Windenergie vom Rohrenkopf
Ein Bericht von Petra Völzing
Die EWS betreiben seit Ende 2016 bei Gersbach den ersten eigenen Windpark – ein wichtiger Beitrag für die Energiewende in Baden-Württemberg.
Seit Ende 2016 drehen sich über dem Höhenzug des Rohrenkopfs im südlichen Schwarzwald fünf Windräder. Mit dem Windpark betraten die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) Neuland, denn zum ersten Mal entwickelte man gemeinsam mit mehreren Partnern ein Projekt von Beginn an in eigener Verantwortung. «Wir haben alle Risiken mitgetragen», sagt der EWS-Vorstand Armin Komenda. Die EWS sind zu 96 Prozent an der dafür eigens gegründeten EWS Windpark Rohrenkopf GmbH beteiligt. In den aktuell südlichsten Windpark Deutschlands investierte das Unternehmen rund 29 Millionen Euro.
Der Windenergieerlass von 2012 gab den Anstoß
Die Initialzündung für das Projekt gab 2011 der Regierungswechsel in Baden-Württemberg, denn mit dem Windenergieerlass der neuen grün-roten Landesregierung im Jahr 2012 wurden im Land zum ersten Mal Rahmenbedingungen geschaffen, die eine bessere Umsetzung von Windenergieprojekten in Baden-Württemberg ermöglichen: Die Landesregierung entschied, dass der Windenergie «substanziell Raum» zu geben ist. Die schlussendliche Planungshoheit für den Ausweis von Flächen für Windkraftanlagen wird den Kommunen im Rahmen ihrer Bauleitplanung zugewiesen. Damit wird ihnen die Möglichkeit gegeben, selbst zu steuern, welche Flächen sie für den Bau von Windkraftanlagen ausweisen. Schopfheim ergriff diese neue Chance und schrieb auf ihrer Gemarkung ein Projekt zur Errichtung von Windkraftanlagen aus. Den Zuschlag erhielt 2013 das Konsortium aus EWS und dem Planungspartner ENERKRAFT mit ihrem auf Bürgerbeteiligung ausgerichteten Konzept. Vorgesehen ist, dass lokale Bürgerenergiegesellschaften die Möglichkeit haben, bis zu drei Windkraftanlagen in eigene Trägerschaft zu übernehmen. Diese müssen sich aus eigener Initiative gründen.
Intensive Planungsphase
Es folgte ein langer und intensiver Planungsprozess. Windmessungen am Rohrenkopf bei Gersbach bestätigten die guten Prognosen des Windatlasses Baden-Württemberg für diesen Standort. Schall- und Schattenemissionen wurden errechnet. Zudem wurden umfangreiche Artenschutzuntersuchungen beauftragt. Das auf diesen Grundlagen entwickelte Windpark-Konzept präsentierte das Konsortium im September 2014 in Gersbach der Öffentlichkeit. Über ein Ausschreibungsverfahren wurde 2015 die ENERCON als Anlagenlieferant gefunden, mit der auch ein Wartungsvertrag abgeschlossen wurde. Als im November 2015 dann alle Voraussetzungen geschaffen und die Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie die Waldumwandlungsgenehmigung erteilt waren, begann die Umsetzung des Bauvorhabens. Noch im Winter 2015 konnte mit den bauvorbereitenden Maßnahmen begonnen werden.
Die Bauphase: ein logistisches Meisterstück
Im Mai 2016 starteten dann die eigentlichen Bauarbeiten. Nach nur rund acht Monaten Bauzeit waren alle fünf Windkraftanlagen in Betrieb. Nach einer mehr als zweieinhalb Jahre andauernden Planungs- und Vorbereitungsphase, die solche Projekte aufgrund hoher Anforderungen mittlerweile in Anspruch nehmen, konnte die Bauphase durch den großen Einsatz aller Beteiligten zügig abgeschlossen werden. «Die Planung und Umsetzung des Bauablaufs war vor allem in logistischer Hinsicht eine echte Herausforderung», sagt Tobias Tusch, der als Geschäftsführer die Projektkoordination innehatte.
Der Rohrenkopf ist derzeit der höchstgelegene Windpark in Deutschland. Schon die Anfahrt zum nahe gelegenen Ort Gersbach auf 900 Metern war ein recht steiles und kurvenreiches Vergnügen. Ab da ging es dann über Forstwege bis zu den Standorten der Windräder auf bis zu 1.150 Meter Höhe. Der Transport der mehr als 45 Meter langen Rotorblattteile für die Anlage war entsprechend spektakulär und sorgte für einiges Aufsehen. Die Rotorblätter wurden mit einem achtachsigen Selbstfahrer über die Route Atzenbach-Riedichen-Gersbach zwölf Kilometer im Schritttempo ferngesteuert auf den Berg transportiert.
