Die durch den verbrecherischen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Energie- und Nahrungsmittelkrise führt zu stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. Diese zu bewältigen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur im solidarischen Miteinander gelingen kann. Damit verbunden ist es sehr wichtig, dass die Politik nachhaltige Entlastungen für alle Haushalte auf den Weg bringt. Das will die Ampelkoalition mit einem neuen Maßnahmenpaket leisten, das nach ersten Schätzungen ein Finanzierungsvolumen von 65 Milliarden Euro erfordert und einkommensschwache Haushalte, Mittelstand sowie Industrie adressiert.
Dazu ein Video-Statement von EWS-Vorstand Sebastian Sladek:
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Neben den kritischen Aspekten des Entlastungspakets, auf die wir weiter unten eingehen werden, ist die Fokussierung auf sozial und finanziell benachteiligte Menschen wichtig. So beinhalten die Entlastungsmaßnahmen u.a. ein höheres Wohngeld für Geringverdienende inklusive eines weiteren Heizkostenzuschusses für September bis Dezember 2022, ein Bürgergeld mit höheren Regelsätzen statt Hartz IV sowie ein vergünstigtes bundesweites Ticket im Öffentlichen Nahverkehr von etwa 49 bis 69 Euro pro Monat (weiterführende Infos hier).
Mit Blick auf die Energiewirtschaft wurden die Einführung einer Strompreisbremse, die Dämpfung der Netzentgelte sowie die Aussetzung der CO2-Preissteigerung im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) beschlossen. Erwähnenswert ist auch, dass die Absenkung der Umsatzsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent zum 1. Oktober 2022 bestätigt wurde. Die beschlossene Strompreisbremse bzw. Erlösobergrenze soll dafür sorgen, dass die aktuellen Zufallsgewinne am Strommarkt teilweise abgeschöpft werden. Davon verspricht sich die Bundesregierung finanzielle Spielräume, die genutzt werden sollen, um Privathaushalten sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen eine gewisse Menge Strom zu einem vergünstigten Preis gutzuschreiben (Basisverbrauch).
Viele offene Baustellen
Insbesondere mit Blick auf die Wärmeversorgung, die in Deutschland aktuell zu 50 Prozent auf Gas basiert, sieht das Papier überraschenderweise keine Verbesserungen vor. So schiebt der Koalitionsausschuss insbesondere das Problem privater Gaspreisexplosionen auf die lange Bank. Statt konkreter Lösungsvorschläge (z.B. Gaspreisdeckel oder Grundkontingente) setzt dieser nur eine Expertenkommission ein, die erstmal verschiedene Maßnahmen eruieren soll.
Dabei bedarf es gerade hier schnellstmöglich weiterer Maßnahmen, die Betroffene bei den Gaskosten weiter entlasten. Zumal es schon heute Menschen gibt, die ihren Gasverbrauch nicht mehr finanzieren können oder zumindest in größere Schwierigkeiten geraten. Das Gros der Mieter:innen wird die erhöhten Betriebsabrechnungen und Abschlagszahlungen für Wärme und Gas erst im nächsten Jahr erhalten. Wir rechnen daher fest damit, dass ein viertes Entlastungspaket im Wärmebereich notwendig sein wird.
Das Ergebnispapier nennt keinen konkreten Zeitplan für den weiteren Ablauf. Für die prozessuale Abwicklung soll die vorhandene Infrastruktur der EEG-Umlage genutzt werden, allerdings in umgekehrter Reihenfolge («umgekehrte EEG-Umlage»). Bis wann und wie genau dies geschehen soll, ist aber ebenso wie viele Implementierungsfragen noch unklar (was ist z. B. mit Basisverbrauch gemeint?). Dabei bedarf es für alle Akteure, für Energieversorger wie auch deren Kund:innen, unbedingt Planungssicherheit.
Klimaschutz fällt hinten runter
Für den Klimaschutz setzt das Entlastungspaket ein fatales Zeichen. Trotz eines Jahres voller klimatischer Extremereignisse scheint das Thema gar keine Rolle gespielt zu haben. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas – auch wenn sie hinsichtlich der Verbraucherpreise eine Entlastung bietet – ist eine weitere fossile Subvention, die den Verbrauch der knappen Energieressource pauschal unterstützt. Auch die Erhöhung der Pendlerpauschale ermöglicht das Weiter-so im fossilen System und hilft vor allem denen, die die meiste Energie verbrauchen. Von der oben genannten Abschöpfung von Zufallsgewinnen werden auch viele Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen betroffen sein.
Statt ihn auszubremsen, sollte die Regierung den Klimaschutz jetzt erst recht als oberste Priorität behandeln.
Dass schließlich die nächste Stufe der CO2-Bepreisung im nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ausgesetzt wird, setzt schon auf der symbolischen Ebene das völlig falsche Signal. Damit erweckt die Bundesregierung den Eindruck, dass Klimaschutz jederzeit geopfert werden kann, wenn es opportun ist. Dabei scheint sie zu vergessen, dass die gegenwärtige Energiekrise einzig eine Krise der fossilen Energien ist.
Anstatt einen starken Impuls zum Verlassen des dysfunktional gewordenen fossilen Systems zu geben, soll es mit massiven Subventionen noch möglichst lange gestützt werden. Statt ihn auszubremsen, sollte die Regierung den Klimaschutz jetzt erst recht als oberste Priorität behandeln. Dieser Wille ist in der jüngst bekannt gewordenen Photovoltaik-Offensive zu erkennen, droht aber zugleich dadurch konterkariert zu werden, dass die Sonderausschreibung für zusätzliche PV-Kapazitäten mit späteren Ausschreibungsmengen verrechnet wird und so kein Kilowatt zusätzlich entsteht. Hier muss im gesetzgeberischen Beratungsprozess noch dringend nachgebessert werden.
Wir brauchen jetzt einen Booster für die Einsparung und Effizienz von Energie sowie den Ausbau der Erneuerbaren Energien! In dieser Krisensituation können plötzlich Flüssiggas- und andere fossile Projekte in rasanter Geschwindigkeit ermöglicht werden. Denselben Elan würden wir gerne bei der Ermöglichung von Solar- und Windkraftprojekten sehen.
Hier braucht es den schnellen Abbau bürokratischer Hürden (insbesondere im Bereich der Nutzung von Strom aus PV-Kleinanlagen), die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren bei Wind- und Solarparks sowie die Stärkung von Bürgerenergieprojekten (z.B. beim Flächenzugang). Je schneller der Umbau des Energiesystems voranschreitet, desto unabhängiger machen wir uns von Rohstofflieferanten, senken die Energiepreise und bekämpfen die Klimakrise, die ja nicht weniger dringend geworden ist.
Fazit
Es ist gut und richtig, dass die Bürger:innen in der Energiekrise nicht alleine gelassen werden und ein Entlastungspaket geschnürt wird, vor allem für Menschen mit geringem Einkommen, die von den hohen Energiekosten erdrückt zu werden drohen. Die konkrete Umsetzung wird noch viele Herausforderungen bereithalten. Die Chance, einen Impuls für Klimaschutz und energetische Transformation zu setzen, wird leider nicht im nötigen Maße genutzt.