Sich für eine intakte Natur einzusetzen, ist ehrenwert, wichtig und gut. Aber in manchen Fällen geschieht das auch aus zweifelhaften Motiven und ist mit einer menschenverachtenden Ideologie im Hintergrund verbunden. Über rechte und rechtsesoterische Umtriebe in Umwelt- und Naturschutz, über die historische Naturliebe im Nationalsozialismus und den richtigen Umgang mit dem Themenfeld informiert die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN), die sich hier vorstellt.
Weil das Thema so spannend ist, haben wir um ein Interview gebeten. Florian Teller stand uns Rede und Antwort – vielen Dank dafür!
interview
Ich kann die Facebook-Kommentare jetzt schon vor mir sehen: «Ist man jetzt schon ein Nazi, wenn man sich für Naturschutz einsetzt?» Was würdest du antworten?
Nein, natürlich nicht. Aber es ist eben auch nicht so, dass Naturschutz automatisch unpolitisch oder progressiv ist, wie man das oft so annimmt. Wenn man sich die Geschichte des Naturschutzes in Deutschland ansieht, muss man feststelle, dass es da doch schon einige rechtsextreme Akteur:innen gab und noch gibt. Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) wurde von den Verbänden Naturfreunde Deutschlands und Naturfreundejugend Deutschlands gegründet, um darüber zu informieren und sensibilisieren.
Das klingt tatsächlich erst mal nicht so naheliegend. Kannst du Beispiele nennen?
In der Geschichte kann man da etwa Hans Klose anführen, der unter Hermann Görings Reichsforstamt am ersten Reichsnaturschutzgesetz maßgeblich mitgewirkt hat, der aber auch am Generalplan Ost mitgearbeitet hat. Nach diesem sollten die eroberten Gebiete im Osten für die arischen Wehrbauern lebensfähig gemacht werden, und Bäume und Hecken angepflanzt werden, damit sich die arische Seele wohlfühlt – in ihrer Vorstellung waren die Arier ein Waldvolk und die Slawen ein Steppenvolk. Die einheimische Bevölkerung sollte einfach verhungern. Eben dieser Hans Klose war in der Nachkriegszeit von 1945 bis 1954 Leiter der Zentralstelle für Naturschutz und Landschaftspflege, dem Vorläufer des Bundesamts für Naturschutz. Hier hat nie eine Entnazifizierung stattgefunden, sondern eine Kontinuität.
«Naturschutz ist nie unpolitisch, weil sich dahinter auch immer ein entsprechendes Menschenbild verbirgt.»
Wenn wir nach heute schauen, fällt mir als Beispiel eine Bürgerinitiative ein, die sich gegen die Errichtung von LNG-Terminals vor Rügen einsetzt und auch mit der AfD zusammenarbeiten wollte. Die ist ja auch gegen die Terminals, weil sie lieber billiges Gas aus Russland importieren wollen. Da gab es welche in der Initiative, die begriffen sich als unpolitisch und wollten alle willkommen heißen, die dasselbe Ziel teilen. Andere in der Initiative hatten sich dann an uns gewandt.
Wir meinen jedenfalls: Naturschutz ist nie unpolitisch, weil sich dahinter auch immer ein entsprechendes Menschenbild verbirgt.
Worin unterscheidet sich denn, wenn man es so nennen will, «rechtsextremer» von inklusivem und demokratischem Naturschutz?
Rechte Ideologie basiert immer auf der Vorstellung von Ungleichwertigkeit – dass manche Menschen mehr wert sind als andere. Die Leitfrage ist: Dient der hier propagierte Naturschutz allen Menschen oder nur manchen?
Zum anderen vertritt rechter Naturschutz einen starken Sozialdarwinismus. Da werden Naturgesetze aus Tier- und Pflanzenwelt auf die menschliche Gesellschaft übertragen. Rechte gehen davon aus, dass wir uns in einem ewigen Kampf ums Überleben befinden, in dem sich der Stärkere durchsetzt. Mit dem Rückgriff auf diese vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten werden viele Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen als etwas Natürliches legitimiert.
Gibt es «Red Flags», also Begriffe oder Codes, die auf so eine völkische oder menschenfeindliche Gesinnung hindeuten?
Die sind nicht so einfach zu erkennen. Zum einen, weil Rechte oft nicht offen extrem auftreten und harmlos klingende Wort benutzen, zum anderen benutzen auch andere dieselben Begriffe, ohne dass dahinter eine gefestigt rechtsextreme Ideologie steckt. Wenn Begriffe wie «organisch», «ganzheitlich», «künstlich vs. natürlich» verwendet werden, kann dahinter ein Verweis auf rechte Esoterik stecken – muss es aber nicht. Da muss man wirklich auf den Kontext hören und ggf. nachfragen, wie genau das gemeint ist.