Das Rotorblatt konnte je nach Anforderung ausgerichtet werden; so stellten auch Häuser, Bäume und enge Haarnadelkurven keine unüberwindlichen Hindernisse dar. Der Transportspezialist mit der Fernsteuerung lief den ganzen Weg zu Fuß den Berg hinauf und wieder hinab. «Wichtig war, dass der Transport eines Rotorblatts hoch und die leere Fahrt des Fahrzeugs wieder runter an einem Tag machbar war», bemerkt Tobias Tusch – für insgesamt 15 Rotorblätter doch ein beträchtlicher Aufwand.
Die Betonbauteile für die Türme wurden in Norddeutschland gefertigt und per Schiff nach Weil am Rhein transportiert. Auf den Berg gelangten sie mit Lastwagenkonvois, die allerdings nur nachts fuhren, um die Verkehrsbehinderung für die Anwohner in der Bauphase möglichst gering zu halten. Auf den Baustellen selbst waren zwei 150-Meter- und ein 100-Meter-Kran im Einsatz. So konnten bis zu drei Anlagen parallel errichtet werden. Die Kräne wurden dann je nach Baufortschritt umgesetzt. «Um den Terminplan halten zu können, mussten die Bauabläufe sehr genau ineinandergreifen», so Tusch. Dabei spielten auch Anforderungen von Natur- und Trinkwasserschutz eine wichtige Rolle. Unter anderem wurde auf die Haselmaus besondere Rücksicht genommen. Um diese nicht in ihrem Winterschlaf zu stören, gab es in den Wintermonaten keine Erdarbeiten. Letztendlich konnte die Terminplanung fast eingehalten werden, nur ein Windrad ging erst Ende Januar ans Netz.
Einweihungsfeier am 8. Juli 2017
Gewichtiger Beitrag zur Energiewende
Die fünf Anlagen mit 149 Meter Nabenhöhe erbringen nun jeweils drei Megawatt Leistung. Gemeinsam können sie bis zu 15.000 Haushalte mit Strom versorgen. Mit dem prognostizierten Stromertrag von 45 Millionen Kilowattstunden lassen sich im Vergleich zum deutschen Durchschnittsstrommix pro Jahr bis zu 23.000 Tonnen CO2 und 22 Kilogramm radioaktiver Abfall vermeiden.
Die EWS haben mit dem Projekt einen neuen Weg eingeschlagen und damit als genossenschaftliches Unternehmen, das selbst aus einer Bürgerinitiative entstanden ist, auch eine andere, ganz neue Erfahrung gemacht: Mit dem Windpark wurden sie erstmals mit einer bürgergetragenen Gegnerschaft konfrontiert. Etliche Menschen aus der direkten Umgebung lehnten und lehnen die Windräder ab, weil sie aus ihrer Sicht die Landschaft verschandeln. Andere argumentieren mit Lärmemissionen sowie Natur- und Artenschutz, obwohl die EWS in dieser Hinsicht alle Auflagen und Vorgaben aus der Genehmigung sorgfältig eingehalten haben. Was lässt sich daraus lernen? In einer pluralistischen Gesellschaft ist der Diskurs über die Gewichtung unterschiedlicher Interessenlagen ein normaler Prozess. Wichtig ist, ihn transparent und nachvollziehbar zu führen und auch Interessen und Meinungen anderer zu akzeptieren.
Der neue Windpark leistet für Baden-Württemberg einen gewichtigen Beitrag für die Energiewende, denn hier ist der Stromertrag aus Wind im Vergleich zu anderen Bundesländern immer noch sehr gering. Während das führende Land Niedersachsen mit Windenergieanlagen an Land nach Angaben des Bundesverbands Windenergie 2016 bereits 9.324 Megawatt installierte Leistung aufweisen konnte, liegt Baden-Württemberg mit 1.041 Megawatt immer noch weit zurück. Auch Bayern, das nicht gerade als windenenergiefreundlich gilt, hat mit 2.233 Megawatt in 2016 einen deutlichen Vorsprung. Baden-Württemberg hat viele Standorte, an denen der vergleichsweise preiswerte Strom aus Windenergie wirtschaftlich gewonnen werden kann. Mehr erneuerbare Energie vor Ort leistet auch einen wichtigen Beitrag, um den anstehenden Stromnetzausbau in Deutschland kostengünstiger zu gestalten.
Kenndaten EWS-Windpark Rohrenkopf
- Anlagen: 5 x Enercon E-115
- Leistung: 5 x 3,0 MW
- Nabenhöhe: jeweils 149 m
- Investitionsvolumen: ca. 29 Mio. €
- Standort: Schopfheim-Gersbach