Inspirierende Menschen und Organisationen setzen sich bereits heute auf vielfältige Weise für eine klimagerechtere Welt ein. Sie können diese tollen Initiativen unterstützen – durch Spenden oder indem Sie selbst aktiv werden. Hier stellen wir sie Ihnen vor:
CompassCollective
BoatSpotting im Mittelmeer: «Das Wendland schickt ein Schiff!»
Aktionsfelder: Unterstützung der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer
Gegründet: 2023
Gründer:in: Matthias Wiedenlübbert, Katja Tempel, Jan Becker
Sitz: Wendland
Website: https://compass-collective.org
Video mit Stromrebellin Kerstin Rudek
Ja, ich möchte Inhalte von YouTube angezeigt bekommen. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Seit dem 25. August 2023 unterstützen Aktivist:innen des CompassCollective die Rettung von Flüchtenden auf dem Mittelmeer. Mit unserem Segelboot TROTAMAR III finden dreiwöchige Beobachtungseinsätze statt, bei denen wir Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, nach Seenotfällen Ausschau halten und bei Rettungseinsätzen von größeren (Rettungs-)Schiffen assistieren. Im Notfall retten wir.
Was bedeutet Klimagerechtigkeit für uns?
Auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Folter, Hunger, Elend oder Vergewaltigung brechen täglich Menschen aus ihrer Heimat auf. Sie fliehen aus Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Sie fliehen, weil ihr Leben bedroht ist. Sie verlassen Familie, Freund:innen, liebgewonnene Regionen ihrer Heimat und machen sich auf den Weg. Die Menschen wählen auf dem Weg in eine sicherere Zukunft die Passage über das größte Massengrab der Welt, das Mittelmeer. Wir wollen die Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer vor dem Tod durch Ertrinken oder Verdursten bewahren und ihre unmittelbare Not lindern. Schon jetzt entwickelt sich die Fluchtroute von Tunesien Richtung Lampedusa zu einem neuen Hotspot.
Wir rechnen mit einem größeren Fluchtdruck im Globalen Süden, mittelfristig werden es vor allem die sich verschärfenden Klimabedingungen sein, die die Anzahl der Menschen, die die gefährliche Route über das Mittelmeer wählen, weiter zunehmen lässt. Da helfen weder Mauern noch Zäune. Es bedarf mehr Organisationen, die die Zahl der gefährdeten Menschen dokumentieren und sichtbar machen, die Druck auf die europäischen Regierungen aufbauen, die vor Ort PushBacks verhindern, Rettung organisieren und auch sichere Landpassagen organisieren. Wir halten Nationalstaaten und kapitalistische Ausbeutungsstrukturen für eine der Grundlagen des Rassismus und der Abschottungspolitik in Europa. Im Moment bleibt uns nur, unsere eigenen Grenzen zu verschieben, uns auf den Weg zu machen und Menschen an den EU-Außengrenzen im Mittelmeer zu unterstützen.
Fragen und Antworten an Kerstin und Jan vom CompassCollective
Kerstin, Du bist seit Jahrzehnten Aktivistin. Was hat Dich über die Jahre motiviert?
Da gibt es einige Aspekte. Angefangen hat es mit dem Gefühl, gegen die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt etwas tun zu wollen, tun zu müssen, da war ich 14 Jahre alt. Dann habe ich erfahren, dass es viele Gleichgesinnte gibt, wir haben zusammen diskutiert, Pläne geschmiedet, Demos und Aktionen organisiert und dabei die Erfahrung gemacht, dass wir Veränderungen bewirken können. Manche gesellschaftliche Missstände lassen sich schnell abschaffen, andere brauchen einen sehr langen Atem. Meine Mitstreiter:innen, die, so wie ich, immer «alles gegeben» haben, waren auch eine enorme Motivation, gerade wenn es mal schwer war, das gesellschaftliche Klima uns gegenüber rau. Nicht zuletzt ist es die Natur, die Tiere, Kraft zu tanken in den Wiesen, im Wald, an der Elbe. Ich habe das große Glück, im Wendland zu leben und sehe und spüre hier jeden Tag, was das Leben uns Wunderbares zu bieten hat.
Welche Bedeutung hat der Aktivismus für Dich für Klimagerechtigkeit?
Es sind vor allem zwei Dinge: der Streit für Klimagerechtigkeit ist einer, den ich auch stellvertretend austrage, für die, die nicht selber protestieren können. Das sind Aktivist:innen in anderen Ländern, die nicht die Möglichkeiten haben, ohne enorme Repressionen umweltpolitisch aktiv zu sein. Wir haben viele Kontakte in alle möglichen Länder dieser Erde. Die Verfolgung, der diese Menschen oftmals ausgesetzt sind, ist erdrückend, Aktivist:innen, Anwält:innen, Journalist:innen landen im Knast, verschwinden, werden ermordet. Wir können hier relativ unbehelligt im Rahmen unserer Meinungsfreiheit und dem Versammlungsgesetz handeln und daher finde ich, wir müssen das auch.