Beim Thema Klimaschutz scheiden sich dann aber die Denkmuster, oder? Seitens der AfD wird ja das Wissen um die menschengemachte Klimaerhitzung abgelehnt und Klimaschutz gegen Naturschutz ausgespielt, etwa, um Windkraftprojekte zu verhindern …
Das stimmt, die AfD ist der parlamentarische Arm der Klimawandelleugner. Die propagieren Naturschutz als Anliegen des Volkes und stellen Klimaschutz als Verschwörung der Eliten dar, die sie als abgehoben, künstlich und fehlinformiert framen.
Es gibt jedoch auch in der Neuen Rechten Stimmen wie etwa Felix Menzel, die den Klimawandel ernst nehmen, deren Rezepte dagegen jedoch nicht minder menschenverachtend sind. Die laufen dann auf eine Kontrolle der Bevölkerung im globalen Süden hinaus, und auf eine Begrenzung der Migration, damit nicht noch mehr Menschen unseren CO2-intensiven Lebensstandard erreichen.
Ein weiteres Thema, zu dem ihr Schriften publiziert habt, ist gerade recht aktuell: völkisches Gedankengut in der Landwirtschaft. Zeigt sich das gerade in den Bauernprotesten, die ja teilweise recht unappetitliche Auswüchse hervorbringen?
Ich würde nicht sagen, dass da automatisch eine Verbindung besteht – dafür sind die Akteure zu vielschichtig. Was es gibt, ist eine Tradition seitens der Rechten, den Bauern als Projektionsfläche für ihre Ideologie zu benutzen, als Idealtypus, als Bewahrer der deutschen Scholle und ähnliches.
Seit Beginn der Bauernproteste sehen rechtsextreme Gruppen darin eine Möglichkeit, Mobilisations- und Wählerpotenzial im Kreise der Unzufriedenen abzufangen, sich als Anwalt des kleinen Mannes zu gerieren oder sie für eigene Umsturzfantasien einzuspannen. Einige Bauernverbände, gerade die größeren, traditionell konservativen, haben noch Luft nach oben, was die Abgrenzung zu rechten Akteuren angeht. Auf der anderen Seite stehen aber auch viele Bauernverbände, die eine klar demokratische Position vertreten. Man kann die Protestierenden nicht über einen Kamm scheren.
Welche Arbeit leistet FARN konkret?
Wir sind vor allem in der Bildungsarbeit tätig, entwickeln Vorträge und Workshops für Vereine und Einrichtungen, um für das Thema zu sensibilisieren und aufzuklären, und Menschen zu befähigen in ihren eigenen Strukturen und Netzwerken präventiv tätig zu werden. Zu erkennen, was sind möglicherweise rechtsextreme Themen und Äußerungen, wo liegt eine mögliche Anschlussfähigkeit nach rechtsaußen vor? Wir fördern also das demokratische Engagement im eigenen Verein und im eigenen Netzwerk. Wir bilden jedes Jahr weitere Multiplikator:innen aus, die im Namen von FARN Workshops geben. Und wir beraten Vereine, Verbände und kommunale Mandatsträger:innen. Zuletzt haben wir ein Hochschulprojekt für Studiengänge sogenannter Grünberufe wie Land- und Forstwirtschaft entwickelt, um unsere Themen auch dort zu vermitteln.
«Wir empfehlen Naturschutzvereinen, von vornherein einen verbindlichen Wertekanon festzulegen und klar zu kommunizieren.»
Rechtsextreme Strukturen, Denkmuster und Parolen zu erkennen, ist das eine. Wie soll man sich als Verein oder Einzelperson aber konkret verhalten, wenn sie einem im eigenen Umfeld begegnen?
Da muss man erst mal unterscheiden: Haben wir es mit Menschen zu tun, die sich mal rechtsextrem äußern, oder sind sie in klar rechtsextremen Organisationen oder Parteien aktiv? In letzterem Fall liegt vermutlich schon eine gefestigt rechtsextreme Überzeugung vor, gegen die man mit Argumenten wahrscheinlich nichts mehr ausrichten kann.
Wenn eine Person mal eine rechtsextreme Äußerung tätigt, ist es gut, erst einmal ins Gespräch zu gehen, zu argumentieren, zu diskutieren und sie vielleicht zum Hinterfragen der eigenen Aussagen zu bringen. Wenn das dann alles nichts bringt, muss die rote Linie gezogen werden, also die Abgrenzung und der Ausschluss.
Gerade Vereinen, die sich neu gründen, empfehlen wir, von vorneherein einen verbindlichen Wertekanon festzulegen und klar zu kommunizieren, sich schon von Anfang an Unvereinbarkeitsklauseln zu geben, auf die man sich später berufen kann.
Weiterlesen:
Publikationen – FARN
Ökofaschismus und Esoterik – antifainfoblatt.de
Die extreme Rechte zwischen Klimawandelleugnung und Klimanationalismus – Hamburg vernetzt gegen Rechts
Titelfoto: FARN
Reichsnaturschutzgesetz: Wikimedia Commons
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