten.  

Obwohl Umweltschutz-NGOs in Folge erst recht dagegen Sturm liefen und dieses sperrige Thema eine beachtliche mediale Aufmerksamkeit bekam, wurde der Entwurf am 2. Februar 2022 von der EU-Kommission beschlossen. Doch noch ist es nicht zu spät, diese Fehlentscheidung zu korrigieren. Unter dem Eindruck eines Kriegs, in dem Atomkraftwerke plötzlich zu Kriegswaffen werdenkönnen und die Abhängigkeit von Fossil-Lieferanten richtig schmerzlich bewusst wird, ist nicht ausgeschlossen, dass der Entwurf im EU-Parlament scheitert. Dafür müssen die EU-Abgeordneten von einer Nein-Stimme überzeugt werden.

Jetzt braucht es mehr denn je eine laute Zivilgesellschaft, um dieses eigentlich gut gemeinte Klimaschutz-Instrument zu retten und aus der Greenwashing-Falle zu befreien. Wir haben Expert:innen von befreundeten Organisationen um ein Statement gebeten, warum die EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzanlagen in der jetzigen Form nicht haltbar ist.

Mira Jäger (Campact)

«Es braucht Widerstand aus der Zivilbevölkerung. Bitte helft mit und wendet euch an die EU-Abgeordneten aus eurem Wahlkreis!»

Mira Jäger, Campaignerin

Hier geht es zur Campact-Petition

Mira Jäger studierte Geographie und Climate Change. Seit 2009 ist sie ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv. Daneben bewegte sie mit Fossil Free ihre Uni und Stadt zum Divestment und organisierte mit «Kohle erSetzen!» Sitzblockaden gegen Braunkohleinfrastruktur. Seit Juni 2021 ist sie Campaignerin bei Campact.

Vladimir Sliviak (Ecodefense)

«Atomkraft wird das ganze Geld verschlingen und Gas nur neue Kriege entfachen – so wie den in der Ukraine.»

Vladimir Sliviak, Umweltaktivist

Vladimir Sliviak (Владимир Сливяк) ist Mitgründer der russischen Umweltorganisation Ecodefense. Die Organisation wurde 2014 von der russischen Justiz als «ausländische Agenten» eingestuft. 2021 wurde er mit dem Right Livelyhood Award, dem «alternativen Nobelpreis» ausgezeichnet.

 

Thomas Jorberg (GLS Bank)

«Dass Atomenergie weder wirtschaftlich, noch ökologisch, noch friedlich sein kann, das haben wir gerade erlebt.»

Thomas Jorberg, Vorstandsvorsitzender der GLS Bank 

Thomas Jorberg ist seit 1986 tätig bei der GLS Bank, seit 1993 Mitglied des Vorstands und seit 2003 Vorstandssprecher. Zudem sitzt er im Aufsichtsrat der EWS Elektrizitätswerke Schönau eG. 2009 wurde er für seine verantwortungsvolle Unternehmensführung mit dem Future Award ausgezeichnet. 2010 erhielt er den B.A.U.M. Umweltpreis für sein hohes Engagement für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung und einen werteorientierten Umgang mit Geld. Im Jahr 2011 wurde er mit dem Deutschen Fairness Preis für seine faire Unternehmensführung ausgezeichnet.

Regine Richter (urgewald)

«Verbraucher:innen haben das Recht zu erwarten, dass die nachhaltigen Produkte, die ihnen verkauft werden, weder fossiles Gas noch Atomkraft unterstützen.» 

Regine Richter, urgewald e.V.

Der Verein urgewald ist als treibende Kraft der Divestment-Bewegung bekannt. Mit ihrer Global Coal Exit List und dem Nachfolgeprojekt Global Oil and Gas Exit List konnte die Organisation fossilen Projekten schon Milliarden Euro an Finanzierung entziehen. Gründerin Heffa Schücking wurde 2017 als Schönauer Stromrebellin ausgezeichnet. Hier lesen Sie ein Portrait des Energiewende-Magazins. Regine Richter ist seit 2001 bei urgewald und Campaignerin mit dem Themenschwerpunkt öffentliche Banken.

Kerstin Rudek

«Wir fordern die Bundesregierung auf, sich klar zu einem Ausstieg aus Kohle und Atom zu bekennen und die Gasimporte zu stoppen.»

Kerstin Rudek, Aktivistin

Kerstin Rudek war langjährige Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg und eines der prägenden Gesichter des Widerstands gegen ein Atommüll-Endlager im Wendland. 2020 wurde sie als Schönauer Stromrebellin geehrt. Ein Portrait lesen Sie im Energiewende-Magazin.

Armin Simon (.ausgestrahlt)

«Beim geplanten Greenwashing von Atomkraft blendet die EU-Kommission die Risiken eines schweren Atomunfalls einfach aus.»

Armin Simon, .ausgestrahlt 

Hier könnt ihr euch an den Aktionen beteiligen: www.ausgestrahlt.de/taxonomie-retten 

Der Verein .ausgestrahlt wendet sich seit 2008 gegen Atomkraft und die damit verbundenen Risiken und Zerstörungen. Armin Simon ist freier Autor und engagiert sich seit 2014 als Vereinsmitglied. Zur gemeinsam mit den EWS betriebenen Website 100 gute Gründe hat er einen großen Teil an Texten und Recherche beigetragen.

Mycle Schneider

«Der Vorschlag zur Ausgestaltung der Taxonomie ist eine verpasste Chance, einen weltweiten Goldstandard für nachhaltige Investitionen zu setzen.»

Mycle Schneider, Herausgeber des World Nuclear Industry Status Report

Mycle Schneider ist unabhängiger Berater für Energie- und Atompolitik. Seit 2007 beschreibt und analysiert er mit einem internationalen Team im von ihm initiierten und herausgegebenen «World Nuclear Industry Status Report» den Zustand der Atomindustrie weltweit. Er ist Träger des «alternativen Nobelpreis» Right Livelihood Award.

Ein Interview mit ihm lest ihr im Energiewende-Magazin.

Reinhard Uhrig (Global 2000)

«Durch die Hintertür sollen hier, an allen demokatischen Institutionen vorbei, einfach Fakten geschaffen werden.»

Reinhard Uhrig, GLOBAL 2000

Reinhard Uhrig ist politischer Geschäftsführer und Campaigner mit dem Schwerpunkt Atomkraft bei der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000

Titelbild: @ausgestrahlt