Bei der traditionellen EWS-Weihnachtsaktion wählen wir jedes Jahr eine Organisation aus, an die wir 25 Euro für jeden im Aktionszeitraum neu abgeschlossenen Liefervertrag spenden. 2021 war dies die Divestment-Organisation urgewald e.V., die wir beim Auf- und Ausbau ihrer Datenbank über Öl- und Gasprojekte GOGEL (Global Oil and Gas Exit List) unterstützt haben. Dank des großen Zuspruchs und vielen Empfehlungen unserer fantastischen Kund:innen kamen am Ende über 100.000 Euro zusammen, die in die Erstellung der Datenbank flossen.
Schmutzige Geschäfte offenlegen
In dieser werden die Aktivitäten der globalen Öl- und Gasunternehmen offenbart. Die aktuelle Version enthält 1.623 Unternehmen, die Öl und Gas fördern oder neue fossile Infrastruktur wie Terminals für Flüssiggas (LNG), Öl- und Gaspipelines oder Gaskraftwerke entwickeln. In GOGEL 2023 werden Projekte, die sogenannte «unkonventionelle Fördermethoden» verfolgen, gesondert aufgeführt – das umfasst Methoden wie Teersandabbau, Fracking oder Tiefseebohrungen, deren Umweltauswirkungen noch gravierender sein können als bei herkömmlichen Bohrungen.
Des Weiteren sind auch Projekte mit hohem Reputationsrisiko extra aufgeführt, oder anders ausgedrückt: Womit will man als Finanzunternehmen wirklich nichts zu tun haben, wenn eine große Sauerei ans Licht kommt? Zerstörte Landschaften, ruinierte Ökosysteme, verwüstete Lebensräume, Unterdrückung und Vertreibung der einheimischen Bevölkerung … diese «Kollateralschäden» fossiler Förderung tauchen in keiner Geschäftsbilanz auf. GOGEL macht diese Projekte sichtbar – in der Tabelle wie auf der Website.
«Das Ausmaß dieser fossilen Expansionspläne ist erschreckend. Um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, ist ein schneller, kontrollierter Rückgang der Öl- und Gasproduktion essenziell. Stattdessen sorgt die Industrie dafür, dass sich die Klimakrise immer weiter zuspitzt.»
Fossile Wachstumspläne pulverisieren Klimaziele
Zusammengetragen werden diese Informationen in Handarbeit von einem kleinen Team, das dafür Branchendienste, Jahresberichte und Investorenpräsentationen durchkämmt. Denn erst wenn man viele Puzzleteile sammelt, ergibt sich das gesamte Bild. Und dieses zeigt, dass die Öl- und Gasbranche keine Anstalten macht, zugunsten des Klimaschutzes von ihrem Business abzulassen:
- 96 Prozent der 700 von GOGEL erfassten Förderunternehmen wollen neue Öl- und Gasfelder erschließen. In den letzten drei Jahren haben die Öl- und Gasunternehmen in der GOGEL-Datenbank insgesamt 170,4 Milliarden US-Dollar für die Suche nach neuen Öl- und Gasreserven ausgegeben – gegenüber 2021 ist das eine Steigerung um 30 Prozent!
- 1.023 Unternehmen planen neue LNG-Terminals, Pipelines oder Gaskraftwerke.
- GOGEL listet 539 Unternehmen auf, die aktuell daran arbeiten, insgesamt 230 Milliarden Barrel Öläquivalent aus bisher unerschlossenen Öl- und Gasfeldern in Produktion zu bringen.
- Auch beim Gas geht die fossile Party munter weiter: Die Datenbank offenbart die insgesamt 651 Unternehmen, die inmitten der sich verschärfenden Klimakrise zusätzliche 567 Gigawatt (GW) Gaskraftwerkskapazität zubauen wollen.
- Gerade das europäisch-amerikanische LNG-Geschäft befeuert den Boom. Auch dank des europäischen Gashungers planen Unternehmen, die Fracking-Aktivitäten in den USA auszubauen (siehe dazu auch der Gastbeitrag in unserem Blog).
Wissen ist Macht
Die GOGEL-Datenbank ist eine wichtige Informationsquelle, die aktuell von 234 Finanzinstitutionen wie Banken, Versicherungen, Zertifizierern oder Fondsmanagements genutzt wird, um ihre Portfolios zu überprüfen oder neue Ausschlusskriterien zu entwickeln. Für Journalist:innen, die über die klimaschädliche Wirkung der Investments recherchieren, ist GOGEL als Werkzeug ein äußerst praktisches Werkzeug. Und auch NGOs und Protestgruppen nutzen GOGEL, um ihre Forderungen auf konkrete Zahlen und Daten zu stützen.
Die Veröffentlichung der aktuellen GOGEL-Ergebnisse fand weltweit ein großes mediales Echo – unter anderen berichteten der SPIEGEL, der Guardian und die BBC. Dank der erstarkenden Divestment-Bewegung werden die zerstörerischen Geschäfte immer stärker ans Licht der Öffentlichkeit gebracht.
Die Nachfrage nach «grünen» Investments nimmt stetig zu. Dementsprechend wollen sich immer mehr Finanzinstitutionen als ökologisch verantwortungsvoll gerieren. Aus diesem Grund hebt urgewald die Reputationsrisiken von fossilen Projekten besonders hervor. Denn wenn die Fakten zu umwelt- und klimaschädlichen Projekten an der Öffentlichkeit sind, gibt es keine Ausrede mehr. Durch die Aktivitäten der Divestment-Bewegung soll zweifach Druck auf die fossilen Firmen ausgeübt werden: Zum einen durch versiegende finanzielle Investitionen (und höhere Kapitalkosten), zum anderen durch den politischen Druck einer immer besser informierten Öffentlichkeit. Wissen ist Macht.
Und das wirkt. Pensionsfonds, wie etwa zuletzt der niederländische PMT, zogen im vergangenen Jahr ihre Investitionen in fossile Energien im großen Stil ab. Das Global Fossil Fuel Divestment Movement hat unlängst mitgeteilt, dass inzwischen über 1.600 Finanzinstitutionen, die Kapital im Wert von 41 Milliarden US-Dollar halten, sich aus fossilen Geschäften zurückgezogen haben. Ein gigantischer Erfolg einer Bewegung, die längst noch nicht fertig ist.
Dass es noch viel zu tun gibt, zeigt GOGEL. Aber eben auch, dass die Zeit, in der fossile Konzerne unbehelligt ihrem Geschäft nachgehen können, abgelaufen ist.
Wir bedanken uns noch einmal bei allen Teilnehmer:innen der Weihnachtsaktion. Wenn Sie die Arbeit von urgewald unterstützen möchten, können Sie das hier tun.
«Geldgeber und Investoren müssen erkennen, dass sich diese Industrie nicht freiwillig verändern wird. Private und öffentliche Finanzinstitutionen, Versicherer, Aufsichtsbehörden und Zentralbanken müssen der fossilen Expansion den finanziellen Boden entziehen. GOGEL liefert die Daten, die es dafür braucht.»
Titelfoto: Ric Lander | Friends Of The Earth Scotland | Quelle: Flickr| Lizenz: CC BY-SA 2.0 DEED