Die andere, noch größere Personengruppe, die sich nicht gegen die Klimakatastrophe wehren kann, das sind die kommenden Generationen, die noch gar nicht geboren sind. Auch für sie streite ich für Klimagerechtigkeit. Das ist für mich nichts abstraktes, sondern als Mutter von 6 Kindern ganz real, in zwei Monaten werde ich Oma <3. Bei dem rasanten Fortschreiten der Erderwärmung werden etliche Teile der Welt bald unbewohnbar werden. Die Politik schaut zu sehr auf die Konzerne, auf die Wirtschaft, zu wenig auf die Menschen und was es wirklich zum Leben braucht. Außerparlamentarische Bewegungen sind als Korrektiv notwendig und wir haben in Gorleben gezeigt, dass wir alle zusammen viel bewirken können. Das gilt es jetzt im Bereich Klima umzusetzen, wir brauchen eine starke Bewegung für Klimagerechtigkeit!
Jan, Du bist wie Kerstin seit Jahrzehnten im Anti-Atom-Widerstand aktiv, nun bist Du eines der Gründungsmitglieder des CompassCollective. Wie kommt es, dass das Wendland, bekannt für seinen Antiatomprotest, nun auch im Mittelmeer bei der Geflüchteten-Rettung aktiv ist?
Nach 40 Jahren Kampf gegen ein Atommüll-Endlager in Gorleben schicken Aktivist:innen aus dem Wendland ein eigenes Boot zur Unterstützung der Seenotrettung. Seit dem Ende der Castor-Proteste 2011 gab es ein politisches Vakuum, der Widerstand auf der Straße fiel plötzlich weg. Diesen Raum füllte ab 2015 das Engagement von vielen Wendländer:innen mit und für Geflüchtete. In diesem Zusammenhang haben wir den Verein Grenzenlos-People in Motion e.V. gegründet, um auf der Balkanroute handlungsfähig zu sein. Daraus ist im letzten Jahr das CompassCollective entstanden, mit dem neuen Projekt «BoatSpotting». Eigentlich sind wir nur eine Handvoll Aktivist:innen. Aber wir kommen mit der Erfahrung im Gepäck, dass es sich lohnt, gemeinsam was anzupacken. Wir haben das Boot, die Strukturen, die Vernetzung. Was es jetzt noch braucht ist Geld, um das Segelboot auch segeln zu lassen.
Welche Ziele verfolgt Ihr genau mit CompassCollective?
Wir reihen uns ein in die Gemeinschaft der «civil fleet», der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer. Wir wollen die Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer vor dem Tod durch Ertrinken oder Verdursten bewahren und ihre unmittelbare Not lindern. Wir dokumentieren Menschenrechtsverletzungen auf dem zentralen Mittelmeer. Wir informieren mit unserer Arbeit und machen damit auf die Schicksale flüchtender Menschen und die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer aufmerksam.
UNSERE VISION
Grenzenlos – denn wir halten Nationalstaaten und kapitalistische Ausbeutungsstrukturen für eine der Grundlagen des Rassismus und der Abschottungspolitik in Europa. Im Moment bleibt uns nur, unsere eigenen Grenzen zu verschieben, uns auf den Weg zu machen und Menschen an den EU-Außengrenzen im Mittelmeer zu unterstützen.
Was für ein Schiff ist die Trotamar III?
Unser Segelboot, die Trotamar III, ist 13,5 m lang und kann sechs Aktivist:innen unterbringen. Wir fahren dreiwöchige Beobachtungseinsätze und retten Menschen, wenn es notwendig ist. Wir konnten im letzten Jahr unterstreichen, dass wir gebraucht werden, als wir mehrfach Menschen in Not zu Hilfe kamen. Einmal nahmen wir auch 20 Personen an Bord und brachten sie nach Lampedusa.
Ist die Trotamar III aktuell im Mittelmeer unterwegs?
In 2023 sind wir seit Ende August vier Einsätze gefahren. Über den Winter haben wir unser Schiff aus dem Wasser geholt, es repariert und gewartet. Anfang März werden wir wieder auf der Geflüchtetenroute zwischen Lampedusa und Tunesien aktiv sein. Wir planen neun drei- bis vierwöchige Einsätze in 2024.
Wie kann man Eure Arbeit unterstützen?
Wir brauchen dringend finanzielle Unterstützung. Wir wünschen uns möglichst viele Menschen, die uns monatlich und langfristig mit ihren Spenden weiterhelfen – und eine Patenschaft für das Schiff übernehmen. Wer Interesse hat und bestimmte Fähigkeiten wie Seefestigkeit mitbringt, kann gern auch Teil der Crew werden.