Die Energiewende ist immer noch zu einem großen Teil ein Projekt von unten. Sie lebt von unzähligen Bürgerinnen und Bürgern, die etwas für eine zukunftsfähige Energieversorgung bewegen wollen. Eine Studie des Instituts trend:research von 2021 zeigte auf, dass fast ein Drittel der installierten Leistung von Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung im Eigentum von Privatpersonen liegen. Es sind Initiativen wie Bürgerenergiegenossenschaften, die den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben – und damit den Klimaschutz.
In der Beteiligung und der Initiative von engagierten Bürger:innen liegt also ein großer Hebel zum Erreichen der Klimaziele. Da lohnt es sich doch, dieses Engagement mal wissenschaftlich zu betrachten, dachte sich eine Forschungsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen des Bündnisses Bürgerenergie (BBEn e.V.), dem Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM), der eueco GmbH und der «100 prozent erneuerbar stiftung» und startete das Projekt ENGAGE. Unterstützt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) traten die Wissenschaftler:innen während der dreijährigen Projektphase in den Austausch mit zahlreichen Initiativen und Projektgruppen in der gesamten Republik. Sie untersuchten, wie soziale Innovationen die Energiewende vorantreiben können, und wie das finanzielle und soziale Engagement von Bürger:innen ermöglicht und erleichtert werden kann.
Unlängst wurden die Ergebnisse im Rahmen einer Konferenz in Berlin vorgestellt. Wir waren dabei und sprachen mit Janina Kosel, Referentin beim Bündnis Bürgerenergie, über das Forschungsprojekt.
Interview
In eurer Studie untersucht ihr Formen der Bürger:innenbeteiligung und fördernde wie hemmende Faktoren für Engagement. Was war die Idee, sich mit diesem Thema zu befassen?
Janina: Die Energiewende ist ja kein Prozess, der im Hintergrund abläuft. Durch die Notwendigkeit des Klimaschutzes ist sie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie muss sichtbar sein, und auch ihre Vorteile offensichtlich werden. Darum müssen die Bürger:innen daran beteiligt werden, oder sie sollten zumindest die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen. Es ist ja bekannt, dass dies die Akzeptanz erhöht. Wenn die Bürger:innen durch soziale Innovationen vor Ort in die Prozesse eingebunden werden, stärkt das die Demokratie und fördert die lokale Wertschöpfung. Ob es Energiegenossenschaften sind oder die privaten Dächer: Wenn es gute Partizipationsmöglichkeiten gibt, bieten sie eine Chance, mit der Energiewende schneller voranzukommen. Und das ist ja auch dringend erforderlich.
Welche Partizipationsmöglichkeiten habt ihr untersucht?
Unsere Studie betrachtet das soziale und das bürgerschaftliche Engagement, also wenn sich Menschen aktiv einbringen. Und das kann man in vielen Bereichen tun: Informationen verbreiten, Beratung leisten, unterstützen und fördern – beispielsweise mit Spenden –, sich durch ehrenamtliche Arbeit engagieren, etwa in einer Genossenschaft, oder sich durch Investitionen finanziell beteiligen. In der Studie haben wir insgesamt 356 aktive Organisationen in Deutschland identifiziert, die 521 Beteiligungsangebote sozialer oder finanzieller Art unterbreiteten. Aus denen haben wir dann ein Stufenmodell der Beteiligung entwickelt.
Das Stichwort «soziale Innovation» hattest du schon genannt, es steht auch im Titel der Studie. Was versteht man darunter? Beteiligungsformen wie die Genossenschaft sind ja nicht wirklich neu …
Das stimmt, die Form der Genossenschaft gibt es schon lange. Bei dem, was wir darunter verstehen, muss das Rad auch nicht komplett neu erfunden werden. Auch innerhalb dieser bestehenden Formen gibt es Innovationen, beispielsweise neue Beteiligungsformen wie Mieterstrom oder neue technische Möglichkeiten durch die Digitalisierung. Wir betonen den Aspekt des Sozialen, also wenn Menschen sich zusammentun, um auf das Ziel hinzuarbeiten, und alle Bürgerinnen und Bürger einfach an der Energiewende teilhaben können.
Ihr habt auch untersucht, was hemmende und fördernde Faktoren für Bürgerbeteiligung an der Energiewende sind. Was muss noch politisch passieren, damit sich möglichst viele Menschen beteiligen können?
Es gibt eine ganze Menge Empfehlung an die Bundes-, Landes- und die kommunale Politik – dazu haben wir eine eigene Schrift herausgegeben. Ich gehe jetzt mal nur auf die auf Bundesebene ein, wo wir uns als BBEn stark machen.
Kleinere Akteure wie Bürgerenergiegemeinschaften sind gegenüber großen dadurch benachteiligt, dass sie weniger Risikokapital haben und sich nicht so einfach durch andere Projekte quer finanzieren können. Wir empfehlen, den Bürgerenergiefonds auch auf PV-, Wärme- und Effizienzprojekte auszuweiten.
Dann empfehlen wir den Abbau bürokratischer Hürden und eine Reduzierung von Entgelten für die regionale und lokale Stromlieferung für Modelle wie Mieterstrom, gemeinschaftliche Gebäudeversorgung oder auch das immer noch nicht gesetzlich verankerte Energy Sharing, damit sich diese beteiligungsorientierten Angebote besser auf dem Markt durchsetzen können. In anderen EU-Ländern ist man mit solchen Modellen wie Energy Sharing schon deutlich weiter, darum empfehlen wir, sich an diesen Erfahrungen zu orientieren.
Grundsätzlich fordern wir den Beschluss einer Bürgerenergiestrategie, in der erforderliche Maßnahmen beschlossen und zeitnah umgesetzt werden. Und zusätzlich eine bundesweite einheitliche finanzielle Bürgerbeteiligung, deren Goldstandard eine gesellschaftsrechtliche Beteiligungsform ist, anstatt einer Pauschalzahlung an die Menschen vor Ort, um ihr Einverständnis zu erkaufen.
Aus der Studie ist der Energiewende-O-Mat entstanden. Was hat es damit auf sich?
Wir haben in der Studie festgestellt, dass viele Menschen mangelhafte Informationen zu Beteiligungsformaten haben, viele wissen gar nicht, was Energiegenossenschaften genau sind. Fehlendes Wissen – oder auch eine Überforderung mit zu viel Informationen – haben wir als eine Zugangshürde identifiziert, und da wollten wir Abhilfe schaffen. Wie der Name schon sagt, ist der Energiewende-O-Mat angelehnt an den Wahl-O-Mat. Man beantwortet einen digitalen Fragebogen zu persönlichen Vorstellungen, Zielen und Vorlieben hinsichtlich der Energiewende und nach ein paar Klicks bekommt man dann ein hoffentlich passendes Beteiligungsformat vorgeschlagen, das auch die Region berücksichtigt. Er soll also die Beteiligungswilligen mit den entsprechenden Angeboten zusammenführen. Die Anbietenden von Beteiligungsformaten, wie etwa Genossenschaften, sind dazu aufgerufen, ihr Angebot einzutragen, wenn es noch nicht drinsteht.
Super, dann wünschen wir uns allen viele neue Mitmach-Willige!