Wir schreiben das Jahr 2037 – und blicken zurück. Die Klimakrise wird nicht vorbei gewesen sein, aber «es bestand erstmals seit Jahrzehnten die realistische Hoffnung, dass die weitere Erhitzung knapp unter 2 Grad blieb», denn durch «mittlerweile strenge Klimaschutzgesetze waren die jährlichen CO2-Emissionen zuletzt stark reduziert worden». Die Protagonist:innen aus «Alles wird gut – nur anders» können sich jedenfalls darauf konzentrieren, die massiven Klimaschäden zu minimieren und deren Verursacher:innen aufs Korn zu nehmen. Der junge Student Paul bereitet ein Klimatribunal vor, in dem die fossile Industrie und deren politische Handlanger mit ihrem unverantwortlichen Handeln konfrontiert werden sollen.
In seinem neuen Buch begibt sich der Autor Rainer Grießhammer in die Zukunft, allerdings in die nahe, in das Jahr 2037. Er zeichnet eine Vision, bleibt dabei aber irgendwo zwischen Fiktion und Sachbuch. «Alles wird gut – nur anders» ist kein Science-Fiction-Roman, dazu ist das Erzählte – zeitlich wie inhaltlich – zu nah an der Gegenwart. Und auch stilistisch bewegt sich der langjährige Geschäftsführer des Öko-Instituts im Dazwischen. Meist überwiegt der eher nüchterne Faktencheck mit sachlicher Analyse, die literarischen Elemente des Buchs werden vor allem durch eine Liebesgeschichte und eine Mehrgenerationenerzählung gefüllt.
Drei Generationen arbeiten an der Zukunft
Grießhammer überprüft die Gesellschaft so über 236 Seiten auf ihre Zukunftsfähigkeit. In 62 kurzen bis sehr kurzen Kapiteln nimmt er eine Vielzahl von Themen von der Mobilität bis zur Energieversorgung, von der «Wunschkindpille für den Mann» bis zur künstlichen Intelligenz, von der Digitalisierung bis zum «Veggieday der katholischen Kirche» unter die Lupe.
Tragende Elemente des Buches sind dabei Dialoge. Der Autor lässt seine Protagonist:innen, die drei Generationen repräsentieren, die zahlreichen Themen im wahrsten Sinne durchdiskutieren: Clara und Ulrich stehen dabei als «Ersatz-Großeltern» für die 1968er-Generationen, wobei der Wissenschaftler Ulrich offensichtlich als Alter Ego des Autors Grießhammer fungiert, der immer wieder auch seine Inhalte, sein Öko-Institut und auch seine früheren Veröffentlichungen ins Spiel bringt.
Die Elterngeneration wird durch die ehemaligen Nachbarn ausgefüllt, die vor Jahren von Freiburg nach Berlin gezogen sind und sich dort nicht nur voneinander, sondern größtenteils auch von ihren Idealen getrennt haben.
Aus Fehlern gelernt
Nicht sie jedoch fungieren in der Geschichte als erste Gesprächspartner:innen der 68er, sondern ihr Sohn Paul und dessen Freundin Lena, die als Vertreter:innen der Enkelgeneration die Fridays-for-Future-Bewegung verkörpern. Paul als Student, der mit dem Klima-Tribunal einen Schritt aufs politische Parkett wagt, und Lena, die am Öko-Institut Wege zu einer nachhaltigeren Chemieindustrie erforscht, treten dabei auch beruflich in die Fußstapfen der großelterlichen Sparringspartner:innen.
Zwar streiten die Generationen in dem Band mal darüber, ob es angemessen ist, sich eine digitale Linse ins Auge operieren zu lassen, um die menschlichen Fähigkeiten technisch aufzurüsten, oder wie viel Reisen in Zeiten des Klimawandels vertretbar ist. Meist aber ergänzen sich jugendlicher Drang und großelterliche Erfahrung zu einem harmonischen Ganzen, das in der Übertragung auf die Gesellschaft auch dazu führt, dass diese im Jahr 2037 aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben wird. Im marktwirtschaftlichen Konkurrenzkampf wird sich die (Energie-)Effizienz gegen die Machtinteressen der Fossil-Lobby durchgesetzt haben, aus der Forschung werden neue Errungenschaften zur Verlangsamung des Klimawandels geführt und die Digitalisierung wird ihren Teil dazu beigetragen haben, dass alles technisch optimiert wird.
Eine Welt ohne Populismus
Alles würde also gut, könnte mit dem Titel des Buches zusammenfassend gesagt werden, wenn denn die Wissenschaft und die Grünen den Kurs bestimmen könnten. Nicht erst seit den Wahlen in den USA und in drei ostdeutschen Bundesländern darf diese Voraussetzung jedoch infrage gestellt werden. Setzt sich wirklich die Seite durch, die die besten und stichhaltigsten Argumente hat? Haben die Regeln der Wissenschaft, nach denen aus These und Antithese eine Synthese entwickelt wird, um der Wahrheit ein Stück näherzukommen, weiterhin für alle Bestand?
Oder fehlt in Grießhammers Buch nicht der hinterhältige Schwiegervater, der die guten Argumente von Opa und Enkel mit einer bösen Intrige vom Tisch wischt und seinen neuen SUV, den Bau der Autobahn oder die Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen als die besseren Antworten auf die Probleme der Zeit verkauft? Braucht es nicht, um der Geschichte mehr Realitätsnähe zu verleihen, eine Schwester für Paul, die den Klimawandel für eine Erfindung der Öko-Mafia hält, Corona für eine Inszenierung der Pharmaindustrie und die Hamas für eine Vorkämpferin des Feminismus?
Aufzeigen von Möglichkeiten
Solche grundlegenden (und schlechte Laune verursachenden) Fragen erspart Grießhammer seinen Protagonist:innen wie auch seinen Leser:innen. Er zeichnet stattdessen ein umfassendes Bild davon, wie eine nachhaltige Zukunft aussehen könnte, wenn jetzt – also in den verbleibenden zwölf bis 13 Jahren bis 2027 – die Klimakrise wirklich ernst genommen würde. Ob der Weg dahin wirklich beschritten wird? Schon im Titel seines Buches «Alles wird gut» gibt er die vielversprechende Antwort: «nur anders».
Buch
Rainer Grießhammer: Alles wird gut – nur anders. Geschichten aus dem Jahr 2037. Oekom Verlag 2024, Softcover, 240 Seiten, ISBN: 978-3-98726-087-2